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Neonaziterrorismus in Schweden

Peter Andersson
Einleitung

Ende 2016 / Anfang 2017 kam es in Schweden zu mehreren (versuchten) Bombenanschlägen durch organisierte Neonazis.

Foto: antifa.se

Der führende Göteborger Neonazi Viktor Melin.

Am späten Abend des 11. November 2016 explodierte eine Bombe in der Göteborger Innenstadt. Jemand hatte sie am Fenster des linken Infoladens "Syndikalistiskt Forum" deponiert. Es entstand erheblicher Schaden an den Räumen des Ladens, aber glücklicherweise wurde niemand verletzt. Zum Zeitpunkt der Detonation waren es nur noch zwölf Stunden bis zum Beginn einer Demonstration der "Nordischen Widerstandsbewegung" (NMR)1 in Stockholm. Der Verdacht lag nahe, dass Neonazis aus dem Umfeld der NMR die Tat im Vorfeld der Demonstration als "Warnschuss" an Antifaschist_innen begangen hatten.

Zwei Monate darauf explodierte am 5. Januar 2017 eine weitere Bombe, diesmal vor einer Flüchtlingsunterkunft. Ein Pförtner wurde durch Splitter der Bombe und die Druckwelle schwer verletzt, er erlitt zwei Beinbrüche. Zwei Wochen später wurde einer der führenden Göteborger Neonazis, der 28-jährige Viktor Melin2 , festgenommen. Er wird verdächtigt, die Bombe am "Syndikalistiskt Forum" gelegt zu haben. Rasch übernahm die Säpo (Sicherheitspolizei) die Ermittlungen. Noch während Melin in Haft war, wurde am 25. Januar erneut eine Bombe vor einer Flüchtlingsunterkunft gefunden, diesmal bevor es zur Detonation kam.

Einige Tage später wurden zwei weitere Aktivisten der NMR festgenommen. Der 50-jährige Jimmy Jonasson und der 20-jährige Anton Thulin sind beide in der gleichen Näste (Regionalgruppe) aktiv wie der Anführer Melin. Johansson wird verdächtigt, an allen drei Anschlägen beteiligt zu sein, Thulin wird bislang nur der letzte, fehlgeschlagene zugerechnet. Am 16. Februar 2017 wurde eine vierte Person verhaftet. Die Neonazis werden der gemeingefährlichen Verwüstung beschuldigt, ein Verbrechen, das mit mindestens einem Jahr und bis zu lebenslänglicher Haft bestraft wird. Die Bombe am "Syndikalistiskt Forum" war mit einem Zeitzünder versehen und hätte in der um 22 Uhr immer noch belebten Straße auch jemanden töten können.

Vor dem linken sozialen Zentrum "Kulturhuset" in Jönköping gab es am 8. Dezember 2016 eine weitere, anscheinend mit den anderen Anschlägen nicht in Zusammenhang stehende Explosion. Zunächst wurde gemutmaßt, dass das Kulturhuset irrtümlich betroffen und ein nahe gelegenes Restaurant das eigentliche Ziel gewesen sei. Es gab keine Festnahmen nach diesem Anschlag, aber es sollte nicht unerwähnt bleiben, dass Mitglieder der Göteborger NMR sich an diesem Tag in Jönköping aufhielten und die Säpo auch hier die Ermittlungen übernahm.

Die Polizei hat der Öffentlichkeit bislang keine Beweismittel präsentiert, spricht aber davon, dass die Anschläge geplant und keine spontanen Aktionen gewesen seien. Am Silvesterabend wurde Thulin festgenommen, als er sich mit einem Messer bewaffnet vor eben jener Flüchtlingsunterkunft aufhielt, wo am 25. Januar 2017 die Bombe gefunden wurde. Die NMR hat sich in einer Verlautbarung hinter ihre inhaftierten Kameraden gestellt und behauptet, es gebe keine Beweise. Die Bombe, die den Pförtner verletzt habe, habe vielmehr aus dem Inneren der Unterkunft gestammt. Offiziell befürwortet die NMR keine offensive Gewalt und behauptet nach derartigen Aktionen stets, diese hätten nichts mit der Organisation zu tun. Allerdings erschienen bei einem Gerichtstermin der verhafteten Aktivisten mehrere NMR-Mitglieder zur Unterstützung. Die drei sind immer noch in Untersuchungshaft und es ist nicht bekannt, wann bzw. ob überhaupt Anklage erhoben wird.

  • 1Die "Nordische Wider­standsbewegung" ist eine militante Neonaziorganisation und ­-partei in Schweden und wurde 1997 von ehemaligen Aktivisten des "Weißen Arischen Widerstands" ("Vitt Ariskt Motstånd", VAM) gegründet. Bis zur Übernahme des neuen Vorsitzenden Simon Lindberg im Jahr 2015 firmierte sie unter dem Namen "Schwedische Widerstandsbewegung" ("Svenska motståndsrörelsen", SMR). Unter Lindberg wurde auch ein parlamentarischer Flügel gebildet. Nach der Auflösung mehrerer anderer Gruppen ist die NMR nun die größte Neonaziorganisation in Schweden.
  • 2Viktor Melin ist ein Gruppenführer der NMR und seit einigen Jahren Mitglied der Organisation. Jonason und Thulin traten 2015 der NMR bei. Alle drei nahmen am 12. November 2016, dem Tag nach dem Anschlag auf das "Syndikalistiskt Forum", an der Neonazi-Demonstration in Stockholm teil. Melin erschien allerdings später als die anderen Göteborger Neonazis. In den Vernehmungen bestritt Melin Mitglied der NMR zu sein und behauptete, er habe die Organisation verlassen. Gegen die NMR als solche wird derzeit nicht ermittelt.