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Kampagne gegen die "Wehrmachtsausstellung" in Frankfurt Main

Einleitung

Wie fast vorauszusehen war, entwickelt sich die »Allianz der Geschichtsleugner«1 gegen die Ausstellung »Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944« zur Fortsetzungsserie. Doch während es in der Nachbereitung des von den Neonazis als »Triumph des Willens« 2 gefeierten Münchner Großaufmarsches am 1. März noch ansatzweise möglich war, das Zusammenspiel der Rechten öffentlich zu thematisieren, so scheint sich dieses heute schon als ein Stück politische Normalität etabliert zu haben.

  • 1Vgl. AIB Nr. 38
  • 2So die JN-Zeitschrift „Einheit und Kampf“ im Mai 1997.
Bild: linksunten.indymedia.org//CC BY-NC-SA 2.0

Christian Schaar zählte zu den rechten Aktivisten die gegen die sog. Wehrmachtsausstellung mobilisierten. Hier (mit Normannen-Mütze) als Teilnehmer einer Veranstaltung zum "Volkstrauertag" 2003 in Heidelberg.

"Allianz der Geschichtsleugner" - die Fortsetzung

Ähnlich wie Anfang der 1990er Jahre als die gesamte Rechte in der Kampagne gegen das Asylrecht eine Interessensgemeinschaft bildete und damit einen nachhaltigen politischen Flurschaden anrichtete, erscheint mit der Ausstellung des Hamburger Institutes für Sozialforschung – wenigstens  vorübergehend — wieder ein Thema aktuell, mit dem sich die Rechte gemeinschaftlich identifizieren kann.

Es geht dabei um mehr als um die Verherrlichung der Wehrmacht und um die versuchte öffentliche Demontage des als linken Lobbyisten verhaßten Jan Philipp Reemtsma. Es geht um die Verteidigung der soldatischen Tugenden und der preußischen Pickelhauben-Mentalität, seit jeher ein zentraler Punkt des rechten Politikverständnisses. Es geht um die Revision des Geschichte des 2. Weltkrieges, denn schließlich ist das Thema Wehrmacht stets verbunden z.B. mit der These des angeblichen Präventivschlages der Hitler-Truppen, die mit ihrem Einmarsch in Polen angeblich nur einem sowjetischen Angriffskrieg zuvorgekommen sein sollen. Auch die Hetze gegen den NS-Widerstand gehört zu diesem Themenkomplex, denn schließlich seien die »bedauerlichen Exzesse« der Wehrmacht »letztendlich unausbleiblich« gewesen gegen die »heimtückischen Überfälle von Partisanen«.

So in etwa beschreibt es der rechte Funktionär Lothar Groppe1 , einer der Stargäste der Gegenveranstaltung zur sog. „Wehrmachtsausstellung“ in Frankfurt am Main am 13. April, wo sich – wie schon in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift »Der Rechte Rand« ausführlich beschrieben - die rechte Allianz aufs Neue formierte.

Getreu dem Vorbild von Peter Gauweiler (CSU) in München2 ließ es sich die Frankfurter CDU-Bundestagsabgeordnete Erika Steinbach nicht nehmen, den Startschuß auszulösen. Provokativ forderte sie Reemtsma auf »in Einsicht seiner Fehlleistung dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge zehn Millionen Mark zur Pflege der Kriegsgräber unserer gefallenen Soldaten« zu spenden und kündigte großspurig eine Gegenverstaltung an. Erika Steinbach ist zwar als bereits als Mitglied des Bundes der Vertriebenen (BdV) bekannt, doch mit dem Hinweis auf ihre neue Funktion als von der Bundesregierung beauftragte Berichterstatterin zur sog. Wehrmachtsausstellung konnte sie sich in der öffentlichen Diskussion in den Vordergrund spielen. Erhielt Erika Steinbach anfangs noch Rückendeckung durch die CDU-Oberbürgermeisterin Petra Roth, die einen Besuch der Ausstellung mit dem Hinweis auf deren angebliche Einseitigkeit ablehnte, so änderte die CDU ihre Strategie. Um der Ausstellung keine weitere Publicity zu verschaffen, entschloß sie sich, diese durch Nichtbeachtung zu strafen und Erika Steinbach wurde zurückgepfiffen.

Doch da war die rechte Gegenkampagne schon losgetreten und der Boden bereitet für Rechte und Neonazis aller Coleur. Eine eigens »von 20 Studenten« gegründete „Arbeitsgemeinschaft Paulskirche“ übernahm die Wortführerschaft und schaltete eine von 70 Personen unterzeichnete »Erklärung«, die der Ausstellung vorwirft, »gegen elementare Kriterien wissenschaftlicher Arbeitsweise« zu verstoßen und die u.a. Einzug in die Frankfurter Allgemeine Zeitung und in Organe der Vertriebenen fand.

Getragen wurde die »Erklärung« u.a. vom der Wochenzeitung „Junge Freiheit“ nahen Politzirkel „Staatspolitischer Club Rhein-Main“ um Lothar Lauck und vom „Bündnis konstruktiver Kräfte Deutschlands“ (BKKD), an dem ebenfalls der ehemaligen Landesvorsitzenden der NPD-Jugendorganisation Lothar Lauck mitwirkt. Auch die „Deutschland-Bewegung“ des zum Ultra-Rechten mutierten »Friedensforscher« Alfred Mechtersheimer, die  Junge Landsmannschaft Ostpreußen (JLO) und Personen aus der CDU- und CSU-nahe Schülerorganisation „Schüler Union Deutschlands“ in Frankfurt und im Hochtaunus zählten zu den Unterstützern.

