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Homophobie im Rechtspopulismus

Yves Müller
Einleitung

»Und dieser schwule Iditot [sic!] Volker Beck soll mir bloß aus dem Weg gehen«, twitterte mutmaßlich Pro Köln-Chef Markus Beisicht, nachdem ein Aufmarsch seiner Partei im November 2011 von Gegendemonstrant_innen blockiert wurde.

Bild: Website von Pro Köln, Screenshot vom 11.09.13.

Transparent von Pro Köln am Rande des CSD am 7. Juli 2013.

Homophobie ist ein zentraler Bestandteil rechtspopulistischer Ideologie. Grundsätzlich positionieren sich rechtspopulistische Parteien in ihren offiziellen Programmatiken konservativ, berufen sich auf eine christliche Wertemoral und propagieren ein heteronormatives Geschlechter- und Familienmodell. Für die Alternative für Deutschland (AfD) ist die Familie die »Keimzelle der Gesellschaft«. Homophobie wird zwar selten offen geäußert, ist aber im heteronormativen Grundgerüst enthalten. Rechtspopulistische Parteien, die sich gegen Gender Mainstreaming oder die Legalisierung von Abtreibungen wenden, sind auch immer homophob. Es scheint, als vermuten sie hinter der Homosexualität eine Art »Verschwörung«, die das »Wir« – »Volk«, »Familie«, »Gemeinschaft« – zerstören soll. Und hier wird klar: Man fürchtet die »zersetzenden« Auswirkungen der Emanzipation von Schwulen und Lesben. Anlässlich des Welt-AIDS-Tages 2008 mutmaßte der fundamentalistische Pro Köln-Arbeitskreis »Christen pro Köln« über den »möglichen Zusammenhang« einer hohen Infektionsrate in der Domstadt mit der angeblich ausufernden Förderung von Homosexuellen. Über den Topos »Krankheit« wird eine physische »Bedrohung« suggeriert, die gerade daher rührt, dass Homosexualität eben nicht physisch wahrnehmbar ist – und gerade so hegemoniale Männlichkeit infrage stellt. Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall: Durch die Markierung des Homosexuellen wird die eigene hete­rosexuelle Männlichkeit konstruiert.

Die rechtspopulistische Männlichkeitskonstruktion spricht den »kleinen Mann« an und gibt ihm das Gefühl, einer Anti-Political-Correctness-Elite anzugehören. Folglich weckt die Performance rechts­populistischer Män­ner Assoziationen und möchte Glauben machen: wir hätten es mit einem einfachen Bürger zu tun – »wie du und ich« –, der »jetzt endlich mal« ausspricht, was sowieso alle denken würden.

Und trotzdem versuchen sich rechtspopulistische Kräfte immer wieder als Sprachrohr von Schwulen und Lesben in Szene zu setzen. Im Dienste des antimuslimischen Rassismus werden Homosexuelle zu bloßen Opfern migrantischer Jugendlicher degradiert. Auch die inzwischen kaum mehr wahrnehmbare Partei »Die Freiheit« hatte sich dem Kampf gegen Homophobie verschrieben. Schwule und Lesben würden Opfer »aufgehetzter Muslime«. Der »Islam« wird als Ursache von Homophobie unter Menschen mit sog. türkischem oder arabischem »Migrationshintergrund« ausgemacht. Diese Exklusion von Homophobie auf den »Anderen« ist rassistisch und homophob zugleich, wird doch der Normalzustand einer homophoben und sexistischen Gesellschaft auf ganz bestimmte ethnisch und religiös definierte Gruppen ausgelagert. Über die Folie des eigenen Kampfes gegen Homophobie kann sich der Rechtspopulismus als Verteidiger »westlicher Werte«, von Aufklärung und Emanzipation darstellen und »die Muslime« als homosexuellenfeindlich markieren.

Da wundert es nicht, dass mit Michael Gabel ein Vertreter von Pro Köln, in der Stadtarbeitsgemeinschaft »Lesben, Schwule und Transgender« sitzt und in dieser Funktion für den rechtspopulistischen »Marsch für die Freiheit« vom Mai 2011 warb. In diesem Jahr versuchte Gabel einen eigenen Wagen für den CSD anzumelden. Der Versuch scheiterte am öffentlichen Aufruhr und der Umzug durch die Rheinmetropole am 7. Juli 2013 fand ohne die Rechtspopulist_innen statt. Auch die AfD hat Schwule und Lesben als potentielle Wähler_innen entdeckt. Sie ist nach eigener Aussage auf »dem schwul-lesbischen Motzstraßenfest in Berlin […] sehr positiv aufgenommen worden.« Bei den Europawahlen im kommenden Jahr möchte die Demokratische Schwul/Lesbische Partei (DSLP) antreten, deren Vorsitzender Thomas Mosmann zuvor mit der NPD sympathisiert haben soll. Während Gleichstellungsforderungen im, inzwischen von der Homepage entfernten Parteiprogramm kaum eine Rolle spielten, waren genuin rechtspopulistische Themen, wie die Begrenzung von Moscheebauten oder die Bekämpfung von »Parallelgesellschaften« vertreten.

Der Blick nach Österreich (Jörg Haider) und in die Niederlande (Pim Fortuyn) zeigt, dass die Homosexualität von Funktionsträgern in rechtspopulistischen Formationen durchaus geduldet wird, solange die betreffende Person keine explizite »Homo-Politik« betreibt und nicht zuletzt die Anforderungen einer charismatischen Führungsfigur erfüllt. Auch Haider hat die antihomosexuelle Politik der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) stets mitgetragen. Und trotzdem: Steht Homosexualität im Neonazismus tendenziell immer im Ruf, die »Volksgemeinschaft« zu zerstören, kann ein sich auf »westliche Werte« und Gleichberechtigung berufender Rechtspopulismus auch Homosexuelle integrieren. Dezidiert rechtslibertären und auf städtische Milieus ausgerichteten rechtspopulistischen Parteien fällt dies augenscheinlich leichter, als wertkonservativen Strömungen. Kurz gesagt: Die Positionierung zum Thema Homosexualität hängt auch davon ab, ob Begriffe wie »Freiheit« und »Aufklärung« oder eben »Familie« und »Heimat« zentral sind.

Das Verhältnis des Rechtspopulismus zu Homosexualität bleibt widersprüchlich. Homosexuelle werden immer wieder instrumentalisiert, um gegen »den Islam« und »die Muslime« zu hetzen. Auch wenn sich manche weiße Schwule bestätigt fühlen könnten, darf die Instrumentalisierung von Schwulen und Lesben als passive Opfer nicht mit Emanzipation verwechselt werden. Die neu entdeckte Homosexuellenfreundlichkeit der Rechtspopulist_innen ist keine.

Der Artikel ist eine gekürzte und aktuali­sierte Version des Aufsatzes Männliche Homosexualität und Homophobie im deutschen und österreichischen Rechtspopulismus, in: Forschungsgruppe Europäische Integration (Hrsg.): Rechtspopulismus in der Europäischen Union, Hamburg 2012, S. 79–97.