Skip to main content

It`s tea time?

Leonard Zeskind und Devin Burghart für IREHR und Antifa-Net
Einleitung

Nach einem Jahr hitziger Debatten verabschiedete das Repräsentantenhaus der Vereinigten Staaten von Amerika am 21. März 2010 ein Gesetz, welches einige Tage später dazu führte, dass Barack Obama die Gesundheitsreform auf den Weg bringen konnte.

Foto: flickr.com/jackiembarr/CC BY 2.0

Noch am Tag zuvor hatten Mitglieder sogenannter »Tea Parties1 « vor dem Capitol demonstriert, um die neue Gesetzgebung zu stoppen. In einer Reihe verschiedener rassistischer Übergriffe, die noch immer diskutiert werden, beschimpfte ein Demonstrant die schwarzen Mitglieder des »Black Congressional Causus« beim verlassen ihrer Büros als »Nigger«. Unter ihnen befand sich der Bürgerrechtsaktivist John Lewis aus Georgia. Der Kongressabgeordnete Emanuel Cleaver aus Missouri wurde bespuckt. Als wollten sie ihre Niederträchtigkeit noch unterstreichen, behaupteten die Verantwortlichen, dass nichts Unlauteres geschehen sei und der Abgeordnete der Demokratischen Partei sich die Geschichte wohl ausgedacht habe: »Selbst ein Rassist ist medienbewußt genug, das N-Wort nicht in der Öffentlichkeit zu benutzen,« verteidigte ein Sprecher sich gegen Anschuldigungen, dass Tea Party Mitglieder ihre tatsächlichen rassistischen Überzeugungen versteckt hielten.

Gegen die Gesundheitsreform

Am Tag der Abstimmung über die Gesundheitsreform drohte Alan Wilson  der demokratischen Senatorin Patricia Murray mit dem Tode. Zur gleichen Zeit verhaftete das FBI Gregory Giusti in Californien, der Nancy Pelosi bedroht hatte. Die Republikanerin Pelosi ist Sprecherin des Abgeordnetenhauses und an dritter Stelle der Staatsführung nach dem Präsidenten und dessen Vize. In ähnlichen Fällen flogen auch Steine gegen Büros der demokratischen Partei in Wichita, Kansas und anderswo.

Am 23. März 2010 wurden neun Mitglieder der Huaree-Miliz in Michigan wegen aufrührerischer Verschwörung angeklagt, nachdem sie einen Polizisten getötet und dann die Teilnehmer der Trauerfeier militant angegriffen hatten. Die Gruppe, die sich selbst als christlich bezeichnet, ist eine der am besten bewaffneten und aggressivsten Post-Millenniums-Milizen.

Am 2. April 2010 schickte die Gruppe »Guardians of the free republic« Briefe an 30 Gouverneure, in denen ihr Rücktritt gefordert wird. Anderenfalls würden sie »mit Gewalt enthoben«. Die Ideologie der Gruppe beinhaltet die Annahme, dass alle Entscheidungen, die der Kongress oder der Präsident fällen, nicht verfassungskonform sind. In Michigan veranstaltete die »Southeast Volunteer Miliz« ihr eigenes »Offenes Familienpicknic und Tea Party«. Offen durften dabei vor allem Waffen zur Schau getragen werden. Rund 100 Personen nahmen an dieser Veranstaltung in einem staatlichen Naturpark teil. Indem die Veranstaltung als Tea Party bezeichnet wurde, rückt sich die Miliz selbst näher an die bürgerliche Tea Party Bewegung, die die amerikanische Politik im vergangenen Jahr stark beeinflusst hat.

Al Gerhart, Mitglied einer Tea Party in Oklahoma forderte kürzlich sogar die Gründung einer Miliz zum Schutz des Staates vor der Regierung. Gerhart gründete dazu die Oklahoma Constitutional Alliance, um Tea-Party-Gruppen zu vereinigen. Mindestens ein Senator signalisierte bereits seine Unterstützung für das Vorhaben. Andere, die sich an das Bombenattentat von Oklahoma vor 15 Jahren2 erinnerten, wiesen es zurück. Es hat offenbar keine Aussicht auf Erfolg.

