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Mit den Freiheitlichen auf die Bude

Bella Flott
Einleitung

In Österreich haben die deutschnationalen Burschenschaften eine Scharnierfunktion zwischen FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs) und der restlichen extremen Rechten inne. Annähernd 1000 Burschen und Alte Herren folgten im Juni diesen Jahres dem Ruf aus Österreichs Herrgottswinkel und reisten zum burschenschaftlichen Festkommers unter dem Motto »200 Jahre Tiroler Freiheitskampf« nach Innsbruck. 

Martin Graf (FPÖ, Olympia Wien) hielt die Festrede beim Kommers

Die konservativen Honoratioren des Landes hielten sich diesmal überwiegend auf Distanz, während bei den letzten runden Jubiläen noch ein enges Naheverhältnis gepflegt wurde. Bereits 1984, 1994 und 2000 mobilisierten Burschenschaften zum Gedenken an den »Tiroler Freiheitskampf« gegen die napoleonischen Heere und die Ideale der Aufklärung. Vor 200 Jahren ging die letzte Schlacht der Fraktion des »Bauernführer« Andreas Hofer gegen die mit Frankreich verbündeten bayrischen Truppen am Bergisel verloren. Dem Land Tirol dient die Gedenktradition an den Widerstand gegen die »Welsche Niedertracht« seit Ende des 19. Jahrhunderts als Identifikationsfläche.

Dabei ergeben sich durchaus Widersprüche zwischen der Lesart des offiziellen Tirol-Patriotismus österreichisch-katholischer Provinenz und dem erklärten Deutschnationalismus der völkischen Korporationen. Als einende Klammer beziehen sich sowohl PolitikerInnen der ÖVP (Österreichische Volkspartei) als auch VertreterInnen des »dritten Lagers« – sprich der Deutschnationalen in und um die FPÖ – positiv auf den Südtirolterrorismus der 1950er bis 1980er Jahre. Um nach dem verlorengegangenem 1. Weltkrieg mit dem »Unrechtsdekret« von St. Germain aufzuräumen, das die Region Bolzano-Alto Adige/Südtirol Italien zuschlug, formierte sich in Tirol der volkstumsbezogene Kampf um ein vereinigtes, »deutsches« Tirol.

Anfang der 1960er Jahre fanatisierte sich der »Befreiungskampf« unter der Ägide österreichischer Burschenschafter. Wurden vom »Befreiungsausschuss Südtirol« (BAS) vornehmlich Sachgegenstände ins Visier genommen, richtete sich die Gewalt nun gezielt gegen Menschen. Der Kampf ums »bedrohte Grenzlanddeutschtum« forderte 21 Todesopfer. Maßgeblich beteiligt: die Burschenschaften Brixia Innsbruck und Olympia Wien. Für die Olympen sollte ihr Engagement im Südtirolterrorismus unangenehme Folgen haben. Die verdächtigten Bundesbrüder wurden zwar nicht an Italien ausgeliefert, es erfolgte jedoch, als eine der spärlichen Reaktionen österreichischerseits, 1961 die behördliche Auflösung der Burschenschaft. Bereits zwölf Jahre später konnte die Olympia allerdings wieder rekonstituiert werden. Die Brixen blieben in Österreich unbehelligt.

Als in den 1980ern die dritte Anschlagsserie begann, vermutete die Bozener Staatsanwaltschaft hinter diesen Attentaten ebenfalls die Brixia Innsbruck. In Tirol werden die Akteure des Südtirolterrorismus auch abseits des »dritten Lagers« zu »Südtirolaktivisten« verklärt oder als »Südtirolbumser« verharmlost. Trotz der Todesopfer ist der Südtirolterrorismus nach wie vor Bestandteil des offiziellen Tiroler Gedenkens. Andreas Kohl, ehemaliger 1. Nationalratspräsident der ÖVP, sieht, als Organisator des Tiroler Gedenkfestzuges im September, das Jubiläumsjahr als »große Chance, die Einheit Tirols im Kopf zu verankern«. Bereits zur Jahreswende 2009 hatte die Landesregierung das (Gedenk-) Feld abgesteckt, in ganzseitigen Inseraten hieß es: »Die Selbstbehauptung unseres Landes werden wir mit Stolz feiern.«

