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Heimattreue Deutsche Jugend. Zwischen Verbot und Kontinuität

Einleitung

Die Zeit, in der die Heimattreue Deutsche Jugend (HDJ) ihre neonazistische Kinder und Jugendarbeit fernab der Öffentlichkeit durchführen konnte ist endgültig vorbei. Waren es anfangs antifaschistische Gruppen oder JournalistInnen die über die Arbeit der HDJ aufklärten, zeigen nun auch Behörden zunehmend Interesse an dieser neonazistischen Vereinigung.

Foto: recherche-nord.com

Kinder und Jugend in Uniform: Lager der HDJ.

In der Berichterstattung über die politische Arbeit der HDJ seit dem Sommer des letzten Jahres wurden die zahlreichen Parallelen zur 1994 verbotenen Wiking Jugend (WJ) thematisiert. Aber auch die vielseitigen Verbindungen und Überschneidungen zur NPD und dem Kameradschaftsspektrum sowie die völkische Ausrichtung der Kinder und Jugendarbeit wurden bekannt gemacht. Seit Dezember 2007 liegt nun auch eine umfassende Broschüre zur neonazistischen Kindererziehung und den Strukturen der Heimattreuen Deutschen Jugend vor.

Das Spiel mit dem Verbot

Wurde von antifaschistischer Seite oft der Umgang staatlicher Behörden mit der HDJ kritisiert, der sich lange Zeit auf Verharmlosen bzw. Ignorieren beschränkte, wird staatlicherseits nun auch die Möglichkeit eines Verbots ins Spiel gebracht, sei es wegen des Charakters als Nachfolgeorganisation der verbotenen WJ oder aufgrund der neonazistischen und paramilitärischen Ausrichtung der Kinder und Jugendarbeit des Verbands. Die Reaktionen der HDJ auf die kritische Berichterstattung beschränken sich zumindest öffentlich wahrnehmbar auf Diffamierung von kritischen JournalistInnen bzw. AntifaschistInnen bis hin zu tätlichen Angriffen.

Von einer organisatorischen und strukturellen Vorbereitung auf ein Verbot ist bei den teilweise verbotserfahrenen Mitgliedern der HDJ auszugehen. So erklärte die HDJ-Bundesführung HDJ im Sommer 2007 seine Familienkreise für aufgelöst. Diese bestanden als Struktur aus älteren Mitgliedern bzw. Eltern vor allem zur Unterstützung der verschiedenen regionalen Einheiten von Jungmitgliedern. Als Gründe für die Auflösung wurden der »unverhältnismäßige(n) Einsatz von Schnüffeltrupps der Polizei« bei diversen Lagern sowie die zahlreichen »Lügenberichte« der Presse angegeben. Aufgrund dessen könnten die Familienkreise ihre »Arbeit mit Kleinstkindern im Stillalter« nicht mehr leisten. Im »Funkenflug«, der Vierteljahresschrift der HDJ, ist das Verbotsthema stets präsent. In der Regel wird sich damit auf ironische Weise auseinandergesetzt, zum Beispiel mit einem »HDJ-Verbots-Gewinnspiel« oder einer »Abhakliste für den Verfassungsschutz«.

Kinder und Jugend in Uniform

Während eines gemeinschaftlichen Ausflugs von neun Mitgliedern der Einheit Preußen am 6. Juni 2007, marschierten diese durch die brandenburgische Kleinstadt Oranienburg nördlich von Berlin. Aufgrund des Tragens einer gemeinschaftlichen Uniformierung wurden ihre Personalien von der Polizei aufgenommen. Am 12. September folgten insgesamt zehn Hausdurchsuchungen in Berlin, Brandenburg und Sachsen bei den Uniformträgern. Die Überschneidungen von HDJ- und NPD-Strukturen wurden auch in diesem Fall wieder deutlich. Zwei Anhänger der HDJ aus Oranienburg waren bei der Gründung des örtlichen JN-Stützpunktes anwesend und aufgrund der Durchsuchung kam es zu einer Solidaritätsaktion, an der sich etwa 85 Neonazis beteiligten.

Als Reaktion auf diese polizeilichen Maßnahmen wegen des Tragens der HDJ-Uniform in der Öffentlichkeit versuchte die Bundesführung um Sebastian Räbiger eine Ausnahmegenehmigung zu erwirken. Jugendgruppen oder -verbände wie zum Beispiel Pfadfinder verfügen über eine solche und können auch in der Öffentlichkeit mit ihrer verbandstypischen Kleidung auftreten. Doch das zuständige Bundesinnenministerium lehnte dies im Falle der Heimattreuen Deutschen Jugend mit der Begründung ab, dass »die politische gegenüber der jugendpflegerischen Betätigung« der HDJ überwiege. Damit ist es der HDJ untersagt in ihrer Uniform in der Öffentlichkeit aufzutreten, die Durchsetzung dieser Entscheidung bleibt allerdings Landessache.

