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Mord in Saarlouis – Späte Aufklärung durch Verweigerungshaltung?

Rechtsanwalt Alexander Hoffmann (Gastbeitrag)
Einleitung

Der am 16.November 2022 vor dem Oberlandesgericht Koblenz begonnene Prozess wegen der Brandstiftung an einer Geflüchtetenunterkunft, durch die Samuel Yeboah 1991 ums Leben kam, nimmt Fahrt auf. Der Generalbundesanwalt hatte 2019 die Ermittlungen wieder aufgenommen, nachdem eine Zeugin angegeben hatte, der nun angeklagte Peter Schröder (ehemals Schlappal), damals aktives Mitglied der Saarlouiser Neonazi- und Skinheadszene, habe ihr gegenüber seine Täterschaft gestanden.

Der Neonazi Peter Schlappal (links neben dem Transparent) als Ordner einer Neonazi-Versammlung.

Der Neonazi Peter Schlappal (links neben dem Transparent) als Ordner einer Neonazi-Versammlung.

Die daraufhin eingeleiteten Ermittlungen wurden tatsächlich sehr gründlich geführt und förderten etliche Indizien zu Tage, die für die Täterschaft des Angeklagten sprechen. So wurde bereits 1991 festgestellt, dass der Angeklagte mit Neonazifreunden in der Nähe der Geflüchtetenunterkunft in der Tatnacht einen längeren Kneipenabend gemacht hatte, und vermutlich zur Tatzeit auf dem Weg nach Hause war. Es war damals auch ermittelt worden, dass in dieser Nacht eine geringe aber für den Anschlag ausreichende Menge Benzin bei einer Tankstelle in einen normalerweise nicht für Tankzwecke geeigneten Gegenstand getankt worden war. Am Morgen nach dem Brand sammelten sich Schröder und „Kameraden“ in der Nähe des Brandes „um zu schauen“. Außerdem hatten zahlreiche Mitglieder der Saarlouiser-Neonaziszene immer wieder Schröder mit dem Brandanschlag in Verbindung gebracht.

Das Gericht hatte nach Prozessbeginn zunächst die Beweisaufnahme zum Brand selbst gemacht, Brandsachverständige, Polizeibeamte, Feuerwehrleute und Überlebende des Brandes vernommen. Dabei bestätigten Sachverständige, dass eine Menge von 0,8 bis 2,5 Liter Benzin für den Brand ausgereicht hätten. Der Kraftstoff war auf die unteren Stufen einer durch das ganze Haus gehenden Holztreppe geschüttet worden. Der hierdurch entstandene Kamineffekt hatte den Brand enorm beschleunigt und Gebäudeteile in Brand gesetzt.

Die Befragung der damals aktiven Polizeibeamten versetzte das Gericht und die Nebenklage teilweise in misstrauisches Staunen: die Ermittlungen waren seinerzeit nach wenigen Monaten eingestellt worden. Die Polizeibeamten erinnerten sich zwar an den Brand, ihre Angaben zu weiteren rassistischen Anschlägen in Saarlouis und dem Saarland, zur lokalen Neonaziszene und zu entsprechenden Ermittlungen waren offen­sichtlich von einer Verweigerungshaltung geprägt. Von anderen Anschlägen hätten sie nie etwas gehört. Eine Neonaziszene habe es eigentlich nicht gegeben. Es habe schlichtweg keine Ermittlungsansätze gegeben.

Erstaunlich auch, wie sich Zeugenaussagen in der Niederschrift der ermittelnden Polizeibeamten veränderten. Eine Zeugin gab an, sie habe eine Person vom Haus zu einem Auto weglaufen gesehen. Diese Person sei schwarz gekleidet gewesen und habe auch eine schwarze Kopfbedeckung aufgehabt. Auf Vorhalt des Gerichts, in der Niederschrift ihrer Aussage sei von einem „Neger“ die Rede, gab sie an, sie hätte nur von schwarzer Kleidung gesprochen und hätte auch damals sicherlich kein solch diskriminierendes Wort benutzt.

Es wurde schnell deutlich, dass die damaligen Polizeibeamten heute versuchen, ihre Herangehensweise durch Erinnerungslücken zu vertuschen. Diesen Eindruck bestätigen auch die Aussagen der beiden LKA-Ermittler, die die Ermittlungen ab 2019 leiteten und ihre Verwunderung über das Aussageverhalten der (teilweise inzwischen pensionierten) Kollegen zum Ausdruck brachten.

Die Verteidigung dagegen startete mit Aussagen und Erklärungen in den Prozess. Die Verteidiger verwiesen zunächst auf die vermeintlich geringe Beweiskraft der Zeugenaussage, die zur Wiederaufnahme der Ermittlungen geführt hatte. Der Angeklagte sei ansonsten seit vielen Jahren kein Neonazi mehr, was allerdings durch Inaugenscheinnahme von Inhalten des Mobiltelefons des Angeklagten aus 2019 schnellt widerlegt wurde. Der Angeklagte ließ sich bruchstückhaft ein. Er bestritt die Tat, räumte aber ein, es habe die von der Zeugin beschriebene Grillfeier gegeben. Er sei an diesem Abend auch von Mitgliedern der Neonaziszene auf den Brandanschlag angesprochen worden, der ihm oder zwei seiner damals besten Kameraden zugeschrieben wurde. Er habe aber kein Geständnis gemacht. Diese Aussage wurde allerdings inzwischen in Teilen von Teilnehmern der Grillparty widerlegt.
Inzwischen wurde die Hauptbelastungs­zeugin vernommen. Ihre Aussage wurde in der Befragung allerdings nicht schwächer, sondern im Gegenteil glaubhafter. Sie schilderte, dass sie als Nichte eines damals relativ bekannten Neonazis und als Freundin eines Neonazis regelmäßig mit Szenemitgliedern zu tun hatte, obwohl sie deren Ideologie ablehnte und versuchte, diese von sich und ihrem Privatleben wegzuhalten. Es wurde deutlich, wie schwer es für sie war, diesen Spagat zu leben und wie stark ihr innerer Zwiespalt war, als sie nach der Grillparty realisierte, was ihr der jetzt Angeklagte da gestanden hatte. Aus diesem Grunde verdrängte sie das Geständnis auch zunächst für einige Jahre, bis sie einen Internetbericht über nicht gelöste Kriminalfälle sah, in dem es auch um den Brandanschlag aus 1991 ging und in dem  geschildert wurde, dass durch den Brand auch Samuel Yeboah ermordet wurde. Dies sei der endgültige Auslöser gewesen, eine Strafanzeige zu stellen. Irgendein Motiv für eine Falschaussage wurde auch von der Verteidigung nicht vorgetragen. Von der ausgesetzten Belohnung habe sie, so die glaubhafte Angabe, erst später erfahren. Dieses Geld solle zudem an die Überlebenden des Brandanschlages gehen.

Die weitere Beweisaufnahme in den nächsten Wochen wird sich vornehmlich um die damalige Neonaziszene drehen und um deren Versuche, nach 2019 die Ermittlungen zu beeinflussen.
Eine weitere Begleitung des Prozesses durch Antifaschist_innen wäre wünschens­wert.