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LKA ohne Peilung

Rechtsanwalt Alexander Hoffmann
Einleitung

In dem gegen insgesamt elf Beschuldigte in Hamburg, Bad Oldesloe und Berlin geführten Verfahren wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung wurde nunmehr nicht nur gerichtlich festgestellt, dass bereits die im vergangenen Jahr durchgeführten Hausdurchsuchungen rechtswidrig waren und das Verfahren endlich mangels Tatverdacht eingestellt. Auch der gegen zwei Beschuldigte durchgeführte so genannte große Lauschangriff, mit dem ihre Wohnung monatelang abgehört wurde, hätte nicht durchgeführt werden dürfen.

Die Verfahren wurden bekannt, nachdem zwei Wochen nach dem G 8-Gipfel in Heiligendamm zunächst Durchsuchungen gegen 9 Beschuldigte in Schleswig-Holstein und Hamburg und eine Woche später gegen zwei Personen in Berlin durchgeführt wurden. Zum damaligen Zeitpunkt wurden die Verfahren unter dem Vorwurf der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung geführt. Vorgeworfen wurde der angeblichen Vereinigung, die Begehung von insgesamt vier Brandanschlägen in den Jahren 2002, 2004 und auf Fahrzeuge der Bundeswehr und eine Firma, die an Rüstungsprojekten beteiligt gewesen sei. Dabei seien die Anschläge in Glinde (2002), Bad Oldesloe und Berlin (2004) sowie erneut Bad Oldesloe (2006) begangen worden.

Vom ersten Moment an war dieser Vorwurf als abenteuerliches Konstrukt erkennbar. Die Beschuldigten kannten einander zum Teil gar nicht, zum Teil waren sie seit Jugendjahren miteinander befreundet. Politisch war allerdings ein Teil der Beschuldigten über ihre gemeinsame antifaschistische Arbeit verbunden. Hier setzte auch die Bundesanwaltschaft (BAW), sowie das in Schleswig-Holstein ermittelnde LKA an: die Beschuldigten würden konspirativ kommunizieren, sie würden Material vor dem möglichen Zugriff der Polizei verstecken und sich auch ansonsten komisch Verhalten. Darüber hinaus hatten zwei Beschuldigte in der Nacht des letzten Anschlages im Jahr 2006 mehrere Telefongespräche unbekannten Inhaltes miteinander geführt. Man hatte dann festgestellt, dass diese beiden Gesprächspartner der antifaschistischen Szene in Bad Oldesloe zugehören und messerscharf geschlossen, dass sie in irgend einer Verbindung zu dem Anschlag stehen müssten.

Früh gescheitert

Dabei waren die Ermittlungen zum Zeitpunkt der Hausdurchsuchungen längst gescheitert. Zum einen hatte sich die zentrale Annahme der Ermittler, die Gruppe werde zum G 8-Gipfel Anschläge verüben, nicht bestätigt. Im Gegenteil zeigten die angeblichen Gruppenmitglieder überwiegend nur geringes Interesse an dem Großereignis. Außerdem hatten die beiden Hauptverdächtigen bereits zwei Monate zuvor an einem von ihnen genutzten Auto einen GPS-Sender gefunden und sofort die Presse benachrichtigt, weil sie Ermittlungsbehörden hinter diesem Sender vermuteten.

Trotzdem wurden die polizeilichen Maßnahmen bis zu den Hausdurchsuchungen und teilweise darüber hinaus fortgeführt. Konkret heißt das: Über einen Zeitraum von fast einem Jahr wurden Telefonate, nicht nur der Beschuldigten, sondern auch von ihnen nahe stehenden Personen, unter einander, mit Dritten aber auch mit Journalisten und Rechtsanwälten abgehört. Internet und Mails wurden überwacht, Wohnungen wurden von außen mit Kameras überwacht, monatelange Observationen durchgeführt, PKWs abgehört und mit Peilsendern ausgestattet, die Wohnung von mindestens zwei Personen wurde verwanzt, mindestens drei Monate wurde jedes Wort aufgezeichnet (Zitat: »unverständlich ... spricht im Schlaf«).

Nachdem die BAW bereits wegen weiterer von ihr geführten § 129 a StGB Verfahren durch Beschlüsse des BGH gezwungen wurde den Vorwurf der terroristischen Vereinigung fallen zu lassen, gab sie hier am 16. Januar 2008 das Verfahren an die für ein Verfahren wegen der Mitgliedschaft in einer einfachen, kriminellen Vereinigung zuständige Staatsanwaltschaft Flensburg ab.

