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Frank Rennicke – Vom »Sänger für Deutschland« zum Bundespräsidenten-Kandidat

Jan Raabe
Einleitung

»Sänger für Deutschland« lautet der Titel eines Buches über den extrem rechten Liedermacher Frank Rennicke. Tatsächlich ist er der bekannteste und auch aktivste  neonazistische deutsche Liedermacher. Aber er ist weitaus mehr - Rennicke stellt eine wichtige Integrationsfigur für das Spektrum von jugendkulturellem Neonazismus, den Kameradschaften und der NPD dar.

Foto: Christian Ditsch

Frank Rennicke (rechts) beim NPD Wahlkampf 1998 in Rostock.

Vom Jugendalter an

Rennicke wurde 1964 in Braunschweig geboren, sein Elternhaus hatte nach Eigenangaben keine Bezüge zur extremen Rechten. Angeblich war es »ein NPD-Plakat, das ihn ansprach« und ihn seinen Weg in die extreme Rechte einschlagen ließ. Keine unwahrscheinliche Geschichte, ist die Verankerung der NPD in Niedersachsen zu dieser Zeit doch bekannt.

In den 1980er Jahren schließt er sich der »Wiking-Jugend« (WJ) an. In dieser nach dem Vorbild der Hitlerjugend aufgebauten Jugendorganisation wird er nicht nur im Sinne des Nationalsozialismus politisiert, sondern beginnt auch ab Mitte der 1980er Jahre mit Gitarre und Gesang Lieder vorzutragen. Anfangs sind es die Runden am Lagerfeuer bei denen er seine Lieder spielte, später nimmt er diese auch auf Kassetten auf.

»Protestnoten für Deutschland«

Die erste Produktion auf der Rennicke seine Lieder einem breiteren Publikum präsentierte erschien 1987 unter dem Titel »Protestnoten für Deutschland«. Schon diese erste Musikkassette kann als prototypisch für viele Produktionen Rennickes gelten. Musikalisch ist er der erste, der die Liedermachertradition, mit Wurzeln in der Bündischen Jugend und dem Wandervogel, aus ihrem Kontext herauslöst. Rennicke war der erste, welcher aus dieser Tradition kam und unter Beibehaltung des musikalischen Stils in den Kreisen der NPD und wenig später auch der rechten Jugendkultur populär wurde.

Die akkustische Gitarre ist dabei nicht nur ein einfach und ohne jeden Aufwand zu nutzendes Instrument, sondern sie ist auch Sinnbild einer Kultur, welche ohne Technik auskommt. Schon die Instrumentierung des Liedermachers ist Teil seiner rückwärtsgewandten Ideologie. Auf Fahrt und Lager erfüllt vor allem das gemeinsame Singen eine wichtige Funktion für die Herausbildung eines Gemeinschaftsgefühl, es festigt die Gruppen. Die Traditon von Rennickes Liedern reicht von der Bündischen Jugend bis zum Nationalsozialismus.

Auf erstere bezieht sich auf der »Protestnoten für Deutschland«-Kassette das Lied »Unsere Stunde, die wird kommen«. In diesem heißt es: »Liegt auch die Nacht noch über dem Land, und hält die Zukunft verborgen. Einmal da wird auch das Dunkel gebannt, einmal da blüht uns der Morgen. Unsere Stunde, die wird kommen, und Deutschland entsteht wieder neu«. Bei dem Lied handelt es sich um das Bundeslied der »Heimattreuen deutschen Jugend«, neben der WJ die wichtigste völkische Jugendorganisation der damaligen Zeit. Schon auf Rennickes erster Produktion ist dessen Intention, die Verbreitung der Ideologie des Nationalsozialismus, deutlich zu erkennen. Das ist durch die gut verständlichen Liedtexte weit aus besser möglich als im Rechts-Rock. Für das klassisch politische Liedgut steht auf der Kassette der Titel »Ich bin stolz, dass ich ein Deutscher bin.« in welchem es angeblich Deutsche waren, die die Kultur, die Wissenschaft und eigentlich die ganze Welt erschufen.

