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Neonazi-Kundgebung in Magdeburg

Einleitung

Seit Anfang Februar 1999 mobilisierte die NPD mit Unterstützung von "Unabhängigen Kameradschaften" und anderen Neonazi-Gruppierungen aus Norddeutschland zu einem Aufmarsch am 27. Februar 1999 nach Magdeburg. Die von dem ehemaligen NF-Kader und NPD-Landesvorsitzenden Steffen Hupka angemeldete Veranstaltung stand unter dem Motto »Keine deutschen Pässe für Ausländer!«.

Foto: Christian Ditsch

Der Kameradschaftsführer Carsten K. (vorne mitte) aus Witten bei der NPD Kundgebung in Magdeburg.

Dem Aufruf des bislang fast bedeutungslosen NPD-Landesverbandes Sachsen-Anhalt folgten etwa 800 Nazis aus dem gesamten Bundesgebiet. Aus Berlin erschien die "Blood & Honour" Sektion mit einem eigenen Transparent. Aus NRW reisten Neonazis um  Siegfried Borchardt, Thorsten Crämer und Carsten K. ("Ruhrpottkameradschaft Dortmund/Witten") an. Wie bei nahezu allen Aufmärschen der letzten Monate stellten die Anhänger der "Unabhängigen Kameradschaften" den größten Teil der Aufmarsch-TeilnehmerInnen und im konkreten Fall auch der Organisationsstruktur. So fungierte z.B. der "Selbstschutz Sachsen Anhalt" (SS-SA) um Mirko Appelt wie bei der Unterstützungsdemonstration für den Neonazi-Anführer Frank Schwerdt in Berlin (Dezember 1998) als Ordnerdienst. Deren arrogantes Auftreten sorgte allerdings bei nicht wenigen Neonazis für Unmut.

Da der NPD gerichtlich ein Demonstrationszug durch die Innenstadt untersagt worden war, beschränkte sich die Kundgebung auf den mit Stacheldraht abgesperrten Magdeburger Domplatz. Rechte Jugendliche aus Magdeburg, die das Szene-Event des Jahres erwartet hatten, blieben gelangweilt von den Reden der Neonaziführer am Rande stehen. Die norddeutschen Neonazi-Busse versuchten vergebens, etwas Schwung in die Veranstaltung zu bringen, indem sie schon vor dem Domplatz ihre Busse verliessen und zum Kundgebungsort marschierten. Unterwegs startete der eigene Ordnerdienst mehrere Angriffsversuche auf vermeintliche AntifaschistInnen. Die Veranstalter hatten aber zunächst mit erheblichen organisatorischen und technischen Problemen zu kämpfen: So gab es Abstimmungsschwierigkeiten zwischen den "Kameradschaften". Der Lautsprecherwagen, einige Teilnehmer und Transparente trafen mit großer Verspätung ein, manche Neonazikleingruppe war von Anfang an betrunken, andere pinkelten öffentlich in die angrenzenden Parkanlagen. Im Umfeld des Antreteplatzes kam es zu Angriffen autonomer AntifaschistInnen auf Neonazis und ihre Fahrzeuge.

Neben Steffen Hupka sprach auf der Kundgebung auch Thomas Wulff ("Steiner") als Vertreter der "Freien Nationalisten". Wulff wünschte am Ende seiner Ansprache der Waffen-SS »Ruhm und Ehre«, was von den angereisten Neonazis als Parole brav wiederholt wurde. Die Polizei verwarnte daraufhin den Veranstaltungsleiter Steffen Hupka, griff jedoch nicht ein.

Anders verhielt sich die Polizei gegenüber den antifaschistischen Protestveranstaltungen. Die Demonstration »Nein zu Naziaufmarsch, Blutrecht und Rassismus! Gleiche Rechte für MigrantInnen!«, zu der AntifaschistInnen aufgerufen hatten, wurde von der Polizei mehrfach angegriffen. Höhepunkt der polizeilichen Provokation war jedoch der überfallartige Angriff mehrerer Dutzend Bereitschaftspolizisten auf die Veranstaltung des "Bündnis gegen den NPD-Aufmarsch". Dabei wurden auch einige der Bündnis-UnterstützerInnen von den aggressiven Beamten verletzt bzw. festgenommen.

Auch eine größere Gruppe von jugendlichen Neonazis, die scheinbar wegen des Demonstrationsverbots zu wenig Auslauf bekommen hatte, versuchte, an die Bündnisveranstaltung heranzukommen. Sie wurde von der Polizei eingekesselt und weggeführt. Dennoch werteten die Magdeburger AntifaschistInnen die Gegenaktionen als Erfolg. Das Bündnis ist - vor allem dank der Polizei-Übergriffe - stabiler als zuvor. Hupka und seine Aufmarsch-Organisatoren waren unzufrieden mit dem Verlauf ihrer Veranstaltung. Bleibt abzuwarten, ob die NPD am 17. April 1999 noch einmal so viele Neonazis nach Magdeburg mobilisieren kann, wenn sie ihren zweiten Aufmarsch-Versuch startet. Die antifaschistische Jugendszene der Stadt ist durch die Gegenaktionen eher gestärkt.