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Internationale Freiwillige an der Seite ukrainischer Neonazis

Peter Schaber (lowerclassmagazine)
Einleitung

Nach den Wahlen zum ukrainischen Parlament am 26. Oktober 2014 triumphierte jener Mann, den die US-Außenpolitikerin Victoria Nuland schon sehr früh zu ihrem Hoffnungs­träger in Kiew erklärt hatte. Arsenij Jazenjuk, der frühere Weggefährte der „Gasprinzessin“ Julia Timoschenko, war mit einer eigenen Liste, der Narodnyj Front („Volksfront“), angetreten und diese war überraschend stimmenstärkste Partei geworden. Einen nicht unmaßgeblichen Beitrag zu diesem Erfolg leistete die Gründung eines sogenannten „Militärrats“ durch die „Volksfront“, durch den populäre Führer rechter Freiwilligenbataillone an die prowestliche Partei angegliedert wurden.

Foto: Screenshot von YouTube/espreso.tv

Andrij Bilezkyj, ein Mitbegründer der rechten freiwilligen Kampfeinheit Bataillon Asow

„Die Reinigung des Volkskörpers“

Einer der Männer, die hier eine führende Rolle spielen, ist Andrij Bilezkyj (Андрій Євгенійович Білецький). Folgt man seinen Spuren, so findet man sich rasch in einem Milieu ukrainischer Faschisten und Neonazis wieder, die zusammen mit einer nicht genau zu beziffernden Zahl europäischer und russischer „Freiwilliger“ in der Ukraine ihr eigenes politisches Projekt verfolgen, dessen Ziele Andrij Bilezkyj kurz so umreißt: „Die historische Mission unserer Nation in diesem kritischen Moment ist es, die weißen Rassen der Welt in einen finalen Kreuzzug für ihr Überleben zu führen.“ Der Kreuzzug sei einer „gegen die von Semiten geführten Untermenschen“.

Biletzki steht an der Spitze eines Geflechts ukrainischer Nationalisten und Faschisten, um die Соціал-Національна Асамблея / Sozial-Nationale Versammlung (SNA), deren paramilitärischen Arm Патріот України / „Patriot der Ukraine“ und das mittlerweile ausgezeichnet in den Repressionsapparat der Post-Maidan-Regierungen in Kiew integrierte Полк Азов (Regiment Azow).

Im Unterschied zum „Rechten Sektor“, dessen Führer Дмитро Ярош / Dmytro Jarosch sich notdürftig darum bemüht, seine Anhänger als „moderne Nationalisten“ darzustellen, haben Biletzkis Truppen nie einen Hehl aus ihren Sympathien für den deutschen Nationalsozialismus gemacht. Hitlergrüße und Nazi-Symbolik gehören zu den „normalen“ Umgangsformen, in einer programmatischen Schrift der SNA heißt es: „Unser Nationalismus ist nichts als ein Schloss aus Sand, wenn er nicht auf den Grundfesten des Blutes und der Rasse beruht.“ Und: „Die Reinigung des ukrainischen Volkskörpers beginnt daher mit der Reinigung seiner rassischen Beschaffenheit.“

Diese Radikalität und Offenheit hat „Azow“ und der SNA eine gewisse Reputation unter europäischen und russischen Neonazi-Gruppierungen verschafft. Und so kann man ohne Untertreibung sagen, dass es wohl keine andere militärische Formation im innerukrainischen Krieg zwischen Kiew und den selbsternannten „Volkswehren“ von Lugansk und Donezk gibt, in der mehr Neonazis als „Freiwillige“ kämpfen als hier.