Nicht alle Tea Parties sind jedoch Milizen. Eine differenziertere Sicht auf die Bewegung ergab sich durch Umfragen. Rund 13 Prozent der Wähler bezeichnen sich als Teil der Tea Party Bewegung. Das sind ca. 19 Millionen Erwachsene. Rund 5 Prozent gaben an, Geld an Tea Parties gespendet oder an Protesten aktiv teilgenommen zu haben. Der harte Kern der Bewegung, die sich als Mitglieder auf verschiedenen Websites eingetragen haben, dürfte sich zahlenmäßig zwischen den beiden Gruppen bewegen.

Momentan teilt sich die Tea Party Bewegung in fünf Fraktionen. Die Tea Party Nation, angeführt vom Rechtsanwalt Judson Phillips aus Nashville und seiner Frau Sherry, ist die am stärksten wahrnehmbare. Diese Gruppe ist mit einer der wichtigsten Websites der »Birthers« verbandelt, einer Gruppierung, die dem Glauben anhängt, Barack Obama sei kein gebürtiger US-Amerikaner. Außerdem hat die Tea Party Nation Verbindungen zu christlichen Nationalisten. Die Tea Party Patriots sind die größte der Fraktionen und betreiben die wirkungsvollste Basisarbeit. Sie sind in Georgia ansässig und ihr Sprecher hat enge Verbindungen zu Beratungsunternehmen der Republikanischen Partei.

Die 1776 Tea Party3 (bekannter als teaparty.org) ist vor allem wegen ihres Präsidenten Dale Robertson bekannt, der Steuerzahler als »Niggars« bezeichnet hatte und in einer offiziellen Email Barack Obama als Zuhälter dargestellt hatte. Diese Gruppe hat ihr Hauptquartier in der Region um Houston.

Die »Freedom Works Tea Party« stammt aus Washington DC und dient als Vorfeldorganisation der Gruppe FreedomWorks um Dick Armey. Sie wurde bisher vor allem dafür genutzt, öffentliche Gelder an lokale Gruppen umzuleiten. ResistNet ist das offizielle soziale Netzwerk der Gruppe Grassfire Nation aus Iowa und wird von dem privaten Internetanbieter Grassroots Action betrieben. Mitglieder von resistNet haben viele lokale Tea Party Aktionen organisiert und es sind viele Ortsgruppen in dem Netzwerk vertreten. Tea Party Express wurde von dem kalifornischen Politischen Aktionskommittee »Our Country Deserves Better« gegründet und organisiert vor allem überregionale Bustouren für Tea Party Anhänger. Nur ein kleiner Prozentsatz der Tea Party Anhänger bezeichnet sich als Demokraten oder hat nach eigenen Angaben für Obama gestimmt. Der große Rest besteht zu ungefähr gleichen Teilen aus Republikanern und Independents.

Als Independents werden jene Wähler bezeichnet, die sich weder den Demokraten noch den Republikanern zuordnen. Ungefähr die Hälfte stammt Umfragen zufolge aus Kleinstädten und ländlichen Gegenden. Vorstadtbewohner machen die überwältigende Mehrheit der nicht in ländlichen Gebieten lebenden Tea Party Anhänger aus. Es handelt sich hierbei um etablierte Mittelklasseangehörige, die eher einen Sticker »Hupe, wenn ich Deine Hypothek bezahle« auf ihr Auto kleben, als dass sie an Demonstrationen teilnehmen und Arbeitsplätze fordern würden. Laut einer Umfrage von CNN haben 66% der Tea Party Anhänger ein Jahreseinkommen über 50.000 US-Dollar, eine andere Umfrage spricht sogar von über 75.000 Dollar.

