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Neonazis in Südniedersachsen

Redaktionskollektiv Broschüre (2008)

Das Medium der Antifabewegung der 1980er und 1990er Jahre – der Zeit vor dem Internet – war neben Zeitschriften die Broschüre. In diesen wurden Einschätzungen und Recherchen über die damals rasant wachsende Neonazibewegung verbreitet. Der Prozess des Erstellens dieser kollektiven Machwerke hatte, neben der Verbreitung des Wissens über die Strukturen der extremen Rechte, die Funktion sich als Gruppe über die abgedruckten Inhalte zu verständigen. Auch im Jahr 2008 gibt es das Format der Recherchebroschüre noch.

Aus Göttingen legt das »Redaktionskollektiv Broschüre« die Veröffentlichung »Neonazis in Südniedersachsen« vor. Nicht nur im Format, auch in der Art der Darstellung scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Zur Illustration sind haufenweise passbildgroße Fotos mit einzelnen Neonazis aus der Region zu sehen. Polizisten heißen konsequent Bullen. Als Belege werden keine Internetquellen verwandt. Die Vorteile dieser weder journalistischen noch wissenschaftlichen Darstellungsform liegen auf der Hand. Hier können mal alle Informationen publiziert werden, die sonst aufgrund rechtlicher Einschränkungen nicht veröffentlicht werden können.

Auf 48 Seiten wird die Geschichte des Neonazismus in der Region um Göttingen gut nachgezeichnet, von den 1950er Jahren bis heute. So wird ein guter Einblick in die extreme Rechte der alten Bundesrepublik vermittelt. Es wird aber nicht nur die Geschichte extrem rechter Strukturen und ihrer Protagonisten dargestellt, sondern auch die des Widerstandes von AntifaschistInnen gegen eben diese. So findet sich ein Kapitel »Autonomer und antifaschistischer Widerstand gegen Thorsten Heise und sein Umfeld: 1988–2007« in der Broschüre wieder. Dem seit knapp 20 Jahren aktiven Neonazi, der mittlerweile nicht mehr im Göttinger Umland sein Unwesen treibt, wird insgesamt viel Platz eingeräumt.

Ausführlich wird sich in der Publikation auch der Umgebung Göttingens bis tief in den Harz gewidmet. Am Ende der Zeitreise durch die Geschichte des Neonazismus in Südniedersachsen merkt man dann doch wieder, dass die Broschüre jüngeren Datums ist. So gibt es eigenständige Kapitel »Autonome Nationalist_innen« und »Frauen in der Neonaziszene«.

»Neonazis in Südniedersachsen« ist es wert von Anfang bis Ende durchgelesen zu werden. Daneben ist die Broschüre zusätzlich eine nette Auflockerung für alle aus der Bewegung, die von der zunehmenden Akademisierung der Antifa gelegentlich gelangweilt sind.

Redaktionskollektiv Broschüre (2008):
»Neonazis in Südniedersachsen«
3,50 Euro