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Neonazi-Gewalt in Kroatien

Einleitung

Vor 1990 wäre die Existenz einer Neonazisubkultur im ehemaligen Jugoslawien unmöglich gewesen. Der tobende Nationalismus der 1990er Jahre, das Aufkommen der extremen Rechten, besonders der Ustascha-Bewegung1 und der ›kulturelle‹ Schritt Richtung Westen bereiteten einen fruchtbaren Boden für die Neonazi-Skinhead-Bewegung.

  • 1Ustascha war eine kroatische faschistische Bewegung, die 1929 von Ante Paveliç gegründet wurde, der kurz zuvor nach Italien ins Exil gegangen war.

Spektakuläre Neonazigewalt

Dennoch blieben sie eher eine Randerscheinung der Gesellschaft und waren den meisten Kroaten unbekannt. Als die ›linke‹ Koalition die Wahlen im Jahr 2000 gewann, machten Neonazi-Skinheads durch brutale Angriffe auf Tourist_innen und Migrant_innen, besonders auf Menschen afrikanischer und arabischer Herkunft, auf Serben, Sinti und Roma, Homosexuelle und Angehörige von Subkulturen, hauptsächlich Punks, auf sich aufmerksam. Diese brutalen Überfälle, insbesondere die Angriffe auf Kinder ausländischer Diplomaten, brachten den Neonazi-Skinheads viel Aufmerksamkeit durch die Medien. Im Juli 2003 wurde eine Gruppe von sechs Ägyptern, fünf ältere Menschen und ein 11jähriger Junge, auf offener Straße brutal von Neonazi-Skinheads zusammengeschlagen, ohne dass diese sich dafür verantworten mussten. Alle Angriffe fanden in Zagreb statt, wo der größte Teil dieser Gruppierung lebt. Die Mehrheit gehört der Hooligangruppe »Bad Blue Boys« an. Deren Mitglieder, die nicht alle Neonazi-Skinheads sind, sympathisierten mit extrem rechter Ideologie und beteiligten sich an den Angriffen.

Obwohl in Zagreb die Neonazi-Skinhead-Szene am größten ist, stehen die Orte Pula und Dubrovnik für die schwerwiegendsten Angriffe. In Pula griffen am 14. November 2004 drei Neonazi-Skinheads zwei Punks an. Beide wurden von Darko Basariç mit einem Messer angegriffen, während Mauricio Tromboni auf sie einschlug. Basariç wurde wegen Mordversuchs zu acht Jahren Gefängnis verurteilt, von denen er fünf absaß, während Tromboni neun Monate für die Teilnahme an der Auseinandersetzung bekam. Die Tatsache, dass er der Sohn eines Polizisten ist, könnte die niedrige Strafe erklären. Bei der Verhandlung erschien er in einem T-Shirt mit dem Aufdruck »White Revolution« und trug eine Gürtelschnalle mit einem SS-Totenkopf. Der dritte Neonazi, Mirko B., musste aus Mangel an Beweisen freigesprochen werden.  Als Reaktion auf diesen Übergriff versammelten sich 1000 Demonstrant_innen in Pula1 . Mit ihrer Demonstration unterstützten sie die beiden Opfer und wandten sich gegen die Zunahme der Neonazigewalt in Kroatien2 .

Erste Organisationsbemühungen

Die Organisationsstruktur der Neonazi-Skinheads in einzelnen Gruppen oder als Angehörige von Hooligan-Gruppen änderte sich im Oktober 2004 mit der Gründung  von »Blood & Honour« Kroatien. Da es schon eine »Blood & Honour« Sektion Serbien gab und einige kroatische Neonazis nichts mit den Serben zu tun haben wollten, wurde der Beitritt kontrovers aufgenommen. Die kroatische »Blood & Honour« Division nannte sich »Assoziation der nationalistischen und patriotischen kroatischen Jugend«. Ihr Ziel war es, »nationales Bewusstsein und rassischen Stolz hervorzurufen« sowie »kroatische Kultur und historisches Erbe zu fördern«. »Blood & Honour« Kroatien bestand aus vier Divisionen: Crusaders from Rijeka, Division Pula, Division Zagreb und der Division Osijek. Neben der Herausgabe diverser Fanszines organisierten sie regelmäßig Neonazikonzerte. Heute gibt es »Blood & Honour« Kroatien nicht mehr. Die Übergriffe gehen jedoch weiter.

