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Gegen alle Männerbünde!

vom „Bündnis gegen Burschentage“ (Gastbeitrag)
Einleitung

Die Einbeziehung feministischer Analysen und Praxis in antifaschistische Politik wird spätestens seit dem Erscheinen des Buches „Fantifa: Feministische Perspektiven antifaschistischer Politik“ wieder vermehrt diskutiert. Seit vier Jahren nimmt das „Bündnis gegen Burschentage“ den Burschentag der Deutschen Burschenschaft (DB) in Eisenach zum Anlass, nicht nur Kritik am derzeit umstrittensten Verbinder-Dachverband auf die Straße zu tragen, sondern auch um zu zeigen, dass antifaschistische Politik einer feministischen Perspektive und Praxis bedarf. 

Foto: daklebtwas/CC BY NC 2.0

Wie in jedem Jahr seit der Wiedervereinigung findet auch 2014 der Burschentag der DB am Wochenende nach Pfingsten in Eisenach statt.1 Nach der großen Debatte um den „Arierparagraphen“ wird diesem Event vermehrte mediale Aufmerksamkeit geschenkt. Die Kritik bürgerlicher Medien, aber auch vieler antifaschistischer Akteur_innen, beschränkt sich, wenn überhaupt, auf das Aufzeigen von personellen Verbindungen zwischen den Burschen und neonazistischen Strukturen sowie den verbandsinternen Streitereien zwischen dem völkischen Flügel der Burschenschaftlichen Gemeinschaft (BG) und der gemäßigten „liberalen“ Initiative Burschenschaftliche Zukunft (IZB)2 . Zu belegen, dass Burschen völkisch, rechts oder auch neonazistisch sind und damit ihre Brückenfunktion zwischen extremer Rechter und Konservatismus zu verdeutlichen, ist richtig und wichtig, finden sie hier doch Netzwerke, Mittel und Wege für ihre Politik. Insbesondere die DB kann nach ihrem „Selbstreinigungsprozess“ der letzten Jahre, in dem der Großteil der nationalkonservativen Bünde ausgetreten und die offen völkischen und faschistischen verblieben sind, sehr gut in die rechte Ecke gestellt werden. Doch die Kritik an Verbindern allgemein und Burschen im Besonderen kann sich nicht nur auf den Neonazismusbeleg beschränken, da man nur einen Teil der Verbinder damit wirklich trifft und die gesamtgesellschaftliche Bedeutung dieser besonderen Art männlicher Seilschaften — der Männerbund — nicht erfasst wird. Für eine umfassende Kritik bedarf es einer differenzierten Analyse des politischen Spektrums und vor allem eins — einer feministischen Perspektive.

Burschenschaft, Nation und Patriarchat

Die Rituale, Werte und das Auftreten der Verbinder wirken seltsam bis komisch und nicht mehr zeitgemäß. Ihre gesellschaftliche Bedeutung in der heutigen Zeit darf — außerhalb von den beschaulichen Unistädten — zu Recht bezweifelt werden. Und dennoch lassen sich an ihnen mal mehr und mal weniger überzeichnet die Kennzeichen der patriarchalen Normalität ablesen — sie sind eine Zuspitzung dessen, worauf die bürgerliche Gesellschaft auch heute noch im Kern ideologisch und historisch fußt. Auch wenn sich gesamtgesellschaftlich die Rollenvorstellungen und Lebensentwürfe aufgrund emanzipatorischer Bewegungen und veränderter kapitalistischer Produktionsverhältnisse stark vervielfältigt haben, bleiben die Kernelemente der patriarchalen Gesellschaft in der Organisation der Burschenschaften erhalten. Seit der Gründung der Urburschenschaft in Jena 1815 haben sich die Burschenschaften als reine Männerbünde organisiert. Es geht dabei nicht nur um den generellen Ausschluss von Frauen, sondern weitergehend um die Voraussetzungen und Konsequenzen dieser Organisationspraxis. Männer kontrollieren die öffentliche Sphäre, während Frauen die Verantwortung über die private Sphäre, die Familie und die Reproduktion, inne haben. Innerhalb der öffentlichen Sphäre organisieren sich die Männer untereinander im Männerbund. Die männliche Freundschaft, die von den Burschenschaftern so oft beschworen und im Lebensbundprinzip verstetigt wird, ist dabei nationalistisch ausgerichtet und stets darauf bedacht, den Vorwurf der Homosexualität auszumerzen. Die Emotionen, die in der rein männlichen Gemeinschaft entstehen, werden auf „Volk und Vaterland“ projiziert. Das Leitbild der Männlichkeit wird durch die starke Hierarchie und disziplinierende Rituale wie die Mensur, also das studentische Fechten und die durchstrukturierten Trinkrituale eingeübt. Das, was sie sich mühsam abtrainieren, verachten sie an anderen. Vermeintlich unmännliches Verhalten wird als „weiblich“ und „schwul“ abgewertet. Es gilt, Härte gegen sich und Härte gegen andere zu üben, statt sich mit Empathie und Solidarität zu begegnen. Wie sehr sich die Burschen in ihrer Männlichkeit bedroht sehen, zeigt das Gewettere gegen Gender-Mainstreaming und die Angst um das Aussterben der „Volksgemeinschaft“. Die Vorstellungen von Volk, Staat und Nation sind unweigerlich mit dem Leben im Männerbund und damit mit dem Geschlechterverhältnis verbunden. Ohne die Einbeziehung feministischer Analysen über­sieht man diese Verschränktheit von völkischem Nationalismus und Geschlecht.3  