Als verantwortlich zeichneten sich Christian Schaar, Aktivist der „Deutschland-Bewegung“ und Chargen-Sprecher der "Burschenschaft Normannia zu Heidelberg" und Götz Kubitschek, ehemaliger Redakteur und Militärexperte der rechten Zeitung „Junge Freiheit“.

Einige der Unterstützer und Aktivisten der „AG Paulskirche“ legen jedoch offen, wie kurz mittlerweile der Weg von braun zu schwarz (und umgekehrt) ist, bzw. daß sich beides irgendwie doch miteinander verbinden läßt - zumindest in Frankfurt und im Taunus, wo es in den letzten Jahren einem Kreis von jungdynamischen Rechten um den „Staatspolitischer Club Rhein-Main“ gelungen ist, sich über die politischen Hintertürchen „Ring Christlich-Demokratischer Studenten“ (RCDS), „Junge Union Deutschlands“ (JU) und „Schüler Union Deutschlands“ in den Kreisen der CDU festzusetzen.

Beispielhaft für das regionale schwarz-braune Milieu stehen z.B. Ulrich Brier von der „Deutschland-Bewegung“, der als eine Kontaktperson für eine geplante (und später abgesagte) Gegendemonstration aus den Kreisen der Frankfurter „Schüler Union Deutschlands“ auftrat sowie Thilo M. Stratemann, einer der Sprecher des „Staatspolitischen Clubs“, der die »Erklärung« ebenfalls unterzeichnete.

Thilo M. Stratemann ist ehemaliger Redakteur der rechten Zeitung „Junge Freiheit“ und – laut der Zeitung „Der Rechte Rand - ein Frontmann der Jungen Union, des RCDS und des Verein Deutscher Studenten (VDSt) in Frankfurt. Für die Infiltration der Frankfurter CDU durch die Rechte soll er als eine Art Schlüsselfigur fungiert haben. Seine Aufnahme in die Union soll er u.a. - so besagen es zumindestens interne Informationen aus dem Kreis des VDSt – der persönlichen Fürsprache von Erika Steinbach zu verdanken haben. Bei den Ortsbeiratswahlen im März 1993 kandidierte er für die CDU im Ortsbezirk 11, der dem Sprecher des „Christlich-Konservative Deutschland-Forum“ (CKDF) der CDU, Wolfgang Bodenstedt, untersteht. Auch Wolfgang Bodenstedt gilt in seiner Funktion als ein ehemaliger Vorsitzenden der rechten „Frankfurter Tafelrunde“ und als Autor der rechten Zeitschriften „Criticón“ und „Junge Freiheit“ dem rechten Flügel der Frankfurter CDU zugehörig.

Als Unterstützer des Aufrufes konnte die »AG Paulskirche« neben (früheren) Militärs auch Persönlichkeiten aus Kreisen der Vertriebenen gewinnen wie z.B. den Bundesvorsitzenden der "Landsmannschaft Ostpreußen", Wilhelm von Gottberg, und dem Bundesvorsitzenden der "Jungen Landsmannschaft Ostpreussen" (JLO) Bernhard Knappstein. Unter dem Namen der „Jungen Landsmannschaft Ostpreussen“ unterzeichnete z.B. auch Martin Stoffers aus Hamburg, ein früherer Funktionär der rechten Pennälerburschenschaft „Pennale Burschenschaft Chattia Friedberg zu Hamburg“. 

Bei der Ausstellungseröffnung am 13. April versammelten sich dann ca. 80 Personen zum gemeinschaftlichen Protest: VertreterInnen der Schülerunion, des Staatspolitischen Clubs und der Partei „Die Republikaner“, der frühere Nazi-Terrorist Manfred Roeder und der Neonazi Rolf G. von der NPD-Jugendorganisation „Junge Nationaldemokraten“, der mit anderen Neonazis Flugblätter einer eilig geschaffenen „Bürgerinitiative Schutzbund Deutscher Soldaten“ verteilte.

Auf einer vom Staatspolitischen Club organisierten Gegenveranstaltung im staatlich geförderten Vertriebenen-Verbänden-Domizil "Hause der Heimat" fanden sich dann an die 200 Personen ein, unter ihnen auch Peter Gauweiler. Lediglich eine Handvoll Neonazis - so schreibt die Zeitung »Der Rechte Rand« - soll kurz vor Beginn gebeten worden sein, im Interesse der öffentlichen Wirkung der Veranstaltung, doch zu gehen. Sie sahen das demnach ein und sollen mit Handschlag verabschiedet worden sein.

Die Angst der Veranstalter vor negativen Schlagzeilen war jedoch unbegründet, die Aktivitäten der Anti-Ausstellungs- Front waren der Presse kaum mehr wert als ein paar ironische Randnotizen. Dies kann  im positiven Sinne dahingehend interpretiert werden, daß der rechte Budenzauber an diesem Tag kein relevantes Thema für die Öffentlichkeit darstellte. Im negativen Sinne kann es aber auch bedeuten, daß derartige schwarz-braune Allianzen ein Stück politische Normalität geworden sind.

  • 1Der Jesuiten-Pater Lothar Groppe zählte mit Caspar von Schrenck-Notzing, Gerhard Löwenthal, Christa Meves und Hans Graf Huyn (CSU) zu dem rechten Netzwerk um das "Konservative Büro" in Bielefeld.
  • 2Als die Wehrmachtsausstellung in München gezeigt werden sollte, startete Peter Gauweiler eine Gegenkampagne. So organisierte er eine Postwurfsendung an 300.000 Münchener Haushalte. Gegen die Ausstellungseröffnung demonstrierten Peter Gauweiler und weitere CSU-Mitglieder mit einer zeitgleich stattfindenden Kranzniederlegung am Grabmal für den unbekannten Soldaten.