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London: Neonazi-Skinhead-Treffen endete im Disaster

Einleitung

Die Neonazi-Skinhead-Bewegung arbeitet über die Grenzen hinweg. „Blood & Honour“ („Blut und Ehre“) eine neonazistische Organisation aus dieser Szene ist zum Vorbild und Zentrum dieser Bewegung geworden. Wir haben einen Erlebnisbericht aus der englischen Antifa-Zeitung "Searchlight" übersetzt, der schildert wie AntifaschistInnen aus dem „größten internationalen Neonazikonzert“ am 27. Mai 1989 ein Disaster werden ließen.

Bild: Screenshot YouTube

Der Konzert Organisator Ian Stuart Donaldson.

Anfang dieses Jahres haben sich Ian Stuart Donaldson, Anführer des „Blood & Honour“-Netzwerkes und Chef der Neonazi-Band „Skrewdriver“1 und sein Geschäftspartner, der aus jüdischem Elternhaus stammende Neonazi-Kollaborateur Andrew Benjamin (alias Andrew St. John), in ihrem Bunker an der West-Londoner Riding House Street zusammengesetzt. Sie haben das geplant, was das größte Neonazi-Skinhead-Konzert werden sollte, das jemals von der extremen Rechten organisiert worden ist.

Sie nutzten ihre vielen Kontakte in Europa und Skandinavien genauso wie in die USA. Sie begannen ein Ereignis zu organisieren, das in ihren Worten ausgedrückt, eine Antwort sein sollte auf die "ganze Aggression der Juden und Roten", die sie aus den Läden ihres alten Treffpunkts in der Carnaby Street vertrieben hatten und sie nun in der Riding House Street belagerten. Handzettel wurden zu tausenden verteilt und in der effektiven Neonazi Klatsch- und Tratsch-Szene wurde verbreitet, daß jede Menge Neonazi-Gruppen - nicht nur aus England, sondern auch aus Frankreich und Amerika - spielen sollten. Ungefähr tausend Eintrittskarten sind für 7 Pfund 50, später sogar für 8 Pfund verkauft worden. Stuart und Benjamin ließen erklären, daß sie gleich drei Veranstaltungsorte in West-London angemietet hätten, weil sie mit Gegenaktionen rechneten.

Am Tag als "Searchlight" davon hörte, bekam sie einen Anruf von AntifaschistInnen aus den USA, die berichteten, daß dort ebenfalls die Werbetrommel für das Konzert gerührt würde. Tom Metzger (eigentlich Thomas Linton Metzger), ein führender US-Neonazi, verbreitete die Ankündigung über sein „White Aryan Resistance“ (WAR) - Weißer Arischer Widerstand - Netzwerk aus Computer Mail Box und Telefonkette. Sein Sohn John Metzger gilt als ein Anführer in der US-Neonazi-Skinhead-Bewegung.2Auf nach London“ forderten sie ihre Gefolgschaft auf, „die Juden und Roten werden durch unsere internationale Zusammenarbeit geschlagen“.

Einen Monat vor dem Neonazi-Konzert versuchte Stuart Unterstützung in Schweden zu bekommen. Doch "Searchlight" war schneller da als er und seine Reise wurde zum politischen Minenfeld. "Searchlight" merkte an den Anrufen, die er und seine Leute auf dem Anrufbeantworter hinterließen, daß er hektischer wurde. Noch drei Tage vor dem Konzert wußte die Antifa-Bewegung nicht wo der Auftritt stattfinden sollte, trotz vieler Informanten, die aus der Neonazi- Szene Informationen an die Antifa weitergeben. Spät kam der Hinweis aus dem inneren Kreis der Neonazi-Skinheads, daß der Auftrittsort eine große Schande für eine linksgerichtete Bezirksverwaltung werden sollte. Nun fragten AntifaschistInnen bei verschiedenen Bezirksämtern nach, die ihre Buchungen überprüfen sollten. Die Verwaltung von Camden - genau vor Stuarts Haustür - meldete eine Buchung, unter dem Namen „Der internationale Musikaustausch“, der zum Zweck „gute Beziehungen zu entwickeln“ die Stadthalle von 15.00 bis 22.00 Uhr gemietet hatte. Um ein bißchen Seriosität zu vermitteln, gaben sie eine Briefkastenfirma an, die eine der Tarnadressen von Benjamin ist. Als die Verwaltung von Camden überzeugt war, daß sie getäuscht worden ist, entschied sie sich prompt den Neonazis zu kündigen. Eigentlich ein einfacher Schritt, doch wie will man eine nicht existierende Firma kontaktieren die zwar eine Telefonnummer hat, bei der es klingelt, die jedoch nie antwortet? So verbreitete die Bezirksverwaltung die Meldung über den abgesagten Auftrittsort über Radio.

