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Neonazis im Hamburger Rotlichtmilieu

Einleitung

Seit jeher berichtet das Antifaschistische Infoblatt (AIB) über Personen aus der Neonaziszene, die im Kontext krimineller Milieus, allen voran dem Rotlichtmilieu auftauchen. Immer wieder wurde auf die diversen Gefahren dieser Mischszene hingewiesen, etwa den Zugang zu Waffen, die Nutzung finanzstarker klandestiner Infrastruktur sowie den Schutz durch und den Zugriff auf ein äußerst gewaltbereites Personenpotential.

Foto: Screenshot von Facebook

Gemeinsames Mixed Martial Arts-Trainig in einem Hamburger Gym. Frank Kortz (mitte) und Wolfgang B. (rechts).

Rocker haben ihren Platz in den neonazistischen Lebenswelten gefunden und stehen seit Jahren Pate für nach außen informell wirkende Organisierungsmodelle der Szene. Wie wenig persönliche Brüche ein Wechsel vom Neonazi-Aktivisten zum Mitglied krimineller Organisationen erfordert, haben wir mehrfach skizziert. Trotzdem sollen grundlegende Gemeinsamkeiten dieser scheinbar gegensätzlichen Welten an dieser Stelle genannt werden.

Neonazis fordern Gesetzesverschärfungen und einen starken Staat gegen organisiertes Verbrechen, oft jedoch nur im Zusammenhang mit Tätern nicht-deutscher Herkunft. Dass Delikte wie Drogenhandel, Menschenschmuggel, Schutzgelderpressung, Vergewaltigung und Förderung der Prostitution zum Kerngeschäft deutscher Motorradclubs (MC) zählen, wird ignoriert. Die Wertevorstellungen sind in vielen Punkten nahezu identisch: Patriarchale Rollenbilder, die Gültigkeit des Rechts des Stärkeren, das hierarchische Prinzip von Befehl und blindem Gehorsam — welches zu Loyalität verklärt wird — und eine Gewaltaffinität einen die Milieus mehr, als diese je öffentlich eingestehen würden. Die „Outlaw“-Gebärde krimineller MCs lässt sich in der Praxis unkompliziert mit der Ablehnung des als illegitim angesehenen Staates seitens der Neonazis vereinbaren. Das Verschmelzen geschäftlicher und subkultureller Interessen macht die Welt der MCs zur Mischszene. Dazu kommen Verflechtungen in die Hooligan- und die Kampfsportszene. Szenen, in denen ähnliche Werte und Codes existieren, wodurch Überschneidungen mit Neonazis zwar nicht zwangsläufig hervorgerufen, aber begünstigt werden.

Gelernt ist gelernt

Einer, der seine Gewalttäter-„Karriere“ in der Neonaziszene begann und aus diesem Poten­tial nun finanzielles Kapital schlägt, ist der Wahl-Hamburger Frank Kortz: Bekennender Neonazi1 , aktiver Kampfsportler, Teilhaber einer rechten Hooligan-Marke, Geschäftsmann im Rotlichtmilieu und nicht zuletzt jüngst Protagonist im extrem gewalttätigen Konflikt unter MCs. Er und sein Umfeld stehen exemplarisch für die eingangs erläuterte Lebenswelt, die in vielen deutschen Städten häufiger zur Regel, als zur Ausnahme gehört.

Gewalt als Lebenswelt

Der ursprünglich aus Kaiserslautern stammende Mittdreißiger Frank Kortz wurde der dortigen rechten Hooliganszene zugerechnet, ist aber schon seit vielen Jahren in Norddeutschlands Rotlichtmilieu aktiv. Diese geschäftlichen Tätigkeiten überschneiden sich immer wieder auch mit politischen Kontakten. Während seiner dreijährigen Inhaftierung wegen Körperverletzung, Menschenhandel und unerlaubten Waffenbesitzes 2 im Jahr 2009 arbeitete Frank Kortz während seines Freigangs als Trainer in einem Bremer Thaibox-Gym. Dass das Gym auch von der linken Szene frequentiert wurde, dürfte ihm bekannt gewesen sein, pflegt er doch seit Jahren freundschaftliche Kontakte in die extrem rechte Szene Bremens um Hannes Ostendorf.1 Nach seiner Haftentlassung 2010 pendelte er zwischen Hamburg und Flensburg, wo er im Stadtteil Handewitt in einen Bordellbetrieb involviert ist. 2014 organsierte Kortz dort eine „Red Moon“-Party inklusive Kämpfen im Bereich Mixed Martial Arts (MMA), zu der er auch den 2015 verstorbenen „Hammerskin“, „Blood & Honour“-Aktivisten sowie V-Mann des Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Würtemberg — Roland Sokol3  — persönlich einlud. 