Frankreich

Als Organisator des „internationalen Arms“ des Azov-Regiments fungiert der französische Söldner Gaston Besson. Besson hatte bereits zuvor in diversen Kriegen und Aufständen Asiens gekämpft, 1991 ging er nach Bosnien, um dort an der Seite kroatischer Neonazis und Ustascha-Anhänger in der berühmt-berüchtigten Hrvatske obrambene snage (HOS) am großen Gemetzel auf dem Balkan teilzunehmen. Auch damals waren bereits viele ausländische Neonazis beteiligt, einige dutzend Milizionäre waren Besson unterstellt. Er tritt offen als Rekrutierer und Ausbilder für das Azow-Bataillon auf, mittlerweile pendelt er zwischen der Ukraine, seiner Heimat Kroatien und Frankreich — unbehelligt von europäischen Behörden.

Neben Besson kämpfte und kämpft eine nicht genau zu beziffernde Anzahl von Franzosen auf der Seite des Azow-Bataillons. In Frankreich hat Besson eine „NGO“ ins Leben gerufen, die sich „France Ukraine Solidarité“ nennt und — ebenfalls ohne irgendwelche Repressalien befürchten zu müssen — offen Geld für Neonazis in der Ukraine sammelt.

Italien

Aus Italien reiste kurz nach Besson, der bereits vor der Flucht von Ex-Präsidenten Viktor Janukowitsch auf dem Maidan Kontakt zum „Rechten Sektor“ aufgebaut hatte, der Faschist Francesco Fontana an. Fontana gehört zur „älteren Generation“ und hatte schon in der „Avanguardia Nazionale” des Rechtsterroristen und Mörders Stefano Della Chaie mitgemischt, heute bewegt er sich im Milieu der neofaschistischen „Casa Pound” in Italien. Aus dem Umfeld dieser Gruppe, die vergleichsweise erfolgreich in Italien die „Modernisierung“ des Faschismus durch ästhetische Inszenierungen und Hausbesetzungen betreibt, kämpfen weitere Freiwillige an der Seite des Azow-Bataillons. Fontane ist mittlerweile nach Italien zurückgekehrt. Auch ihm droht, soweit bekannt, kein Strafverfahren für seine Kampfhandlungen in der Ukraine.

Schweden

Aus Schweden kommt einer der Stars des „Azow“, Mikael Skillt. Sieben Jahre hat er als Scharfschütze in Schweden gedient, weitaus länger war er in diversen Neonazi-Gruppierungen des Landes unterwegs: Bis vor seiner Abreise in der Svenskarnas Parti, zuvor in der „Schwedischen Widerstandsbewegung” (Svenska Motståndsrörelsen), die von einem ehemaligen Mitglied des White Aryan Resistance, Klas Lund, gegründet wurde.

Skillt ist nicht nur ein prominenter „Ausländer“ in den Reihen des „Azow”, sondern wohl auch einer der professionellsten Scharfschützen, die den SNA-Milizen zur Verfügung stehen. Die BBC nennt den bekennenden Neonazi den „White-Power-Warrior aus Schweden“. Seinen Angaben zufolge soll sich zumindest ein weiterer militärisch gut ausgebildeter Schwede bei „Azov“ aufhalten, wie viele Schweden es insgesamt sind oder über die vergangenen Monate hinweg waren, ist schwer zu sagen1 .

Russland

Auch aus Russland sind Neonazis angereist, um ihren ukrainischen Kameraden im Kampf gegen die „prorussische“ Bewegung im Osten der Ukraine zur Seite zu stehen.  Hier sind es vor allem Aktivisten der sogenannten „Misanthropic Division“ und der neuheidnischen extrem rechten Gruppierung „Wotan-Jugend“, die an der Seite von „Azow“ stehen. Auf ihrer Homepage findet sich ein Text, der beschreibt, was sich die russischen Neonazis von dem Kampf in der Ukraine wünschen: „Heute die Ukraine! Morgen Russland und ganz Europa! Wir kommen, um uns unsere Länder zurückzuholen! Für die neue Reconquista!“ Es gehe gegen die „neuen Asiaten“ und die „feigen Roten“. Der russische Neonazi Sergej Grek („Balagan“), ist bereits bei Kampfhandlungen des Azov-Bataillons gefallen. Zudem unterstützen auch russischen Neonazis der Gruppe „NS/WP Nevograd“ aus St. Petersburg, die zuvor Migranten in den Straßen der russischen Metropole umbrachten, das „Azow“.

