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Milde Urteile für bewaffnetes „Reichsbürger“-Quartett

Rick de la Fuerte
Einleitung

Im Januar 2022 begann vor dem Landgericht Mannheim der Strafprozess gegen vier Angeklagte, die dem „Reichsbürger“-Milieu zugerechnet werden können. Laut Anklageschrift soll das Quartett, welches sich vor Jahren im Rhein-Neckar-Raum gebildet hatte, u.a. Verstöße gegen diverse Waffen- und Sprengstoffgesetze begangen haben. Als Rädelsführer der Gruppe galt Karl Burghard Bangert, auch bekannt als Druide „Burgos von Buchonia“, der seit über einem Jahrzehnt durch volksverhetzende und rassistische Äußerungen im Internet auf sich aufmerksam macht.

Foto: Rick de la Fuerte

Karl Burghard Bangert alias Druide „Burgos von Buchonia“ mit Szeneanwalt Thomas Penneke vor Gericht.

Gescheitertes Terrorverfahren

Karl Burghard Bangert wohnte zeitweise im Raum Schwetzingen/Brühl, wo er Anfang 2012 aus einem keltischen Steinkreisverein wegen religionsfeindlicher Äußerungen ausgeschlossen wurde. Er beteiligte sich an verschiedenen politischen Veranstaltungen der (extrem) rechten Szene. Gegen den „Druiden“ hatte die Bundesanwaltschaft bereits 2017 wegen Terrorverdachts ermittelt.1 Sie hatte ihre Ermittlungen gegen ihn und fünf weitere mutmaßliche Komplizen wegen Bildung einer rechtsterroristischen Vereinigung seinerzeit nicht weiterverfolgt, weil sich der Verdacht nicht hatte erhärten lassen.2 Sie gab das Verfahren an die Karlsruher Staatsanwaltschaft ab.

Waffen für den „Tag X“ ?

Neben Bangert standen Thiemo B., Klaus D. und Frank E. vor Gericht. Die vier Beschuldigten sollen sich wegen eines aus ihrer Sicht drohenden Zusammenbruchs der staatlichen Ordnung mit einem umfangreichen Waffenarsenal ausgestattet haben – angeblich zum „Selbstschutz“, wie die Beklagten in Vernehmungen ausgesagt haben sollen.

Die Polizei fand bei Hausdurchsuchungen im Jahr 2017 bei dem Quartett tausende Patronen, selbst gebaute Waffen, einen geladenen Schießkugelschreiber, einen selbst gebauten Flammenwerfer und über ein Kilogramm Schwarzpulver. Der Gruppe wurde auch angelastet, nicht genehmigte Munitionsarten erworben zu haben, um damit illegalen Munitionshandel zu betreiben. Dieses Ansinnen wurde dem Quartett schließlich zum Verhängnis. Verdeckt ermittelnde Fahnder von LKA-Behörden hatten sich zum Schein als Käufer interessiert gezeigt. Es folgten Festnahmen, Hausdurch­suchungen und Vernehmungen.

Hetze & Drohungen

Der 71-jährige Bangert war neben den Waffen-Delikten zusätzlich mit dem Vorwurf der Volksverhetzung angeklagt worden.

Laut Staatsanwaltschaft soll er auf der russischen facebook-Kopie „VK.com“  den Holocaust geleugnet, zum Mord an Juden aufgerufen und gegen Flüchtlinge gehetzt haben. Mit seinen Äußerungen habe er den Nationalsozialismus verherrlicht und Verbrechen der NSDAP an Juden geleugnet. Im Juni 2019 hatte der „Druide“ Medien­berichten zufolge im Internet den neonazistischen Mord am hessischen Regierungspräsidenten Dr. Walter Lübcke begrüßt. Ein LKA-Zeuge hatte dem Gericht über Bangert rassistisches, antisemitisches, antimuslimisches Gebahren, offline wie online, berichtet - mit eindeutiger Zugehörigkeit zur „Reichsbürger“-Szene. Darüber hinaus sah er auch eine deutliche Gewaltaffinität. Diese sei geprägt durch Hass auf Juden und Migranten, alle staatlichen Institutionen, die Presse usw.

Für Szene-Kenner_innen ist dies keine Überraschung. Das Antifaschistische Infoblatt (AIB) berichtete 2017 zu ihm: „Er beteiligte sich an verschiedenen rechtsextremen und (rechts)populistischen Veranstaltungen, wie PEGIDA Frankfurt und den Querfrontprotesten gegen das Treffen der Bilderberg-Gruppe im Juni 2016 in Dresden. Dort verbreitete er nicht nur in Reden antisemitische Weltverschwörungsmythen, sondern stellte auch Material der antisemitischen, revisionistischen und reichsideologischen Gruppe „Europäische Aktion“ an seinem Stand zur Verfügung.
Im Jahr 2015 war Bangert bei einem Gerichtsprozess gegen die Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck zugegen, die das verbotene revisionistische „Collegium ­Humanum“ leitete und dort mit dem Antisemiten, Holocaustleugner und „Reichsbürger“ Horst Mahler zusammenarbeitete
.“

Auf einem Flyer der Gruppe „DIE WEISSEN“ war Burghard Bangert als „2. Landesvorsitzender Baden Württemberg“ der „Deutschen Nationalversammlung“ (DNV) veröffentlicht worden. Wer vor Gericht auf konkretere Erkenntnisse zu seiner Einbindung in politische Strukturen hoffte blieb enttäuscht.

