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Insolvenzanwärter unter sich

Björn Resener
Einleitung

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„Der Angriff auf unsere Nationen wurde von Zionisten und Kapitalisten befohlen“, schallt es vom Rednerpult. Sofort strecken sich im Publikum ein paar Arme zum Hitler-Gruß empor. Bis ein Ordner die pawlowschen Hunde zur Raison bringt, haben die anwesenden Presse-Fotografen längst die erhofften Bilder geschossen. Der „Europa erwacht“ Kongress am ersten März 2014 in Rom wurde zum Stelldichein der rechten Trümmertruppen.

Bild: Screenshot von der Homepage huffingtonpost.it/Bildstrecke Gregorio Romeo

Bei den bevorstehenden Europa-Wahlen wollen in Italien gleich zwei offen neofaschistische Parteien antreten. Doch während Casa Pound Italia noch immer damit beschäftigt ist Unterschriften für die Zulassung zur Wahl zu sammeln, schmiedet Forza Nuova (FN) bereits Allianzen mit Gleichgesinnten aus ganz Europa. Am ersten Märzwochenende kam ihr Vorsitzender Roberto Fiore im römischen Pineta Palace Hotel mit führenden Vertretern der griechischen Chrisi Avgi (XA/Goldene Morgenröte/Golden Dawn), der spanischen Democracia Nacional (DN), der British National Party (BNP) und der NPD zusammen.

Seinen Aussagen zu Folge, gehe es bei der Vernetzung der Parteien nicht nur um die anstehenden Europawahlen. Vielmehr sei es wichtig in Europa „eine Herrschaftselite zu formen (...), welche die Banker und Technokraten davon abhält unseren Kontinent zu töten.“ Was hinsichtlich der politischen Irrelevanz von Forza Nuova wenig realistisch erscheint, ist bei ihrem Vorsitzenden seit jeher politisches Programm. Die italienischen FaschistInnen verstehen sich ohnehin als Avantgarde, die das Volk in das postliberale Zeitalter führen will. Und bereits in den 1970’er Jahren gründete der spätere Europa-Abgeordnete mit Terza Posizione eine militant-antikommunistische Organisation, die sich dezidiert antikapitalistisch gab.

Finanzkrisen, Verbotsverfahren...

Doch wegen Verstrickungen in den italienischen Rechtsterrorismus, musste Roberto Fiore seine Herrschaftsansprüche lange Zeit zurückstellen und der Heimat für etliche Jahre den Rücken kehren. Im Londoner Exil knüpfte er Kontakte zur National Front (NF). Mit Nick Griffin, der heute Vorsitzender der BNP ist, verbindet ihn seither eine enge Freundschaft. Und so gehörte der englische Neonazi höchstpersönlich zu den Referenten der Veranstaltung. Seine Partei, die bei den letzten Europa-Wahlen im Vereinten Königreich noch 6,2 Prozent erringen konnte und ihn damit zum Europa-Abgeordneten machte, steht allerdings kurz vor dem finanziellen Ruin. Der erneute Einzug ins Europäische Parlament ist zweifelhaft.

„Ehrengast“ des Vernetzungstreffens war nicht zuletzt deshalb der griechische Abgeordnete Antonios Gregos. Seine Partei kann tatsächlich auf ein paar Sitze in Brüssel hoffen, obwohl auch sie tief in der Krise steckt. Gregos gehört zu den neun verbliebenen parlamentarischen Vertretern der Goldenen Morgenröte, gegen die noch kein Strafverfahren läuft. Nach dem Mord am antifaschistischen Rapper Pavlos Fyssas im Herbst letzten Jahres wurde gegen etliche Mitglieder der Partei ein Verfahren wegen Bildung und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung eröffnet. Deshalb sitzen bereits sechs Abgeordnete der Goldenen Morgenröte hinter Gittern, gegen drei weitere Parlamentarier laufen Ermittlungen. Wenige Tage vor dem Kongress in Rom wies ein Athener Gericht ein Immunitätsaufhebungsverfahren gegen Antonios Gregos an. Es scheint nur eine Frage der Zeit, bis auch er sich strafrechtlich für die gewalttätige Praxis seiner Partei verantworten muss.

...und rechte Konkurrenz

Mit NPD-Parteivorstandsmitglied Jens Pühse war ebenfalls ein Redner aus Deutschland zugegen. Auch seine Partei wird durch ein Verbotsverfahren, eine Führungs- und eine andauernde Finanzkrise geschwächt. Im Gegensatz zu ihren Schwesterparteien in Italien, England und Spanien kann sie wegen der vom Bundesverfassungsgericht gekippten Drei-Prozent-Hürde immernoch hoffen einen Sitz im Europaparlament zu bekommen. Doch mit der Alternative für Deutschland (AfD) hat die NPD inzwischen eine deutlich populärere Konkurrenz um die Gunst der euroskeptischen und rechten WählerInnen.

Ähnlich geht es der BNP mit der United Kingdom Independence Party (UKIP) oder den italienischen Neofaschisten mit der Lega Nord und den Fratelli d’Italia – Alleanza Nazionale. Vor diesem Hintergrund scheinen sich die Oldschool-RassistInnen deutlich rechts der rechtspopulistischen Parteien positionieren zu wollen. Zumindest gaben sich die Referenten in Rom wirklich Mühe ihre traditionellen Feindbilder möglichst unverblümt zu beschwören. Neben den „Technokraten“ aus Brüssel wurden deshalb auch wieder ImmigrantInnen, „Zionisten“ und Homosexuelle zum Ziel der rhetorischen Angriffe.

Es ist unwahrscheinlich, dass der offen neonazistische Kurs viele WählerInnen überzeugen wird. Die zunehmende Vernetzung der rechten FanatikerInnen birgt dennoch Gefahren. Das belegen nicht zuletzt die Wehrsportübungen deutscher Neonazis im Ausland und die grenzüberschreitende Waffenschieberei im NSU-Umfeld.