USA

Aus den USA erreicht die faschistischen Milizen vor allem logistische Unterstützung (was nicht heißen soll, dass sich keine Kämpfer aus den Vereinigten Staaten in der Ukraine aufhielten, diese waren allerdings mehrheitlich „normale“ Söldner). So ruft die Organisation „Women for Aryan Unity“ (WAU), die neuheidnische Esoterik mit der Verehrung des Nationalsozialismus verbindet, zu Spendentätigkeiten für das Azov-Bataillon auf. Zu diesem Zweck veranstaltet die Blood & Honour und den Hammerskin nahe stehende Organisation eine Art Tombola, den „Yule-Funds 2014“, dessen Einnahmen direkt an die „mutigen Männer“ des Azov gehen. Erster Preis für die Spender: Eine Hakenkreuz-Flagge.

Und Deutschland?

Anders als bei den oben genannten Ländern lässt sich nicht nachweisen, ob deutsche Neonazis in Kampfhandlungen in der Ukraine eingebunden waren oder sind. Viele deutsche Neonazi-Gruppierungen orientieren sich nach wie vor an einer „eurasischen Linie“ und verorten sich deshalb nicht auf der Seite Kiews. „Den Neonazi möchte ich sehen, der sich in den Dienst des Kiewer Putschjudenregimes stellt“, schreibt ein Kommentator auf der rechten Internetplattform Altermedia, nachdem ein anderer Neonazi einen pro-Azow-Artikel veröffentlichte.
Gleichwohl gibt es Zusammenhänge und Einzelpersonen, die zumindest teilweise mit dem Azow-Regiment und der Sozial-Nationalen Versammlung sympathisieren. Ebenfalls auf Altermedia erschien die zitierte Programmschrift der SNA mit der redaktionellen Vorbemerkung: „Keine der anderen bestehenden rechten Organisationen kann ein derart wahrhaft nationalsozialistisches Programm für sich beanspruchen.“ Auch in der Neonazipartei „Der III. Weg“, die mit dem Freien Netz Süd verbunden ist, findet man zumindest Gefallen am „ukrainischen Nationalhelden“ Stepan Bandera und lässt in einem ausführlichen Interview den „Rechten Sektor“ zu Wort kommen. Unterstützung in Form von freiwilligen Kämpfern lässt sich allerdings aus der deutschen Neo­naziszene nicht nachweisen.

In der Mitte der ukrainischen Gesellschaft

Mit Beginn des derzeitigen Waffenstillstandes zwischen den Kiewer und den ostukrainischen Kräften und der offiziellen „Beförderung“ des vormaligen Azow-Bataillons zu einem anerkannten Re­giment durch die uk­ra­inische Regierung hat die SNA einen „Rekrutierungsstop“ für ausländische  Freiwillige verlautbart. „Please contact us later“, heißt es da zwar noch, aber im Moment sei erst mal Schluss. Namhafte Käm­pfer wie Skillt und Fontana sind in ihre Heimatländer und früheren Organisationen zurückgekehrt.

Die ukrainischen Neo­nazis des Azow haben indessen weitgehende Anerkennung in Kiew gefunden. Sie kandidieren auf verschiedenen „bürgerlichen“ Listen, Vadim Trojan, ein Neonazi aus der Organisation „Patriot der Ukraine“ wurde Polizeichef des Gebiets Kiew.

  • 1Ein weiteres Schlaglicht fiel in diesem Zusammenhang am 8. März 2014 in das schwedische Malmö, als der Antifaschist Showan von Neonazis ins Koma geprügelt wurde. Beteiligt war Andreas Carlsson, laut lokaler Antifaschist_innen erst kurz zuvor mit anderen schwedischer Neonazis als Ukraine-Freiwilliger aus der Ukraine nach Schweden zurückgekehrt.