Deals statt Aufklärung ?

In einer nicht-öffentlichen Verhandlungsphase tauschten sich Gericht, Staatsanwaltschaft und die insgesamt fünf Strafverteidiger darüber aus, inwieweit sich die Angeklagten zu den Tatvorwürfen vor Gericht einlassen würden. Anschließend wurde bekannt, dass sich wohl einige der Angeklagten (schriftlich) zu den Anklagepunkten äußern wollen und sich geständig zeigen werden. Bangert zählte anfangs noch nicht dazu. Dies könnte daran gelegen haben, das er u.a. von dem Rostocker „Szene-­Anwalt“ Thomas Penneke vertreten wurde.3

Seine drei Mitangeklagten bekannten sich jedoch anschließend vollumfänglich schuldig und belasteten den Hauptangeklagten Bangert in ihren schriftlich vorgelegten Aussagen. Einer der Aussagenden aus dem Trio fehlte krankheitsbedingt vor Gericht und konnte eine Anreise aus Ungarn, so sein Anwalt, nicht antreten. Alle Strafverteidiger plädierten für einen raschen Prozess, da sämtliche ihrer Mandanten krank seien und die Belastung durch den Strafprozess verkürzt werden solle.

Schließlich war auch Bangert bereit, sich „umfänglich“ geständig zu zeigen. Ob das „umfänglich“ zutrifft, erscheint fraglich. In seinem vor dem Gericht präsentierten Lebenslauf fehlte offensichtlich der Umstand, dass er jahrelang als selbstständiger Unternehmer auf Mittelaltermärkten und mit einem Onlineshop tätig war.

Einsamer Zeuge

Ein einzelner LKA-Beamter war letztendlich der einzige Zeuge, der vom Gericht zur weiteren Aufklärung geladen worden war. In seinen Einlassungen wurde erwähnt, dass Bangert den LKA-Behörden schon länger bekannt sei. Laut der Ermittlungsakte hätte sich das Quartett gemeinschaftlich diverser Straftaten schuldig gemacht. Belegt werden könnten diese durch Erkenntnisse eines verdeckten Ermittlers, durch Observationen und durch Telekommunikationsüberwachung. Dem verdeckten Ermittler soll ein Schießkugelschreiber und Munition zum Kauf angeboten worden sein. Belegt sei auch der Verkauf der angebotenen Waffen.

Des weiteren wurde dem Quartett eine grundsätzliche Zugehörigkeit zur gewaltbereiten „Reichsbürger“-Szene und das Vertreten von Antisemitismus attestiert. Bei Durchsuchungen wurden Plakate mit Adolf Hitler-Portraits, Hakenkreuz- und Reichsadlersymbolen sichergestellt. Der Beamte präsentierte dem Gericht einige der potentiell tödlichen Waffenkonstruktionen. Wühlmausschussfallen waren zu Handschusswaffen umgebaut worden. Diese haben wie der gefundene Schießkugelschreiber auf kurze Distanz eine tödliche Wirkung. Die beschlagnahmte „Slamgun“, eine Rohrkonstruktion mit Nadelzündung für Schrotmunition, ist auch auf längere Distanz potenziell tödlich.

Bekannt wurde auch, dass Bangert dazu aufgerufen haben soll, Siedlungsräume zu suchen und Gruppen zu bilden, um abgeschirmt leben zu können. Konkret im Fokus scheint ein landwirtschaftliches Gehöft im Raum Nebra (Sachsen-Anhalt) gestanden zu haben. Daraus wurde bisher nichts. Laut den Aussagen lebt der Haupt­angeklagte seit einigen Jahren dauerhaft auf einem Campingplatz im Raum Querfurt in zwei mit Verschlägen umbauten Wohnwägen.

Milde Urteile

Thiemo B., Klaus D. und Frank E. erhielten aufgrund ihrer Geständnisse und der langen Verfahrensdauer Hafstrafen zwischen drei und 18 Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wurden. Karl Burghard Bangert wurde zu einem Jahr und neun Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Für die Volksverhetzung und die Holocaustleugnung erhielt er eine Geldstrafe von 1.300 Euro. Dem Verurteilten wurde seitens des Gerichts verboten, sich jemals wieder volksverhetzend zu äußern. Während der Bewährungszeit darf Bangert keine Waffen und Munition erwerben und besitzen. Ferner wurde ihm verboten PC, Laptop, Tablet und Smartphone zu benutzen, um in sozialen Netzwerken entsprechend aktiv zu sein.

Bangert dürfte trotzdem erleichtert gewesen sein. Während in Halle ein weiteres Verfahren wegen u.a. Waffen-Delikten anhängig sein soll, schloss die Staatsanwaltschaft eine Wiederholungsgefahr aus.

  • 1Vgl. AIB Nr. 114
  • 2Vgl. AIB Nr. 116
  • 3Vgl. AIB Nr. 91