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Moderne Nazis: Die neuen Rechten und der Aufstieg der NPD

Die mediale Präsenz der NPD und die verfügbare Literatur über die Partei stehen in einem deutlichen Missverhältnis. Denn während man seit Monaten beinahe täglich über die Partei in der Presse lesen kann, sind neuere Publikationen über die älteste extrem rechte Partei rar. Die letzte verfügbare wissenschaftliche Studie datiert auf das Jahr 1999. Rund um das gescheiterte Verbotsverfahren erschienen einige Bücher, deren Halbwertzeit bereits verfallen ist. Nun hat der Journalist Toralf Staud ein Portrait der NPD vorgelegt. Stauds Buch ist für ein breites Publikum geschrieben. Spannung bezieht der Band aus einer Mischung zwischen reportagehaften Momentaufnahmen und inhaltlichen Vertiefungen. Nach einer Einleitung, welche die politische Strategie der Partei flüssig skizziert, steht ein Portrait des NPD Vorsitzenden Udo Voigt. Gewiss, kundige LeserInnen fragen sich nach dem Sinn solcher Personalisierungen. Dennoch vermittelt das Portrait Voigts einen farbigen Eindruck von der Lebenswelt, in welcher sich extrem rechte Akteure bewegen. Was dann folgt, ist ein knapp dreißigseitiger Gewaltritt durch die Geschichte der Partei seit ihrer Gründung im Jahr 1964. Eine Rückschau auf das NPD-Verbotsverfahren genügt der Chronistenpflicht, liest sich jedoch im Jahr 2005 etwas abgestanden. Das inhaltliche Herzstück des Buches ist das Kapitel über das NPD-Programm. Hier hat der Autor echte Kernerarbeit geleistet, um die Leserin mit den Klippen rechtsextremer Ideologie im Allgemeinen und der der NPD im Besonderen vertraut zu machen. Das gelingt auch in soweit, als dass Staud den programmatischen Transformationsprozess der Partei in den 1990er Jahren gut auf den Punkt bringt. Schwach wird der Text, wo es um die Rolle der Nationalrevolutionäre in der extremen Rechten in den 1970er Jahren geht. Staud beschreibt emphatisch seinen Besuch bei Henning Eichberg, den er als freundlichen, ergrauten Herren zeichnet, der Distanz zu seinen früheren ideologischen Positionen bekundet. Hier folgt Staud allzu bereit der Interpretation Eichbergs, ohne ausreichend zu reflektieren, dass dessen Grundpositionen immer noch zur ideologischen Familie der extremen Rechten zählen. Dem Programmkapitel schließen sich eine Reportage über die NPD-Landtagsfraktion in Dresden und eine über die NPD-Kommunalpolitik in Hessen an. Diese flott geschriebenen Stücke liefern Begründungen, warum die NPD in Sachsen so erfolgreich an ihrer regionalen Verankerung arbeitet. Eine mentalitäts- und sozialgeschichtliche Vertiefung dieser Gründe wäre zwar wünschenswert gewesen, passt jedoch nicht in einen Publikumsband. Im Kapitel über die NPD und die rechtsextreme Jugendkultur beschreibt Staud sachkundig und wohltuend unaufgeregt die neuere Entwicklung der Entgrenzung rechtsextremer, jugendkultureller Genres. Der Band ist für ein Buch seiner Preisklasse mit einem Literaturverzeichnis, einem Personenregister und dem Anmerkungsapparat gut ediert. Staud hat kein Buch für ExpertInnen geschrieben, wohl aber eines, dessen Lektüre man manchem Lokalpolitiker ans Herz legen möchte.

Staud, Toralf
Moderne Nazis: Die neuen Rechten und der Aufstieg der NPD.
Kiepenheuer&Witsch; Köln 2005