Im März 2008 schlugen Neonazi-Skinheads eine Gruppe Jugendlicher in Zabok  zusammen, am 30. Mai 2008 verletzte ein Neonazi einen Jungen mit einem Messer, im Januar 2009 wurden drei Neonazi-Skinheads verhaftet, die einen Roma-Jungen zusammengeschlagen hatten. Am 10. Februar 2009 schlugen Neonazis einen 16-jährigen zusammen, weil er wie ein Hip-Hopper gekleidet war und im Januar 2010 griffen Neonazis einen schwarzen Fußballspieler des Clubs »Slaven Belupo« an. Dies sind nur einige der erfassten Angriffe der letzten Jahre. Bis zur Gründung von »Blood & Honour« Kroatien gab es nur die Neonaziband »H8«, die ›Hatecore‹ spielte. Danach entstand die Einmannband »Cro28Band« Die erste ›wirkliche‹ kroatische RAC (Rock against Communism) Band hieß »Strong Survive«.

In den Jahren 2008/2009 gründeten sich die »Kroatischen Nationalisten«. Auf ihrer Internetseite empfehlen sie nationalsozialistische Lektüre, u.a. die von Hitler und Paveliç, dem kroatischen Ustaschaführer. Sie ziehen junge Neonazis, extrem rechte Hooligans oder die noch aktiven Mitglieder von »Blood & Honour« an. Zudem unterhalten sie Verbindungen zu der extrem rechten »Kroatischen Reinen Staatsrechtpartei« (HâSP)3 . Obwohl die HâSP offensichtliche Verbindungen zu den »Kroatischen Nationalisten« vermied, organisierten sie im Jahr 2009 gemeinsam eine Demonstration gegen den Zagreb Pride (Christopher Street Day) sowie im Februar 2010 ein »Rock against Communism«- Konzert in KriÏevci. Trotz großer Geheimhaltung fanden Antifaschist_innen aus Zagreb den Ort des Konzerts heraus und gaben ihn an die Medien weiter. So gelangte die Information auch zur Polizei, die bei dem Konzert 34 Neonazis verhaftete.

Unter ihnen befanden sich Mitglieder der deutschen Rechtsrock Band »Blue Max« (Schwarzach) und die bereits erwähnten, wegen schwerer Körperverletzung und versuchtem Totschlag verurteilten Neonazi-Schlägern Tromboni und Basariç. Im Anschluss sagte Basariç in der Zeitung »Glas Slavonije«: »Wir wissen, dass der Nationalsozialismus überholt ist (…) Allerdings sollten einige Ideen wie z.B. die nationale Identität erhalten bleiben. In unserem Land Kroatien, sollten Minderheiten nicht mehr Rechte haben als die Mehrheit der Bevölkerung. Das trifft z.B. auf die Serben als größte Minderheit zu.«4 Nach der Auflösung des Konzerts durch die Polizei waren die »Kroatischen Nationalisten« gezwungen, ihr Internetforum und ihre Webseite zu schließen. In diesem Jahr wurde die homophobe Demonstration gegen die Zagreb Pride von der »Jugend der Kroatischen Reinen Staatsrechtpartei« organisiert. An ihr nahmen auch Mitglieder der »Kroatischen Nationalisten« teil.
 

  • 1Pula hat offiziell 58594 Einwohner
  • 2Ein weiterer Überfall ereignete sich am 8. Januar 2004 in der Stadt Dubrovnik, als ein Neonazi seinen Nachbarn zu Tode trat. Der Vorfall wurde kaum in der Presse thematisiert.
  • 3Hrvatska ãista stranka prava (HâSP)
  • 4www.glas-slavonije.hr/vijest.asp?rub=1&ID_VIJESTI=122276