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Ist eine Entpolitisierung durch die Medien unaufhaltsam?

N.N. (Gastautor in)
Einleitung

Debattenbeitrag zur Darbietung von Informationen in den Medien

Das deutsche Fernsehtestbild entspricht mitunter dem Informationsgehalt der politischen Nachrichten. Ein Aufbrechen unserer passiven Rolle gegenüber den Medien wäre ein Ziel.

Es ist in antifaschistischen Kreisen ein breiter Konsens, daß es politisch sinnlos ist mit konservativen Medien zusammen zu arbeiten. Aber das Fernsehen arbeitet mit uns. Insbesondere in Nachrichtensendungen werden AntifaschistInnen bei Berichten über antifaschistische Aktionen mit Methoden der emotionalen Abschreckung in die »radikale« Ecke gestellt. Unsere politischen Inhalte fallen völlig weg. Einen Weg zu einer breiteren aktiven Vermittlung unserer eigenen Ideen haben wir bisher nicht gefunden. Die Realität sieht eher so aus, daß in bürgerlichen Medien massiv und öffentlichkeitswirksam gegen uns gearbeitet wird. So schlage ich vor, die Diskussion um die Art unserer Präsens in breit wirkenden Medien, über unsere Schwierigkeiten, die Medien selbst zu nutzen, neu zu entfachen.

Nachrichtensendungen bieten sich hier als Forum an. Auch weil hier anhand von Aktionen am ehesten unsere Inhalte eingebracht werden können. Doch hier sind Strategien erforderlich. Es ist nicht auszuschließen, das JournalistInnen und RedakteurInnen eine neue Qualität von Aktionen und Meinungsäusserungen in ihre Sendungen aufnehmen. Es ist aber nicht zu erwarten, daß sie unsere Meinungen aufgreifen und selbst vertreten, obwohl dies ein Ziel wäre. AntifaschistInnen müssen also selbst auftreten. Daher ist die Qualität von öffentlichen Auftritten, Interviews, persönlichen Äusserungen, die Angst vor Sanktionen nach Auftritten, die »daneben gegangen« sind, aber auch die Möglichkeit von neonazistischer Verfolgung zu diskutieren.

Ein Aufbrechen unserer passiven Rolle gegenüber den Medien wäre ein Ziel. Aufregung, Empörung und Betroffenheit sind Mittel des Fernsehens. Es wurde schon oft beschrieben, wie sehr sie heute von Kommerz und konservativer Politik belegt sind. Ließe sich Aufregung, Empörung und Betroffenheit mit unseren Inhalten füllen, und würden diese mit Diskussionen verknüpft, hätte ich nichts gegen die Mobilisierung der Menschen durch die Medien.

Das Fernsehen spielt eine immer größere Rolle unter den Medien. Seit der Einführung privatwirtschaftlicher Fernsehsender zeigt sich eine aktuelle Änderung der Informationsaufbereitung und -darstellung, auch in scheinbar objektiven Nachrichtensendungen. Obwohl der Einfluß konservativer Politik im Fernsehen nicht zu übersehen ist, soll eine Form der Beiträge »Objektivität« vermitteln: Nachrichtensendungen. Schwerpunktsetzung in der Auswahl von Informationen entsprechen jedoch nicht den realen Geschehnissen, die Auswahl und die Aufbereitung sind mit speziellen Interessen verknüpft.

Die Gefahren der Massenwirkung der Medien ist seit Goebbels und der Mediengleichschaltung im NS bekannt. Faschisten nutzten damals das Radio zur Beeinflussung der Menschen. Durch Gründung sogenannter öffentlich/rechtlicher Rundfunk-und Fernsehanstalten in der BRD sollte diese aber offiziell nicht mehr einseitig politisch genutzt werden, eine »Meinungsvielfalt« durch einen »Parteienproporz« gewährleistet sein. Mit Einführung der Privatsender hat sich die Situation seit einigen Jahren wieder verändert: kommerzielle Interessen stehen im Vordergrund. Nachrichten werden als eine Ware gehandelt, die von Fernsehanstalten gekauft wird. Die Kosten hierfür werden investiert, um Einschaltquoten zu verbessern und damit Werbeeinnahmen zu erhöhen.