Der Beschluss des Landgerichts Flensburg war deutlich: »Es kann ausdrücklich dahinstehen, ob die Beschuldigten an den genannten Anschlägen überhaupt beteiligt waren und gleichermaßen, ob sich überhaupt eine Vereinigung in tatbestandlichem Sinne gebildet hat. Jedenfalls fehlte es von vornherein an der in §129 a Abs. 2 Nr. 2 StGB genannten Voraussetzung...  Die hier genannten Straftaten waren von vornherein nicht geeignet, speziell die Bundesrepublik Deutschland in diesem Sinne erheblich zu schädigen.«

Klare Worte fand das Gericht auch bei der Beurteilung der Anschläge an sich: »Dabei kam es im ersten Fall ohnehin nur zu einem Versuch (...) hatten auch die Brandstiftungen im Jahr 2004  keine bedeutsamen Auswirkungen«.

Am 14. Juli 2008 wurde das Verfahren daher durch die Staatsanwaltschaft Flensburg eingestellt. Es hatten sich keinerlei Anhaltspunkte für strafbares Verhalten gefunden. Es folgte nunmehr ein Beschluss des für die Wohnraumüberwachung zuständigen Landgerichts Karlsruhe, das erklärte, die Anordnung sei rechtswidrig.

Besonders problematisch bleibt vorliegend, dass hier für einen Teil der Beschuldigten über einen längeren Zeitraum eine lückenlose Überwachung ihres Lebens durchgeführt wurde. Mit der Einstellung des Verfahrens und der Feststellung der Rechtswidrigkeit von Durchsuchungen und Lauschangriff ist weder sicher gestellt, dass sich ein solches Vorgehen der Ermittlungsorgane nicht wiederholt, noch bedeutet es eine ausreichende Genugtuung für die Betroffenen. Eine Entschädigung für den erlittenen Verlust an Privat- und Intimsphäre ist gar nicht möglich, und als Schadensersatz in Geld rechtlich kaum durchzusetzen. Die Karrieren der handelnden Akteure werden nicht beeinträchtigt. Der Ermittlungsrichter am BGH Ulrich Hebenstreit lässt sich im Gegenteil gerne als liberalen Richter abfeiern, weil er an der Entscheidung des BGH gegen die Zulässigkeit der Onlinedurchsuchung beteiligt war. Dass er ansonsten willfähig alles abnickt, was ihm von der Generalbundesanwaltschaft zugeschoben wird, ist für einen deutschen Richter kein Charakterfehler. Die BAW wird aller Voraussicht nach auch in Zukunft sehenden Auges rechtswidrige Ermittlungsmaßnahmen durchführen und später sang und klanglos an die eigentlich zuständigen Staatsanwaltschaften zur Einstellung abgeben. Eine wirkliche Kontrolle der Behörde ist durch den einfachen Richtervorbehalt, also die Kontrolle durch einen Ermittlungsrichter, nicht zu erreichen. Dies zeigt sich täglich auch bei den einfachen Amtsgerichten, an denen überforderte Einzelrichter sang und klanglos Durchsuchungsbefehle, DNA-Abnahmen, Ingewahrsamnahmen und ähnliches durchwinken.

Öffentlichkeit hilft

Anhand eines eher komischen Randgeschehens zu dem Verfahren wurde deutlich, wie einem solchen rechtlich dubiosen Verhalten der Ermittlungsbehörden entgegengewirkt werden kann. Den im April letzten Jahres am Auto eines der Beschuldigten gefundene Peilsender wollte das LKA-Schleswig-Holstein gerne zurück und erhob deshalb Klage beim Amtsgericht Bad Oldesloe. Allerdings war die Behörde nicht gewillt Details über den Kauf und die Anbringung des Senders zu liefern und daher unfähig ihr Eigentum daran zu beweisen. Unter den Augen eines extra nach Oldesloe angereisten »Mitarbeiters der Bundespolizei« wurde daher die Klage abgewiesen. Die Ermittlungsbehörden scheuen das Licht der Öffentlichkeit, es muss daher viel stärker als bisher öffentlich auf die oft fragwürdigen und rechtswidrigen Ermittlungsmethoden aufmerksam gemacht werden, will man sich nicht zum bloßen Objekt staatlicher Willkür degradieren lassen.

Siehe auch:
www.soligruppe.blogsport.de
www.soligruppenord.blogsport.de