Die Tea Party ist eine weiße Bewegung. Südstaatenflaggen und Rufe nach Sezession4 sind an der Tagesordnung. Die Bewegung wird getragen von der Mentalität weißer Vorstadtbewohner, die Angst vor der multikulturellen Realität der Innenstädte haben. Nur 18% der Anhänger denken, dass Schwarze »sehr hart arbeiten«, wie eine Studie der Universität Washington zeigte. 68% hingegen äußerten Zustimmung zu dem Satz »Wenn Schwarze härter arbeiten würden, wären sie genauso wohlhabend wie Weiße«. Die übrige Öffentlichkeit ist aufgeklärter, was soziale Ungleichheit aufgrund von Rassismus angeht – aber noch lange nicht genug, um die vielgerühmte aber bis jetzt unerreichte »Gesellschaft ohne Rassen« Wirklichkeit werden zu lassen. In der Tat sind Rassisten und Fanatiker von Anfang an Teil der Bewegung.

Aktivisten des Council of Conservative Citizens, einer weißen nationalistischen Organisation, die seit der Zeit der Rassentrennung besteht, haben Tea Party Aktionen in Mississippi und an der Westküste von Florida organisiert. Don Black, Betreiber der Neonaziwebseite Stormfront, hat ein Tea Party Diskussionsforum eingerichtet um Neonazis zu motivieren, an der »neuen weißen Bewegung« teilzunehmen. Zuguterletzt spielen auch Paul Topete und seine Band Pokerface eine wichtige Rolle. Topete ist seit langem für seine antisemitischen Äußerungen bekannt, und nahm unter anderen den britischen Holocaustleugner David Irving in Schutz. Laut Topete haben »die Rothschilds 1776 die Illuminaten aufgebaut, um die christliche Basis der westlichen Zivilisation zu untergraben«.

Die Ansichten von Pokerface waren bereits 2008 hinlänglich bekannt, weshalb Ron Paul in seinem Wahlkampf um den Posten als republikanischer Präsidentschaftskandidat einen geplanten Auftritt der Band abgesagt hatte. Ein Jahr später, am 3. Juli 2009 spielte die Band jedoch als Hauptact einer Tea Party Demonstration in Washington DC. Laut dem antifaschistischen Blog ladylibertyslamp.wordpress.com haben Mitglieder der Band dort auch als Ordner gearbeitet und Logistik zur Verfügung gestellt. Dem ultrarechten Ron Paul zu fanatisch, sind sie der Tea Party Bewegung gut genug. Es bleibt abzuwarten, wie sich diese rechte Basisbewegung weiter entwickelt.

  • 1Die Tea Party Bewegung ist eine rechte Protestbewegung in den Vereinigten Staaten, die 2009 in Reaktion auf Bankenrettungsversuche und Konjunkturpakete damit begonnen hat, ihre Anhänger gegen Steuerpolitik und andere Maßnahmen der Bundesregierung in Washington wie zum Beispiel die Gesundheitsreform zu mobilisieren. Der Name der Bewegung bezieht sich auf die Boston Tea Party von 1773. Damals kippten amerikanische Revolutionär_innen im Hafen von Boston Teepakete der britischen East India Trading Company ins Meer. Die Aktion ging in die Geschichtsbücher ein und gilt als wichtiger Schritt auf dem Weg zur amerikanischen Unabhängigkeit 1776.
  • 2Am 19. April 1995 verübte Timothy McVeigh mit mehreren Mittätern aus dem Umfeld der extrem rechten Michigan Militia einen Anschlag auf ein Regierungsgebäude in Oklahoma City, bei dem 168 Menschen starben.
  • 31776 ist das Gründungsjahr der Vereinigten Staaten. In diesem Jahr wurde die Unabhängigkeitserklärung veröffentlicht.
  • 4Streben nach Ablösung von einem Staat, in diesem Fall der Wunsch nach einem unabhängigen weißen Staat auf dem Territorium der USA.