Nun war das Problem wieder auf Seiten der Neonazi- Skinheads. Als diese die Order, sich zwischen 17.00 und 18.00 Uhr an Speakers-Corner im Hyde Park zu versammeln, an ihre Gefolgschaft weitergaben, hatten sie nicht nur keinen Aurtrittsort mehr, sondern auch noch hunderte von AntifaschistInnen vor sich, die im Hyde Park auf sie warteten, um einige Ideen über das Wesen des Nationalsozialismus auszutauschen. Um 16.00 Uhr versuchte eine Gruppe älterer Neonazi-Skinheads mit Flaschen bewaffnet die Speakers-Corner zu übernehmen. Doch eine Gruppe AntifaschistInnen vertrieb sie, ohne große Zeremonien zu veranstalten. Innerhalb von Minuten brachen an allen Ecken in der Gegend Kämpfe aus. Keine Polizei war zu sehen. Überall haben die Neonazi-Skinheads im Staub gelegen, einschließlich ihrer Gäste aus Uppsala und Hamburg. Auf der Autobahn wurden zwei Busse angehalten und wieder nach Hause geschickt. Als am Hyde Park ein dritter Bus - voll mit "Sieg Heil' gröhlenden Neonazis - eintraf, wurde er mit allen zur Verfügung stehenden Wurfgeschossen eingedeckt. Zu diesem Zeitpunkt erschienen auch Polizisten, einige davon mit Hunden, um Kontrolle über die Situation zu bekommen. Sie nahmen 16 AntifaschistInnen fest und gingen vereinzelt gegen Neonazis vor, die den Hyde Park aus einer Unterführung heraus stürmen wollten. Woanders trugen Studenten den Kampf gegen die Neonazi in einem McDonalds-Restaurant aus. Als die Polizei eintraf, prügelten die sich noch mit einer größeren Anzahl Neonazi-Skinheads in der Nähe von Easton.

Am späten Nachmittag erhielt der Pächter der Kneipe 'Red Lion' in Northfleet, außerhalb von London in der Grafschaft Kent, einen Anruf und vermietete seine Kneipe für eine Geburtstagsfeier. Als zwei Züge mit ein paar hundert Neonazi-Skinheads eintrafen, durfte nur eine Zugbesatzung aussteigen, die andere wurde wieder zurückgeschickt. So sind dann ein paar hundert Neonazis zum Konzert gekommen3 , die anderen wurden von der Polizei ferngehalten. Ein führender Neonazi-Skinhead aus Hamburg zog die Bilanz des Tages: "Ich habe für den Flug Hin- und Zurück bezahlt und das Konzert-Ticket, ich kam zum Hyde Park und die Juden und Kommunisten haben mich verprügelt und ich kann mein Geld nicht zurück kriegen. Jetzt haben sie mich über eine Meile vom Bahnhof weggeschickt, um von euren Bullen gejagt zu werden. Nehmt Ian Stuart in die Zange."

Zurück in London zogen 1.000 AntifaschistInnen in Jubelstimmung zum Trafalgar Square. Die antifaschistische Bewegung ist jetzt in der Offensive. Wenn Benjamin sein Büro und seinen Laden verliert können wir kommende Konzerte verhindern, dann kann das Kapitel „Blood & Honour“, als eine relevante Kraft auf Londons Straßen abgehakt werden. Rechtzeitige Informationen über ihre künftigen Auftritte sind eine Vorraussetzung dafür sie bekämpfen zu können.4

  • 1Nachtrag AIB: Ende 1989 soll der amerikanische "Ku-Klux-Klan" (KKK) Anführer James Farrands nach England gereist sein, um mit Allan Ronald Beshella aus Wales, Paul Marriott ("Grand Titan") und Ron Goat (KKK-Security) einen Britischen KKK aufzubauen. Auch Ian Stuart Donaldson soll mittlerweile dem "KKK" beigetreten sein, um mit ihm eine Platte mit "traditionellen" Klan-Liedern aufzunehmen. Ronald Beshella stammt aus den USA (Kalifornien). Er floh laut Berichten aus Sicherheitskreisen nach Wales, da er wegen illegalen Waffenbesitzes auf der Fahndungsliste der USA stand.
  • 2Anmerkung AIB: Der "White Aryan Resistance" (WAR) alias "Weißer Arischer Widerstand" (WAW) wird von dem früheren "Grand Dragon" des KKK in Kalifornien Tom Metzger geführt. Die Gruppe hat ihren Sitz in Fallbrook in Kalifornien. Tom Metzgers Sohn John Metzger soll die Neonazi-Gruppen "Aryan Youth Movement" und "White Student Union" (WSU) leiten. Die Tochter Lynn Metzger steht hinter der "Aryan Women's League" (AWL).
  • 3Anmerkung AIB: Hier sollen laut Berichten aus der Szene neben "Skrewdriver" (London) die Bands "Squadron" (London), "No Remorse" (London), "Brutal Attack" (Süd-London) und "Skullhead" (Tyneside/Newcastle) aufgetreten sein. Zu "Skrewdriver" sollen neben Donaldson (Gesang) auch Steve Calladine (Gitarre), Des Clarke (Schlagzeug) und Mark French (»Frenchy«) zählen. Zu "Squadron" sollen die Musiker Jim Harwood, Jim Taylor (Gitarre), Nev (Schlagzeug) und Brad Hollanby (Bass) gehören. Hinter "No Remorse" sollen die Band-Mitglieder Paul Burnley (Gesang) und Wilf Browning stehen. "Brutal Attack" werden die Musiker Ken McLellan, Martin Cross (Bass) zugerechnet. Als Musiker der Band "Skullhead" wurden die Musiker Kevin „Kev" Turner (Gesang) und Raish Carter (Schlagzeug) bekannt.
  • 4Am 17. Juni 1989 folgte ein "Skrewdriver"-Konzert in Deutschland in Nieheim (Niedersachsen), das laut Szene-Berichten von Thorsten Krekeler („Cräcker") aus Höxter organisiert worden sein soll.