Auch darüber hinaus pflegten die beiden vertraulichen Kontakt: Als Roland Sokol Anfang 2014 in finanzieller Not steckte, schenkte ihm Frank Kortz einen Geldbetrag in unbekannter Höhe. Im selben Zeitraum fragte Roland Sokol bei Frank Kortz an, ob er bereit wäre, beim „Ring der Nibelungen“ zu kämpfen. Das seit rund vier Jahren konspirativ stattfindende Kampfsport-Event der Neonaziszene wurde mittlerweile umbenannt in „Kampf der Nibelungen“ und wird von Neonazis u.a. der italienischen „Casa Pound“ und der in Russland hoch-professionell tätigen Kampfsport-Promotion „White Rex“4  personell und logistisch unterstützt. Kortz willigte ein und gab an, sich bereits über „Malte“ aus „LU“ angemeldet zu haben. Dabei dürfte es sich um den „Hammerskins-Deutschland“-Chef Malte Redeker aus Ludwigshafen handeln, den Beobachter als einen der Drahtzieher der Veranstaltung vermuten.

Frank Kortz, der in Hamburg in einem unverdächtig wirkenden Gym mit hohem Anteil aktiver Wettkämpfer trainiert, trat in den letzten Jahren mehrfach als MMA-Kämpfer bei nicht-politischen, kommerziellen Events in Dänemark und Deutschland an. Auf Widerstand wegen seiner zur Schau gestellten neonazistischen Gesinnung stieß er bisher kaum. Als bei der Bremer „Hype Fighting Championship“ 2015 einer der Kämpfer seine Teilnahme wegen Kortz Tätowierungen — neben zwei Hakenkreuzen prangt „2YT4U“ auf seinem Körper, ein rassistisches Szene-Kürzel für „too white for you“ — zur Disposition stellte, entschied sich der Veranstalter für Frank Kortz. In einem nach dem Kampf geführten Interview mit Kortz sympathisierte der Reporter Kurt B. von „Ground and Pound TV“, einem der größten deutschen Kampfsportmagazine, offen mit dem Neonazi. Er amüsierte sich über die in den lokalen Medien geführte Debatte wegen dessen Hakenkreuz-Tattoos und verharmloste diese als „altindische Glückssymbole5 . Um eine strafrechtliche Verfolgung zu umgehen änderte der Veranstalter für den rechten Kämpfer sogar kurzerhand das Regelwerk und ließ diesen mit einem T-Shirt antreten — vorgesehen ist üblicherweise ein freier Oberkörper.

Alte Bande

Ähnlich strafrechtlich relevanten Körperschmuck trägt auch Frank Kortz’ Freund und Trainingspartner Wolfgang B. Der Mannheimer lebt seit einigen Jahre in Hamburg und wird der dortigen Rockerszene zugerechnet. Beide verbindet weit mehr als nur ihre regionale Herkunft: Wolfgang B. ist Mitglied der „Hammerskins“6 und war beim neonazistischen "Aktionsbüro Rhein-Neckar" aktiv. Nach seinem Umzug nach Hamburg pflegte er unter anderem Kontakte zum dortigen Neonazi-Aktivisten Thorsten de Vries und trainierte mit diesem im selben Fitnessstudio. Frank Kortz und Wolfgang B. teilen auch die Zugehörigkeit zur Hooliganszene. Wenn auch Anhänger unterschiedlicher Vereine, brüsteten sich beide in sozialen Netzwerken mit der gemeinsamen Verabredung zu Schlägereien.

Dass Frank Kortz laut eigener Aussage Teilhaber der Magdeburger Hooligan-Marke „Pro Violence“ ist und hier sogar eine eigene Shirt-Kollektion („Tattoo-Frank“) hat passt erneut wie die Faust aufs Auge: Gegründet Anfang der 2000er-Jahre, tauchte die Marke immer wieder im Kontext rechter Hooligans auf. Ihr Gründer Christoph Herpich war darüber hinaus im Jahre 2000 von den Razzien im Zuge des „Blood & Honour“ (B&H) Verbotes betroffen7 . Auch Kortz scheint diese Organisation nicht fremd zu sein: sein rechtes Handgelenk ziert der Schriftzug "Blood & Honour", kombiniert mit einer Trisikele - das Logo der deutschen B&H-Sektion.

Blick zwischen die Schubladen

Frank Kortz’ Gewaltpotential brachte ihn zuletzt in den Fokus der Boulevardmedien, als er im Dezember 2015 vom Mobilen Einsatzkommando der Hamburger Polizei festgenommen wurde. Gemeinsam mit zwei Mittätern hatte er im Rahmen der aktuellen gewalttätigen Konflikte zwischen den MCs „Hells Angels“ und „Mongols“ in Hamburg den Chef der „Mongols“ zusammengeschlagen und seine Kutte entwendet. Nach dreimonatiger Untersuchungshaft wurde der vorbestrafte Frank Kortz Anfang März zu einer geringen Bewährungsstrafe verurteilt.

Weder Frank Kortz noch Wolfgang B. gehören zu der Sorte Neonazis, die man in der Fußgängerzone beim Verteilen von NPD-Flugblättern trifft. Beide bewegen sich in einem Milieu klassischer Kriminalität, welches multikulturell und nach außen politisch unverdächtig wirkt. Trotzdem sind sie Bestandteil neonazistischer Lebenswelten und Verbindungsglied zwischen klassischer und neonazistischer Kriminalität. Nicht nur aus den eingangs genannten Gründen sollten antifaschistische Strukturen dies aufmerksam im Blick behalten.