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Gegen Klan und Neonazis

Leonard Zeskind, Kansas City
Einleitung

Lange Zeit waren das »National Anti-Klan Network« (NAKN) und das »Center for Democratic Renewal« (Zentrum für demokratische Erneuerung, CDR) in Atlanta die wohl wichtigsten Antifa-Organisationen in den USA. Dort arbeiteten Schwarze, Weiße und andere gemeinsam gegen Rassisten und Neonazis. Nun hat sich das Zentrum aufgelöst. Ein Ehemaliger erinnert sich.

Bild: en.wikipedia.org; Emmanuel d'Aubignosc/CC BY-SA 3.0

Der NPD-Bundesvorsitzender Udo Voigt (links) bei einem Treffen mit David Duke im Sommer 2002 in Sachsen.

Das NAKN wurde im August 1979 gegründet. Drei Monate zuvor hatten bewaffnete Mitglieder des Ku-Klux-Klan in Decatur (Alabama) eine Bürgerrechts-Demonstration angegriffen. Die Lage eskalierte im November, als Klan-Leute und Neonazis in Greensboro (North Carolina) auf eine Demonstration der Communist Workers Party schossen und dabei fünf Demonstranten töteten. Am 1. Februar 1980 mobilisierte das NAKN mehrere Tausend Menschen zu einer Demonstration in Greensboro gegen das Wiederaufflammen von rassistischer Gewalt.

Das NAKN war nicht die einzige derartige Initiative. Das Southern Poverty Law Center startete damals sein eigenes »Klanwatch«-Projekt. Nach der Wahl Ronald Reagans zum US-Präsidenten im November 1980 begann die Organisation »People for the American Way« eine Medienkampagne gegen die religiöse Rechte. (...) Andere kleinere Gruppen und Kollektive lösten sich bald wieder auf.

Zusammen mit dem Center for Constitutional Rights (Zentrum für Verfassungsrechte) in New York City strengten wir eine Zivilklage gegen drei Klan-Männer an, die auf fünf schwarze Passantinnen in Chattanooga (Tennessee) geschossen hatten. Eine Jury sprach den Frauen ein Schmerzensgeld von 535.000 Dollar zu. Im Namen von acht Opfern verklagten wir 1983 das US-Innenministerium, weil es sich weigerte, rassistische Gewaltverbrechen zu verfolgen. In diesem Fall kam es zwar nie zur Gerichtsverhandlung, aber unsere Klage bleibt mir als wichtiger Meilenstein in Erinnerung.

Wir deckten auf, dass der Ku-Klux-Klan im bergigen Nordwesten von Georgia eine »Arbeitergewerkschaft« organisiert hatte. Daraufhin half das NAKN, statt dessen eine multi-ethnische Gewerkschaft aufzubauen. Mitte der 1980er Jahre begann die rechtsradikale Terrorgruppe »The Order« ihren Krieg gegen die angebliche »Zionistische Besatzungsregierung« in Washington, überfiel Geldtransporter und tötete Menschen. Damals lernten wir, wie man systematisch Informationen sammelt, auswertet und für die Medien aufbereitet. Auch in North Carolina entwickelte das NAKN ein Rechercheprojekt. Weil die Mörder der Greensboro-Demonstranten von 1979 nie verurteilt wurden, kam es dort zu einem starken Anwachsen rassistischer Gewalt. Das NAKN dokumentierte dies und wurde dagegen aktiv. Daraus entwickelte sich eine eigene anti-rassistische Organisation.

1984 begann ein Teil der NAKN-Führung mit einem strategischen Neuorientierung. Unsere bisherige Bündnisstruktur war nicht mehr zeitgemäß. Wir analysierten unsere Stärken und Schwächen, unsere Verbündeten, unsere Geldquellen und die politischen Rahmenbedingungen – also die rechtsradikale Bewegung, die Reagan-Regierung, die christlich-fundamentalistische Rechte und die anti-rassistische Seite der Medaille. Wir begriffen, dass der Klan sich gewandelt hatte seit jener Zeit, als er die alte Rassentrennung in den Südstaaten verteidigt hatte. Nun traten die Rechtsradikalen rebellisch auf, sogar »revolutionär«. Für diejenigen von uns, die ihr ganzes erwachsenes Leben »das System« ändern wollten, begann eine schmerzhafte Diskussion über eine Verteidigung der Bürgerrechte. 1985 benannte sich das NAKN in »Zentrum für demokratische Erneuerung und Erziehung« (CDR) um, um diese breitere Perspektive auszudrücken.