Weiterhin ist gegen den HDJ-Bundesführer Räbiger ein Strafverfahren anhängig. Eine zentrale Veranstaltung der HDJ ist der maßgeblich von ihr organisierte jährliche Märkische Kulturtag in Brandenburg. Am Rande des 6. Kulturtages im Jahre 2006 kam es zu einem Angriff von mehreren Mitgliedern der HDJ gegen JournalistInnen, die in der Vergangenheit schon mehrmals über deren Aktivitäten berichtet bzw. diese dokumentiert hatten. Räbiger befand sich persönlich unter den Angreifern. Der Prozess zu diesem Beispiel des Umgangs der HDJ mit dem »politischen Gegner« steht noch aus.

Organisatorische Festigung

Obwohl der Märkische Kulturtag im letzten Jahr scheinbar zum ersten Mal nicht stattfand, führt die HDJ weiterhin ihre sonstigen zahlreichen Veranstaltungen durch und baut ihre regionalen Strukturen aus. Für den April 2007 wurde die Gründung einer Einheit Sachsen – Niederschlesien vermeldet und im Sommer folgte die Einheitsgründung für Thüringen. Für das letzte Winterlager der HDJ zur Jahreswende verschwieg man lieber den Namen HDJ und meldete sich diesmal als namenlose »Familien- und Jugendgruppe« konspirativ an. Insgesamt fanden 114 Kinder, Jugendliche und Betreuer den Weg zum »Turner- und Jugendheim« in St. Goarshausen in Rheinland-Pfalz. Doch spätestens vor Ort hörte man mit dem Versteckspiel auf und führte das Lager nach den üblichem Muster durch. Uniform tragen war genauso üblich wie der strenge Tagesablauf innerhalb des Lagerlebens. Die überraschten Mitarbeiter der Einrichtung bezeichneten das Lager als »sehr paramilitärisch«.

Ein genaueres Bild über den Ablauf eines HDJ-Lager vermittelt der neue Werbefilm, dem die HDJ seit Januar zu Werbezwecke im Internet präsentiert. Gezeigt werden Aktivitäten im Rahmen des Winterlagers 2006/2007 in der fränkischen Burg Hohenberg. Eine Wache schützt das Zusammentreffen vor unliebsamem Besuch, während auf dem Gelände unter der HDJ-Fahne in Reih und Glied zum Appell angetreten wird. Der Fanfarenzug der HDJ tritt zum Spiel an, und das ganze Lager zum gemeinsamen Tanz- und Singespiel. Alle Aktivitäten der Kinder und Jugendlichen finden in der HDJ-Kluft und unter der HDJ-Verbandsfahne statt.

Wider jede Kritik

Die konspirative Organisierung der Veranstaltungen der HDJ ist ein Versuch die kritische Öffentlichkeit bzw. die Behörden auf Distanz zu halten. Durch die umfangreiche Thematisierung eines möglichen Verbots der HDJ in der Öffentlichkeit ist dieses staatliche Mittel zur Bekämpfung zunehmend wirkungslos geworden. Die HDJ hat sich mit der Problematik Vereinsverbot auseinandergesetzt und (wohl) Vorbereitungen getroffen. Die personellen und strukturellen Anbindungen an das Spektrum von NPD und Kameradschaften als potentielle Neumitglieder und Bündnispartner wird derweil weiter ausgebaut. Ein nächster Termin dafür soll der alljährliche Tollense-Marsch, ein Leistungsmarsch um den gleichnamigen See bei Neubrandenburg Anfang März 2008 sein. Der Veranstalter des Marsches im letzten Jahr war David Petereit, Mitarbeiter der Schweriner NPD-Fraktion und mutmaßliches HDJ-Mitglied.1 Für das erfolgreiche Bestehen des 40 Kilometer langen Marsches erhalten die teilnehmenden Neonazis jeweils ein Leistungsabzeichen.


In der Zwischenzeit, eher unbeeindruckt von der kritischen Öffentlichkeit, wird von der HDJ weiterhin selbstbewusst neonazistische Arbeit mit Jugendlichen und Kindern betrieben. Mit Lagerfeuerromantik und Spiel werden den Heranwachsenden nicht nur Gehorsam, Gefolgschaft und Unterordnung beigebracht, sondern sie werden auch in das neonazistische Spektrum integriert.

  • 1Einladung »Allen Wettern zum Trotz... 5. Tollensemarsch am 1.03.2008«.