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Hans Gasparitsch - Widerstands­kämpfer und ehemaliger Häftling der Konzentrationslager Dachau und Buchenwald

Christoph Leclaire Ulrich Schneider

Das Erinnern und Gedenken wird oft dann konkret, wenn man sich aus biografischer Perspektive der Geschichte des Nationalsozialismus und des Widerstands gegen ihn widmet. Die vorliegende Broschüre ist dem Widerstandskämpfer Hans Gasparitsch gewidmet, der im März 2018 100 Jahre alt geworden wäre. Allerdings geht es den Autor_innen der Broschüre um mehr. Denn insbesondere aus Widerstandsbiografien lasse sich deutlich machen, dass es auch unter schwersten Bedingungen wie einer Diktatur antifaschistische Visionen einer „gesellschaftliche(n) Alternative für eine demokratische und sozial gerechte Entwicklung“ gab, wie Ulrich Schneider im Vorwort betont. Hans Gasparitsch hat sich Zeit seines Lebens diesem Thema gewidmet. 1935 wurde er mit 16 Jahren verhaftet, da er mit Gleichgesinnten auf Flugblättern gegen das NS-Regime protestierte. Erst mit der Befreiung zehn Jahre später hatte seine Haftzeit in verschiedenen Gefängnissen und Konzentrationslagern ein Ende. Nach dem Krieg gehörte er zu den Gründern der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) und setzte sich für den Aufbau eines Dokumentationszentrums „Oberer Kuhberg“ ein, dessen Vorsitzender er später wurde. Das KZ Kuhberg war bis 1935 eine der frühen Haftstätten in Baden-Württemberg, wo auch Hans Gasparitsch inhaftiert war.

Die Broschüre vereint ein längeres Zeitzeugengespräch mit Hans Gasparitsch, das bereits 1996 geführt wurde, zwei Erinnerungstexte an ihn und schließlich Artikel aus der Feder von Hans Gasparitsch selbst, die zwischen 1946 und 1997 entstanden sind. Darin spiegeln sich bis heute aktuelle Kontroversen hinsichtlich der Erinnerung an den Nationalsozialismus wider. Schon im Vorwort heißt es, der antifaschis­tische Widerstand werde im „herrschenden Geschichtsbetrieb“ ausgeblendet, da insbesondere die Gedenkstättenpädagogik „die ‚Opfer-Perspektive‘ zum Leitmotiv der Beschäftigung erhoben“ habe. Kritisiert wird „das Postulat“, es sei die „ganze Bandbreite der Opfergruppen in den Blick (zu) nehmen, so dass politische Gegner faktisch zu einer „Randgruppe“ werden.“ Dankenswerterweise konzentriert sich die Broschüre im Folgenden nicht darauf, diese Stoßrichtung weiter auszubreiten. Die Erinnerung an die kommunistischen Opfer des Nationalsozialismus und die antifaschistischen Widerstandskämpfer_innen sollte nicht gegen den Ansatz einer multiperspektivischen Erinnerung ausgespielt werden. Auch im AIB wurden bereits Texte publiziert, die den Fokus auf lange Zeit vergessene Opfergruppen gelegt haben. Diese Auseinandersetzung um Deutungshoheit über die Erinnerung zwischen Vertretern einer (nicht dezidiert antifaschistischen) Geschichtswissenschaft auf der einen und überlebenden Antifaschist_innen, die sich seit Jahrzehnten für die explizit politische Erinnerung einsetzen auf der anderen Seite, spiegeln sich auch in einzelnen Texten von Hans Gasparitsch wider.

Dreh- und Angelpunkt sind in diesem Fall die unterschiedlichen Perspektiven auf die Rolle kommunistischer Gefangener im KZ Buchenwald, wo Hans Gasparitsch ab dem Juli 1944 selbst inhaftiert war. Hier ist sicherlich auch der besondere Wert der Broschüre zu sehen, denn es wird mehr als deutlich, dass die Erinnerungen (und vielfach auch wissenschaftlichen Auseinandersetzungen) der Überlebenden als geschichtswissenschaft­liches Korrektiv fungieren. Mit dem Verschwinden der letzten Zeitzeug_innengeneration dieser Tage werden diese Stimmen fehlen, und es ist der Verdienst von Broschüren wie dieser, diese Perspektiven auch weiterhin zugänglich zu machen.

Christoph Leclaire, Ulrich Schneider
Hans Gasparitsch - Widerstands­kämpfer und ehemaliger Häftling
der Konzentrationslager Dachau und Buchenwald
Dokumentation zum 100. Geburtstag, herausgegeben von der Lagergemeinschaft Buchenwald-Dora / Freundeskreis e.V.