Feministische Gesellschaftskritik statt Männerklüngel

Das „Bündnis gegen Burschentage“ versucht nicht nur inhaltlich, sondern auch in der Praxis die antifaschistische und die feministische Perspektive zu vereinen. Für die Bündnisgruppen, die zum größten Teil gemischtgeschlechtlich organisiert sind, bedeutet das eine stete Reflektion unter Einbezug der Kategorie Geschlecht. Unsere öffentlichen Auftritte wie Diskussions- und Mobiveranstaltungen, aber auch unsere Demonstrationsreihen sollen nicht männlich dominiert sein. Das bedeutet im Umkehrschluss keine reine Quotierung, dass die Frauen* doppelte Arbeit leisten oder Dinge tun, auf die sie keine Lust haben. Es geht dabei mehr um ein qualitatives Verständnis, das beinhaltet, dass wir Aufgaben auch mal nicht erfüllen oder an andere abgeben, wenn klar wird, dass die Kapazitäten dafür nicht reichen. Das schließt auch an unser Politikverständnis an. Die Arbeitsweise soll an Kapazitäten und Bedürfnissen orientiert sein und nicht dem Sachzwang unterstehen, etwas unbedingt erledigen zu müssen. Dabei muss das selbstverständliche Übernehmen von Aufgaben immer wieder hinterfragt werden, denn es passiert allzu häufig, dass aus einem politischen Leistungsanspruch die Bedürfnisse der Einzelnen hinten runterfallen, z.B. wenn ein Podium nur mit Männern* besetzt wird, weil ansonsten keine Kapazitäten vorhanden sind. Das beinhaltet Scheitern an den eigenen emanzipatorischen Ansprüchen und bedarf eines Umgangs damit, denn der politische Erfolgsdruck ist dauernd im Hinterkopf und kann zu Unzufriedenheit und Frustration führen. Das bedeutet nicht reinen „Emotalk“, sondern eine kritische Auseinandersetzung mit sich und den anderen sowie sich zu fragen, wie es uns mit der Politik geht. Wir wollen Politik machen, die den Prioritäten und Interessen der Einzelnen entspricht und nicht nur die Dinge erledigen, die von außen an uns herangetragen werden.

Eine wichtige Grundlage unserer Politik ist Empathie, das heißt, nachzuvollziehen warum sich jemand wie verhält, darin den eigenen Standpunkt klar zu machen, Kritik zu formulieren und gemeinsam eine differenzierte Position zu entwickeln. Wir halten es für wichtig, auch bei Diskussionen emotionale Ebenen miteinzubeziehen und uns nicht nur auf einer vermeintlich objektiven und rationalen Basis auszutauschen. Wir führen uns immer wieder vor Augen, dass wir nicht außerhalb der gesellschaftlichen Verhältnisse stehen. Mackertum und Sexismus werden auch in der linken Szene ständig, sowohl nach innen als auch nach außen reproduziert. Deshalb ist eine stete Reflektion unserer Praxis unabdingbar. Das beinhaltet nicht nur inhaltliche Diskussionen über die Standpunkte die wir nach außen tragen, sondern auch eine interne Auseinandersetzung und ein Infragestellen unseres Verhaltens und Umgangs miteinander. So versuchen wir die internen Hierarchien, ob durch gesellschaftliche Herrschaftsverhältnisse, Wissen, Erfahrung oder Selbstbewusstsein, abzubauen und den Druck, sich politisch zu beweisen, herauszunehmen. Dadurch ist mehr Raum zum Ansprechen von Unwohlsein vorhanden. Nicht jede_r muss zu allem bereit sein und es ist völlig legitim, wenn Angst oder Zweifel zu bestimmten Dingen vorhanden sind (z.B. einen Text schreiben, erste Reihe auf einer Demonstration stellen oder einen Vortrag halten).

Nur so halten wir es für möglich, eine feministische Theorie und Praxis, die wir als unabdingbar erachten, in antifaschistische Politik zu tragen. Dazu gehört auch bei einer kritischen Analyse von DB-Burschenschaften nicht nur den Neonazismusbeleg in den Mittelpunkt der Analyse zu stellen, sondern auch die problematische Organisierung im Männerbund an sich zu kritisieren und das darin enthaltene Geschlechterverhältnis sichtbar zu machen.