Wir arbeiteten auch mit Bauern-Organisationen wie Prairiefire Rural Action in Iowa zusammen. Denn während der damaligen Farmkrise tauchten in den ländlichen Gegenden verstärkt rassistische und antisemitische Gruppen auf. Von 1985 bis 1987 kamen etwa 2000 Farm-AktivistInnen zu unseren Workshops und lernten, wie man die radikale Rechte stoppen kann. Im Nordwesten arbeiteten wir eng mit örtlichen Initiativen und Bündnissen zusammen. In dieser Region wollten weiße Rassisten eine »Arische Republik« aufbauen. Diese Pläne deckten wir als erste auf. Auch über das Auftauchen von »White Power Skinheads« berichteten wir als erste, ebenso wie über die Präsidentschaftskandidatur des Ku-Klux-Klan-Führers David Duke 1988. Und wir setzten uns erfolgreich dafür ein, dass nun auch Angriffe gegen Homosexuelle rechtlich als »Hassverbrechen« gewertet wurden.

In unserer unmittelbaren Umgebung im US-Südosten beobachteten wir systematisch die fast wöchentlich stattfindenden Klan-Aufmärsche. Im Januar 1987 griff ein 400-köpfiger Mob unter Führung von zwei Klan-Gruppen in Nord-Georgia eine kleine antirassistische Demonstration an und stoppte sie. Am folgenden Wochenende strömten 20.000 BürgerrechtlerInnen in diesen Landkreis, um »den Marsch zu vollenden«. Dieses kurze Signal antirassistischer Kraft konnte allerdings nicht verhindern, dass danach in der Region weiße rassistische Aktivitäten zunahmen. Doch das CDR konnte langsam die leise moralische Opposition gegen Rassismus in Nord-Georgia aufpäppeln.

In dem Zeitalter vor dem Internet und Wikipedia erhielt das CDR viele Anfragen von SchülerInnen und Studierenden, die Material für ihre Hausarbeiten brauchten. Unsere Angestellten entwickelten Informationspakete über den Ku-Klux-Klan, rassistische Skinheads oder arische Terrorgruppen. Wir erstellten Hintergrundmaterialien, einen regelmäßigen Rundbrief und Praxis-Handbücher, die von der Frauenabteilung der Methodistischen Kirche, von der Automobil-Gewerkschaft und von örtlichen Aktionsgruppen im ganzen Land verwendet wurden. Gelegentlich bekamen wir auch Anrufe von frustrierten Klan- oder Arier-Typen, die Hilfe zum Ausstieg suchten. Wenn wir sicher waren, dass sie es ehrlich meinten, halfen wir ihnen auch.

Ein Anruf aus der Kleinstadt Blakely in Südost-Georgia löste im Jahr 1990 eine Reihe von Ereignissen aus, die keiner der Beteiligten jemals vergessen wird. Bei der örtlichen Feuerwehr waren dort drei Klanmänner aktiv – einschließlich des Kommandanten. Die Kleinstadt schien wie ein Relikt aus der Zeit vor der Bürgerrechtsbewegung: Schwarze konnten sich nicht richtig an Wahlen beteiligen, und die Stadtverwaltung kümmerte sich nicht darum, dass in den schwarzen Vierteln immer wieder Häuser niederbrannten. Bei zwei dieser Brände kamen kleine Kinder ums Leben. Das CDR strengte einen Bürgerrechts-Prozess an, mit dem Ergebnis, dass die drei Klanmänner aus der Feuerwehr austraten. Und ein Wahlrechts-Verfahren führte dazu, dass erstmals in der Geschichte der Stadt auch Schwarze in den Stadtrat gewählt wurden.

Das Beispiel Blakely zeigte das politische Dilemma, in dem wir uns Anfang der 1990er Jahre befanden. Nach dem Ende des Kalten Krieges änderte sich erneut die Stoßrichtung der weißen rassistischen Bewegung. Während wir in der rückständigsten rassistischen Provinz arbeiteten, organisierten Leute wie David Duke und der Republikaner Pat Buchanan im Zentrum des parlamentarischen Universums einen neuen weißen Nationalismus. Angesichts unserer geringen Größe konnten wir nicht beide Seiten des selben Problems gleichzeitig bekämpfen. Die AktivistInnen des CDR wechselten, und die Arbeit verlor ihre Perspektive. Nun, da die Türen endgültig geschlossen sind, sollten wir uns an all die gute Arbeit erinnern, die so viele Leute so lange Zeit geleistet haben.

Leonard Zeskind war im Vorstand des NAKN und arbeitete von 1985 bis 1994 als Recherche-Koordinator des CDR. Im Frühjahr 2009 erscheint sein Buch »Blood and Politics: The History of the White Nationalist Movement from the Margins to the Mainstream« (Blut und Politik: Die Geschichte der weißen nationalistischen Bewegung von den Rändern in die Mitte). Unter www.leonardzeskind.com analysiert er alle zwei Wochen aktuelle Entwicklungen in der rechtsradikalen Szene der USA.