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Neonazi am Zapfhahn – Dorfkneipe in rechter Hand

Einleitung

In Schleswig-Holstein hat ein langjährig aktiver Neonazi eine Gaststätte gepachtet. Während der örtliche Bürgermeister die Bedeutung des Projektes noch herunterspielt, treffen sich rechte Parteianhänger und Naziskins in der Kneipe. Neben »normalem« Kneipenbetrieb werden dem geneigten Publikum auch immer wieder Liederabende und Vorträge geboten. Rechtsterrorist Manfred Roeder referierte über seine »Abrechnung mit der BRD«; unter den bis jetzt aufgetretenen rechten Liedermachern war auch der bundesweit bekannte NPDler Jörg Hähnel.

Heilshoop liegt wenige Kilometer von der Hansestadt Lübeck entfernt. Mit seinen knapp 600 Einwohnern zählt es eher zu den verschlafenen Dörfern Norddeutschlands. Doch genau dieser Umstand dürfte Heilshoop einen neuen Einwohner be­schert haben: Dieter Kern ist seit Anfang März neuer Pächter der Dorfgaststätte »Landhaus Heilshoop«. Inmitten der ruhigen und zurückhaltenden Dorfgemeinschaft entwickelt sich seine Kneipe zum Austragungsort eines regelrechten Veranstaltungsmarathons. Die relativ bescheidene Größe der beiden Kneipenräume dürfte die Teilnehmerzahl auf maximal 100 Personen begrenzen. Meist besuchten allerdings nur rund 20 Besucher die Gaststätte. Neben mangelndem Interesse könnte auch Kerns Angst vor Beschwerden wegen Ruhestörung ursächlich sein.

Anders als zum Beispiel bei der Neonazikneipe »Club 88« in Neumünster ist die Einrichtung von Schankraum und Inventar bereits von den Vorbesitzern erledigt worden, der praktische sowie finanzielle Aufwand dürfte daher für den neuen Pächter geringer ausgefallen sein. Der sofortigen Aufnahme des Veranstaltungs- und Kneipenbetriebs stand also nichts mehr im Wege. Während das erste wahrnehmbare Event noch der Hitler-Geburtstag am 20. April war, der mit »Bündnis Rechts«-Anhängern und einigen Skinheads aus der Umgebung begangen wurde, stand schon bald eine Veranstaltung größeren Kalibers an. Der verurteilte Rechtsterrorist Peter Naumann wurde im bündniseigenen Veranstaltungskalender für den 9. Mai angekündigt. Mit in Naumanns Gepäck: Sein hetzerisches Re­fe­rat über »Bomben aus zweiter Hand«, in welchem über angebliche »Lockspitzel des Verfassungsschutzes« schwa­droniert wird.

Manfred Roeder und andere Zwischenfälle

Die ersten rechten Übergriffe im Dorf lassen nicht lange auf sich warten. Als ein geplanter Vortrag in Heilshoop von Manfred Roeder, greiser Rechtsterrorist und Ikone der Neonaziszene, bekannt wird, verteilen junge engagierte Antifaschisten zahlreiche Flugblätter im Dorf. Wäh­rend sie mit den Flyern für eine Gegen­kundgebung zum Roeder-Auftritt werben, bedroht Kneipenpächter Dieter Kern sie lautstark aus seinem Lokal heraus. Kurz darauf fahren mit Neonaziskinheads besetzte Autos durch das Dorf und versuchen die Verteiler zu attackieren.

Zu Roeders Vortrag »Meine Abrechnung mit der BRD« am 12. Juni erscheinen fast 50 Nazis im Landhaus. Unter ihnen sind Bündnis-Rechts-Mitglieder und rechte Skinheads, in die Jahre gekommene Rechte und gewaltbereite NPD-Kader aus der Landeshauptstadt Kiel. Ihnen gegenüber stehen etwa 140 Antifaschisten, die vor Polizeiabsperrungen gegen die Veranstaltung demonstrieren.

