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Kameradschafts-Prozess mit Überraschung

Einleitung

Eine Gruppe von neun Berliner und Brandenburger Neonazis aus dem Kameradschaftsspektrum ist im Oktober 2004 vom Amtsgericht Parchim zu Bewährungsstrafen zwischen neun und zwölf Monaten verurteilt worden. 

Die Angeklagten Alexander Willibald Bahls (Spreegeschwader) und Lutz Giesen auf dem Weg zur Urteilsverkündung

Sie gehörten zu einer Gruppe, die mehr als fünf Jahre zuvor, im Juli 1999, an einem Aufmarsch gegen die sogenannte Wehrmachtsausstellung in Hamburg teilgenommen hatte und dann, zwar vermummt, aber unter Observation der Polizeieinheit MEGA (Mobile Einsatzgruppe gegen Gewalt und Ausländerfeindlichkeit), eine Gruppe polnischer Punks auf der Autobahnraststätte Stolpe überfielen und verletzten. Nach einer kurzen Festnahme kamen die Angreifer wieder frei, beschädigten eines ihrer eigenen Fahrzeuge und erstatteten ihrerseits Strafanzeige wegen Sachbeschädigung gegen die Punks.

Diese Aktion schlug fehl. In den folgenden Jahren wurde das Verfahren gestückelt und vier verschiedenen Staatsanwaltschaften zugestellt. Es folgten Prozesse in Luckenwalde, Berlin und Potsdam, bei denen die Täter zu Geldbußen, Arbeitsstunden und Freiheitsstrafen, allerdings meist auf Bewährung, verurteilt wurden. Zum Prozessauftakt in Parchim erklärten sich die Angeklagten selber zu Angegriffenen, die sich lediglich verteidigen wollten. Insbesondere die Angeklagten Lutz Giesen (Greifswald) und Hartmut S. (Berlin) waren hierbei die Wortführer. Überraschenderweise präsentierte die Staatsanwaltschaft jedoch die Mitschrift eines abgehörten Telefongesprächs, das der Angeklagte Hartmut S. wenige Tage nach der Tat mit dem niederländischen Neonazi und Anti-Antifa-Aktivisten Eite Homann geführt hatte. Nicht nur, dass in diesem Telefonat recht unkameradschaftlich über den Berliner Kameradschaftskollegen Oliver Schweigert geredet wurde, auch prahlte Spengler, man habe es »dem bolschewistischen Feind mal so richtig gegeben«.

So vor neue Tatsachen gestellt, entschlossen sich die Angeklagten nach zäher Diskussion zu Geständnissen, da ihnen für diesen Fall Bewährungsstrafen in Aussicht gestellt wurden. Ein Deal, der anscheinend nicht nur den neonazistischen Prozessbeobachtern wie dem Berliner Marcus B. zu weit ging, auch legte einer der Anwälte, der ehemaliger NPD-Abgeordnete Peter Stöckicht, sein Mandat nieder. Drei der Angeklagten, Alexander Bahls (Mitglied der RechtsRock-Band Spreegeschwader), Lutz Giesen und Hartmut S., entschlossen sich, in Revision zu gehen.