Deutschnationaler Lebensbund

Den diesjährigen Kommers richtete die Brixia gemeinschaftlich mit der Burschenschaft Suevia, den Corps Athesia und Gothia, der Sängerschaft Skalden, der Landsmannschaft Tirol und der akademischen Turnverbindung aus. Die Brixen und Sueven gehören zum rechten Flügel, des an sich schon dezidiert rechten Dachverbands Deutsche Burschenschaft (DB), mit ca. 15.000 Mitgliedern, die größte deutschnationale Vereinigung in Österreich und Deutschland. Als sich 1996 die Olympia aus Wien anschickte, erneut den (rotierenden) Vorsitz der DB zu übernehmen, traten gemäßigte deutsche Verbindungen aus dem Verband aus. Auf der anderen Seite trat die Sängerschaft Skalden, deren prominentestes Mitglied Ewald Stadler, »Haiders Dobermann« und gescheiterter EU-Spitzenkandidat des BZÖ (Bündnis Zukunft Österreich) ist, 1992 aus der Deutsche(n) Sängerschaft (DS) aus, weil dieser Dachverband es erlaube, dass »auch ein Chinese, falls er sich zur Pflege deutschen Kulturgutes verpflichtet«, in eine DS-Verbindung aufgenommen werden könne.

Wer dem Lebensbund Burschenschaft beitritt, kann sich, nach einer Phase der Demütigungen und Erniedrigungen, auf seine Bundesbrüder verlassen. Einer Karriere in den deutschnationalen Parteien stehen auch offensichtliche Verbindungen ins neonazistische Lager nicht im Wege. Vor allem die Parteivorfeldorganisation fürs studentische Leben, der Ring Freiheitlicher Studenten (RFS), ist Kontaktanbahnungsstelle für den extrem rechten Nachwuchs.

Der aktuelle Bundesvorstand des RFS setzt sich ausschließlich aus Korporierten zusammen, eine Häufung von neonazistischen und revisionistischen Aktivitäten ist aber auch für die einzelnen Bundesländer dokumentiert. Namentlich tut sich hier die zweite Jugendorganisation der FPÖ, der Ring Freiheitlicher Jugend (RFJ), hervor, in Kooperation mit dem umtriebigen neonazistischen Bund freier Jugend (BfJ) wird für die Abschaffung des NS-Verbotsgesetzes gefochten. Im Oktober 2005 schrieb der deutsche Neonazi Phillip Hasselbach im Internet-Forum des neonazistischen Wikingerversands, dass sich »in der FPÖ […] nicht wenige Nationalsozialisten [tummeln]« würden. Hasselbach, der von sich behauptet, über Kontakte zu jungfreiheitlichen Kadern zu verfügen, wies insbesondere auf den RFJ hin: »In der FPÖ-Jugend, dem Ring Freiheitlicher Jugend (RFJ), sind sogar führende Funktionäre im Bundesvorstand intern als Nationalsozialisten bekannt, die auch in den entsprechenden Kreisen verkehren.« Da ist es für die Jungrecken sicher beruhigend, dass unter der ersten schwarz-blauen Koalition 2001 die Einstellung des »Jahreslagebericht Rechtsextremismus« des Innenministeriums erwirkt werden konnte. Auch im jährlichen Verfassungsschutzbericht scheinen Burschenschaften nicht mehr auf.

Deutscheste Prominenz

Dieses Jahr hielt der 3. Nationalratspräsident, Martin Graf (FPÖ, Olympia Wien), die Festrede am Kommers. Graf ist der Wiedergänger der Deutschnationalen in Österreich. Immer wenn es um die großen Fragen der extremen Rechten geht, springt er für seine Kameraden in die Bresche. Zuletzt vor wenigen Wochen, als er das Herzblutanliegen des österreichischen Nationalismus, die »Südtirolfrage«, erneut aufs Tableau brachte. »Südtirol ist ein Teil gesamt Tirols«; das derzeit eben italienisches Territorium sei. Das »Selbstbestimmungsrecht der Völker« müsse deshalb in einer Volksabstimmung Ausdruck erhalten. Dass sich die Südtiroler Bevölkerung in einer solchen, wohl eher für eine vollständige Autonomie von Italien, denn für eine Zugehörigkeit zu Österreich entscheiden würden, ficht Graf nicht an. Ihm geht es um die permanente Lancierung deutschnationaler Themen. In eines der höchsten Repräsentativämter der Republik gewählt, kommt ihm ein Maximum an gesellschaftlicher Aufmerksamkeit zu. Die VertreterInnen der bürgerlichen Parteien reagieren genauso hilf- wie lustlos auf Grafs inhaltliche und praktische Positionierung im rechtsextremen Umfeld und bisher wurde bloß konstatiert, dass das »Anstreifen am rechten Rand« und »braune Rülpser« nicht toleriert werden würden. Zuletzt konnten sich die Abgeordneten nicht dazu durchringen, die parlamentarische Geschäftsordnung dahingehend zu ändern, dass Graf abwählbar geworden wäre.

Autonome Antifa Innsbruck
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