Auch mit Nachrichtensendungen sollen Kunden geworben werden: Da allen Sendern das gleiche Agenturmaterial zur Verfügung steht, ist ein Abgrenzen von der Konkurrenz und damit ein Sichern von Marktanteilen kaum über den Umfang und die Art der Information möglich. In der Gunst um die Fernsehzuschauer ist die Art der Präsentation der Nachrichten eher ein Mittel, »Kunden« zu werben. Wenn es aber nicht in erster Linie um Informationen, sondern um Einschaltquoten geht, wenn die Konsumenten das »richtige Programm« wählen sollen, dann ist eine Entwicklung, die seit einigen Jahren zu beobachten ist, zwangsläufig: Es findet eine Verlagerung des Angebotes an Informationswert von Nachrichten auf eine emotionale Beteiligung der Fernsehseherinnen statt.

Dabei sein, wenn geschossen wird. Geiselnahmen live erleben. Den von Krieg, Folter und Hochwasserkatastrophen und ihrem Elend Gebeutelten in die Augen sehen. Keine Berichte, die vom Kopf verarbeitet werden können, sondern Originaltöne und Bilder, die in den Bauch gehen, sind angesagt. Die ZuschauerInnen sollen mit dabei sein, wenn ein Hurrican Lebensgrundlagen zerstört, das soll den emotionalen Kick geben. Besonders die scheinbare Objektivität von Nachrichtensendungen wird so zur Farce. Ständig werden Katastrophen gezeigt ohne politische und wirtschaftliche Hintergründe zu benennen. Auch werden nur ausgewählte Probleme gezeigt. Wenn Emotion im Vordergrund steht, geht es nicht mehr um Kritik und Reflexion, stattdessen wird Gewöhnung produziert.

Zustimmung wird von den ZuschauerInnen indirekt in einer für sie selbst schwer kontrollierbaren Form erreicht, die sie kaum mehr nachvollziehen können. Eine kritische geistige Verarbeitung findet so immer weniger statt. Aus dem vorgeblichen Objektivitätsanspruch wird ein kommerziell begründetes emotionales Ansprechen. Eine Entpolitisierung des Bewußtseins wird produziert, gleichzeitig werden konservative Inhalte vermittelt.

"Hassmasken", skandierende »Horden«, Steine, das ist es was von AntifaschistInnen gezeigt wird. Gerade bei der Darstellung linker Aktionen zeigt sich die (Nicht)Qualität der aktuellen Nachrichtenaufbereitung. Hier passen kommerzielle und konservative politische Absichten bestens zusammen. Der Begriff Propaganda wurde von den Nazis verwendet, um die spezielle politische Einflußnahme auf Menschen zu beschreiben. Erstmals wurden gezielt elektronische Medien eingesetzt, um Verhalten und Weltanschauung zu beeinflußen. »Propagandaminister« Goebbels hat sich über sein Propagandakonzept geäußert. Unsichtbar, unbewußt wirkend, indirekt und unbemerkbar wollte er sie. Das Konzept ging auf. Propaganda ist beschreibend, mit dem Anspruch, vermeintlich Gültiges über die Wirklichkeit zu sagen. Offene Propaganda erfordert Argumente oder zumindest Behauptungen. Sie ist oberflächlich oder verfälschend.

Da Argumente entkräftet werden können, kann offene Propaganda angegriffen werden. Darüber hinaus treibt ein Übermaß an offensichtlicher Propaganda die Menschen in Opposition. Offene Propaganda wird also kaum mehr politisch wirksam sein. Ein geschickteres Mittel einer nicht sichtbaren politischen Propaganda ist deshalb die Entpolitisierung. Im Gegensatz zu offener Propaganda ist ein Ablenken von der Wirklichkeit langfristig wirksamer als Propagandalügen (Ablenkung statt Information).

Schwerpunkt des Fernsehens der BRD war seit Beginn immer die Unterhaltung. Mit Einführung privater Sender und Anpassung von ARD und ZDF ist Beiläufigkeit und Unwirklichkeit jedoch Programm. Ablenken heißt durch Träume stillhalten, Diskussionen vermeiden und Selbstaufklärung verhindern. Das Interesse an elektronischen Medien wird gesteigert, womit wenig selbst geredet wird und kritisches politisches Bewußtsein nicht angeregt wird. Zuhause Video, auf der Straße Walkman, in Geschäften und Fahrstühlen Lautsprecher - allein das Fernsehen beansprucht über 100 Arbeitstage des statistischen Bundesbürgers.

Dramaturgie mit schnellen Schnitten, Action-Thriller, Werbespot, Serie, Talkshow, Spiele, mit dem Telecommander gleichzeitig geschaltet - in der Bundesrepublik erfaßt uns eine dauerhafte Beschäftigung unserer Wahrnehmung durch elektronische Medien. Die Hauptanstrengung scheint darin zu liegen, eine Masse der Vereinzelten ohne eigene Ideen zu schaffen.