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Fußballeuropameisterschaft - Neonazis organisieren Fan-Randale

Einleitung

Auf die Fußball EM 1988 in der BRD haben sich nicht nur die Mannschaften seit langer Zeit vorbereitet, sondern auch viele Fans und Hooligans. Hauptsächlich die deutschen und englischen Hooligans hatten sich für Schlachten vor und nach den Spielen gerüstet. Daran waren sowohl deutsche wie auch englische Neonazis maßgeblich beteiligt.

Das Berliner Neonazi-Skin-Fanzine "Kraft durch Freude" von Stephan Jones mobilisiert rechte Hooligans zur EM.

„EM 88 “

In dem rechten Westberliner Skinhead-Fanzine „Kraft durch Froide“1 wurde für die EM zur „übelst ultra brutalen Fußballgewalt“ aufgerufen, u.a. der „Hertha Fan Club Endsieg“ solle teilnehmen. Den englischen Fans solle gezeigt werden, daß sie „nicht allein die Hool Macht in Europa sind“. Es wurde dazu aufgerufen sich in den Fan-Block der Iren zu stellen. Die deutschen Neonazis behaupten, daß der Befreiungskampf der IRA in Nordirland, etwas mit ihren großdeutschen Nationalismus zu tun habe. Sinn und Zweck dieses Skinheadfanzine sei „die Beachtung der (…) Fußballfront“. Um die Skinheadbewegung sei es von „Jahr zu Jahr schlechter bestellt“. Auf der Titelseite wird „Freiheit für die Helden von Hamburg“ gefordert. Gemeint sind die Mörder von Ramazan Avci, der in Hamburg von Neonazis 1986 auf der Straße umgebracht worden ist.2

Unter den englischen Fußballfans haben Neonazis aus der „National Front“ (NF) seit Jahren teilweise weitreichenden Einfluß. Dort wurden vor Stadien T-Shirt' s mit der Aufschrift „Englands Invasion of Germany 1988“ verbreitet. Ihr Ziel war es so viel Chaos wie möglich zu verursachen - was sie darunter verstehen war im Brüsseler Heysel Stadion 1985 zu sehen - die Folge waren Tote.3

Doch trotz der begrenzten und kontrollierten Kartenausgabe durch den englischen Fußballverband, gelang es zahlreichen Neonazis und rechten Hooligans zu den Spielen in die BRD zu reisen. In den Stadien wurden von Journalisten Fahnen der "National Front" gesichtet, dazu Mitglieder eines „National Front“ nahen Fanclubs aus Chelsea. In Stuttgart wurde ein „prominenter“ Neonazi-Hooligan verhaftet und abgeschoben. Die bekannt gewordenen Versuche der „National Front“ eine Allianz mit den deutschen Neonazis für diese EM zu schließen sind am Nationalismus der Hooligans gescheitert.

Neonazistischer Einfluß ...

Am Mitte Juni 1988 kam es nach dem Spiel England gegen Holland zur erwartbaren Schlacht: 150 deutsche Fussballfans die am Düsseldorfer Hauptbahnhof gerade mit dem Zug aus Gelsenkirchen eintrafen, griffen 300 englische Fans an. Unter den Fans auf beiden Seiten bemerkten BeobachterInnen: (Neo)Nazi-Abzeichen, Sieg-Heil-Rufe und viele Verletzte.

Obwohl die Düsseldorfer Polizei 3.000 Polizisten im Einsatz hatte konnte sie die Auseinandersetzung weder schnell stoppen noch verhindern. Die Schlacht verlagerte sich bis in die Nacht in die Düsseldorfer Altstadt, wo die deutschen Fans noch personelle Verstärkung erhielten. Offizielle Bilanz waren 130 Festnahmen und Sachschäden in Millionenhöhe. Laut Berichten aus der Szene behaupten Hooligans, hauptsächlich aus dem Ruhrgebiet und dem Rheinland, diese Schlacht für sich entschieden zu haben. Tonangebend dabei waren, zumindest laut Presseberichten, die „Borussenfront“ (Dortmund) und die „Gelsenszene“ (Gelsenkirchen). In der "Borussenfront" um Siegfried Borchardt existiert eine Art „FAP-Kameradschaft“ innerhalb der rechten Fan-Szene.