Der Bürgermeister meldet sich zu Wort…

Die Antifaschisten bleiben jedoch fast ausnahmslos unter sich, die Dorfbevölkerung selbst verhält sich überwiegend passiv und bleibt teilweise aus Angst vor Ausschreitungen zu Hause. Erfreulich ist, dass zumindest die örtliche Feuerwehr ihren Stammtisch unter dem neuen Pächter aufgekündigt hat. Der Bürgermeister schürt mit seinen Aussagen die Verunsicherung in der Gemeinde, so behauptete er beispielsweise, eine Gegendemo würde nur mehr Aufmerksamkeit erregen, als der Kneipe von Kern beizumessen sei.

…und verkennt die Lage

Ein einziger Blick auf die Liste der bisherigen Auftritte und Veranstaltungen im Landhaus genügt, um die Einschätzung des Bürgermeisters zu widerlegen. Neben den »Highlights« Naumann und Roeder traten wochenends zahlreiche Liedermacher in dem Lokal auf. Wöchentlich findet darüber hinaus der »Bündnis Rechts«-Stammtisch statt. Die Integration von Kerns Kneipenprojekt in die Norddeutsche Neonaziszene lässt sich sehr anschaulich anhand eines geplanten »Neonazi-Erlebnistages« am 17. Juli darlegen. Während das Redaktionsteam der neuen rechten Skinheadpublikation »Nordstolz« um Dirk-Oliver B. tagsüber zum »Skinhead-Fußball-Turnier« in Lübeck einlädt, hat Dieter Kern bereits ein Angebot für den Abend vorbereitet. Ab 18.00 Uhr sollte der Rostocker Neonazibarde Andre Lüders seine Sangeskünste zum Besten geben. Während das Turnier in der Hansestadt mit etwa 150 Teilnehmern in vollem Gange war, riefen die Veranstalter zum späteren Besuch des Liederabends in Heilshoop auf. Die kurzfristige Absage Lüders verhinderte jedoch sehr zum Leidwesen der rechten Besucher letztendlich die »kulturelle« Abrundung des Tages.

Landhaus goes RechtsRock

Zusätzlich zu den vielen Liedermachern organisierte Kern jetzt auch noch den Auftritt von Musikern des Rechtsrock-Spektrums. Am 11. September spielten die Gruppen »Kampfhandlung«, »Words of Anger« sowie »Einherjer«. Schon während einer antifaschistischen Gegendemo vorm Landhaus an diesem Tag provozierten die ersten Neonazibesucher, ausgestattet mit Thor Steinar-Jacken und Irokesenschnitt. Mit diesem Konzert der härteren Gangart und seinen entsprechenden Besuchern dürfte der Brückenschlag zwischen radikalem rechten Skinheadmilieu und dem rechten Altherren-Club des Bündnis Rechts vorangetrieben werden.

Dieses weitere Zusammenrücken der verschiedenen Flügel wird die rechte Szene in Schleswig-Holstein freuen. Die nach einem Führungswechsel im schleswig-holsteinischen NPD-Landesvorstand gerade wieder geknüpften Kontakte zwischen NPD und BR dürften durch solche integrativen Veranstaltungen weiteren Schwung bekommen. Gerade da Neonazikader wie Jürgen G. oder Peter Borchert, die stets gegen Kern wetterten, von der Bildfläche verschwunden sind, scheint der BR-Vorsitzende nun wieder Morgenluft zu wittern.

Wenn es Kern gelingen sollte, seine Veranstaltungsreihe fortzusetzen und die Publikumszahlen zu steigern, dürften sein Ansehen und seine Position innerhalb der NS-Szene wachsen. Und nebenbei erhöht Kern so natürlich ganz uneigennützig die Zahl potenzieller Kunden, die vielleicht sogar wochentags einmal auf ein Bier herein schauen oder sich für BR-Treffen interessieren.