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Grenzfall

Merle Kröger

Merle Kröger gewann für ihren Kriminalroman Grenzfall den Deutschen Krimi Preis 2013. Hoch gelobt wurde ihr Versuch, die deutsche Realität der Nachwendezeit in einem Kriminalroman aufzubereiten.

Ausgangspunkt des Romans ist der Mord an zwei rumänischen Staatsbürgern, welche bei der illegalen Überquerung der polnisch-deutschen Grenze 1992 von Jägern erschossen werden. Diese Ereignisse wurden erst vor wenigen Jahren durch den Dokumentarfilmer Philip Scheffner (Revision 2012/106 min.) recherchiert.

Kröger arbeitete an diesem Film mit und greift in klarer Anlehnung daran die Geschehnisse und die rassistische Mobstimmung der frühen 1990er Jahren auf. Sie folgt den Spuren der Täter und Opfer und setzt den Erzählstrang mittels fiktiver Handlungen und Charaktere ins Jahr 2012 fort: Die Tochter eines der Männer beginnt 20 Jahre nach der Tat auf eigene Faust nach den Mördern ihres Vaters zu suchen und gerät dabei in eine missliche Lage. Die Anwaltsgehilfin Mattie Junghans nimmt sich des Falls an und zeigt anhand der Geschichte der Familien der getöteten Männer, die heutigen Lebensrealitäten von Rom_nija in Rumänien und Deutschland auf.

Die Handlung erscheint vielversprechend, und allein der Umstand der Fiktionalität des Handlungsstrangs lässt sich schwer zu Krögers Ungunsten auslegen. Die Art und Weise der Darstellung sowohl der Charaktere als auch der Handlungsverknüpfungen sprengt allerdings die Grenzen des Lesbaren. Völlig verquer laufende, schlichtweg unrealistische Ereignisse und Entwicklungen überschlagen sich. Die Handlung ist angesiedelt zwischen der Welt der müllverdreckten Roma-Ghettos in Rumänien und der, der Shaolinbewegten-Jogitee-trinkenden Kollektivanwaltskanzlei in Kreuzberg. Der Versuch Stereotype aufzubrechen mündet letzt­endlich in der gutmenschelnden Umkehrung von negativem in positiven Rassismus. Gemischt mit einer verwirrenden Anzahl an Charakteren, die idealtypischen Charaktermasken ohne Eigenschaften gleichen, wird das Lesen zur Qual.

Merle Kröger:
Grenzfall
Argument Verlag, Hamburg 2012
347 Seiten