... gegen Linke

Als nächstes ging es den Neonazi-Hooligans der „Borussenfront“, der „Endsieg Hertha Berlin“ und aus dem HSV (Hamburg) usw. darum in der Hamburger Hafenstraße zu zeigen „wer die Herren der Straße sind“. Die einschlägigen Fußballfans sollten über, die mehr oder weniger übliche, Randale unter Fans hinaus, gegen linke HausbesetzerInnen mobilisiert werden. Nachdem schon eine Woche vorher in verschiedenen Stadien Aufrufe dafür verteilt worden waren und das Ganze auch noch in einem vom „Stern“ gemachten Interview bekannt geworden war, schafften es die Neonazis etwa 200 rechte Hooligans zu mobilisieren.4

Größtenteils unbehelligt von der Hamburger Polizei, die 2.500 Beamte eingesetzt hatte, zogen rechte Hooligans und Neonazis kurz vor Schluß des Halbfinales am Abend des 21. Juni 1988 nach Hamburg St. Pauli. Mit „Rotfront verrecke“ Rufen zogen sie durch die Straßen, bis sie an der Hafenstrasse von AntifaschistInnen gestoppt wurden. UnterstützerInnen und BewohnerInnen hatten die Drohungen ernst genommen und sich entsprechend vorbereitet. Drei Mal versuchten Neonazis und Hooligans zu stürmen, wurden aber mit massiver Gegenwehr gestoppt und verjagt. Ohne die entschlossene Selbstverteidigung der Hafenstrassen BewohnerInnen und den UnterstützerInnen wäre der Überfall auf die Häuser geglückt.

Der Einfluß der Neonazis auf die Hooligan Szene wäre bei einem erfolgreichen Angriff gestärkt worden. Wie auch immer, die Neonazis führten die Fans in eine, für viele schmerzhafte Niederlage, obwohl sie von der Hamburger Polizei schon bis an die Häuser durchgelassen worden sind. Das Signal scheint nunmehr auf ein Kräftemessen mit der Hafenstrasse zu stehen. Dort ist jetzt fast jeden Samstag Alarmzustand, weil wieder irgendeine Hooligangruppe zeigen will, daß sie es schafft. Nach dem Spiel Bayern München-Hamburger SV am 20. August konnten 120 Hooligans von der Polizei auf dem Weg zum Hafen abgefangen werden. Doch nach der Fußball EM gibt sich Innenminister Friedrich Zimmermann (CSU) zufrieden: Chaoten bleiben eine Minderheit, 22.000 eingesetzte Polizisten und 1.200 Festnahmen lautet die offizielle Bilanz. Für die Regierungsparteien ist „Fußballrandale“, denn vom Einfluß der Neonazis dabei wird nicht geredet, ein sicherheitstechnisches Problem.

AntifaschistInnen und die Linke setzen dem Einfluß von Neonazis in den Stadien wenig bis gar nichts entgegen. Wir denken, daß das ein Fehler ist und wollen in dieser Ausgabe eine Auseinandersetzung über dieses Thema anfangen.

  • 1Das Fanzine soll aus dem Umfeld der Berliner Neonazi-Skinheads-Band „Macht & Ehre" um Stephan Jones stammen.
  • 2Nachtrag: 1986 wurden deswegen Norbert B., Uwe P., Volker K., Rene W. und Ralph L. vor Gericht gestellt. Die 13. Strafkammer des Hamburger Landgerichts verurteilte die fünf Neonazi-Skinheads wegen gemeinschaftlichen Totschlags und gefährlicher Körperverletzung. Zehn Jahre Freiheitsstrafe gab es für den Hauptbeschuldigten Ralph Lach. (Vgl. Der Spiegel 23.06.1986: „Häßlich, gewalttätig und brutal“). Für seine Mittäter der „Lohbrügge Army“ wie Volker K., gab es abgestuft sechs Jahre, zweimal dreieinhalb Jahre und ein Jahr Gefängnis. Unter den Angeklagten waren Protagonisten der Hamburger Fußball- und Neonazis-Szene. Laut einigen antifaschistischen Veröffentlichungen soll auch ein Bruder des lokalen Neonazi-Funktionärs Thomas Wulff zu dem von Ermittlungen betroffenen Täterkreis gehört haben.
  • 3Am 29. Mai 1985 brach eine Massenpanik im Rahmen des Endspiels des Fußball-Europapokals der Landesmeister im Heysel-Stadion (Brüssel) aus. 39 Menschen wurden getötet, 454 verletzt.
  • 4Einige Tage vor dem Halbfinalspiel Deutschland - Niederlande hatte der "Stern" das Interview mit dem Hamburger Hooligan "Heidrun" geführt: "Wir haben schon mit einigen Bullen gesprochen, ob wir da nicht mal 'ne kleine Aktion starten sollten, ob wir da nicht mal an den Landungsbrücken aufräumen sollten. Für das Halbfinale am 21. Juni haben wir das fest eingeplant."