Ebenfalls typisch für den Liedermacherstil ist »Das Heimatvertriebenen Lied«. Lieder in denen es um Trauer und das Beklagen von Ungerechtigkeiten geht, passen zum Stil. Das Lied erzählt entkontextualisiert vom Leid einer aus dem Sudetenland vertriebenen jungen Frau, über die Hintergründe der Umsiedlung erfährt man selbstverständlich nichts. Auch das Spiel mit dem Verbotenen übte Rennicke schon damals. Das alte Soldatenlied »Auf, auf zum Kampf« ist in der Version aus dem Nationalsozialismus mit den Textzeilen »Dem Adolf Hitler haben wir's geschworen« verboten. Rennicke läßt diese weg und ersetzt sie mit der Parole »Deutschlands Einheit, die ist noch nicht verloren. Drum schauen wir mutig, in die neue Zeit.« Schon der erste Tonträger Rennickes enthält all jene Elemente wie die ca. 30 Kassetten und später CDs die er bis heute veröffentlicht hat. Dabei schöpft er musikalisch aus den unterschiedlichsten Quellen. Das Trauerlied zu Ehren des Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß »Damals im Mai« unterlegte er mit der Musik des Kirchenliedes »Von guten Mächten wunderbar geborgen« und verlieh er dem Lied so eine sakrale Stimmung. Rennicke bediente sich bei Volks- und Wanderliedern, aber auch beim politischen Gegner. Auf seiner 1996 erschienenen CD »Andere(r) Lieder« covert er u.a. den Razzia-Walzer der 3 Tornados und Gunter Gabriels »Mann mit der Fackel«.

Auch bekannte Volkslieder und Schlager addaptierte Rennicke um seinen eigenen Texten auf der musikalischen Ebene Schwung und Akzeptanz zu geben. So versah er z.B. das Lied »Eine Seefahrt die ist lustig, eine Seefahrt die ist schön« mit dem Text »Diese Rasse, die ist klasse, diese Rasse, die ist stark! Und wer was anderes da meint, hat im Gehirne wohl nur Quark! Diese Rasse, die ist klasse und sie ist so tierisch gut – seh' ich einen dieser Rasse, leb' ich auf und mir geht es wieder gut!« Rennicke versuchte in seinen Texten geschickt illegale Inhalte zu vermeiden, aber trotzdem eindeutige Botschaften zu vermitteln. Wenn er anläßlich des 20. April singt: »Ich fei’re heute Adis Ehrentag, weil ich den Adolf gerne mag. Den find’ ich stark, der ist ok, von wegen, das ist alter Schnee« wissen die Zuhörer wessen Geburtstag hier besungen wird. Auch wenn Rennicke im Text dann singt »Das war ein Mann, der Doktor Adolf Scherf«. Scherf war ein österreichischer Sozialdemokrat, der wie Adolf Hitler am 20. April Geburtstag hatte. Rennicke fragt zum Ende des Liedes scheinheilig »Wen soll man denn sonst an diesem Tage feiern?« Das Spiel mit der Strafbarkeit gelang Rennicke jedoch nicht immer.

Verurteilungen

Immer wieder geriet er ins Blickfeld von Polizei und Justiz. Immer wieder wurden Liederabende von der Polizei aufgelöst oder verhindert. Eine Reihe seiner Tonträger wurden als jugendgefährdend indiziert. Am bedeutendsten war jedoch der Prozess um das »Heimatvertriebenenlied«. In dem 1984 von Rennicke geschriebenen Lied heißt es »Es gehen die Fremden in den Dörfern umher, tun so, als wäre es unsere Heimat nicht mehr.« Im Refrain heißt es »Amis, Russen, Fremdvölker raus – endlich wieder Herr im eigenen Haus!« 1999 wurde im Rahmen von Hausdurchsuchungen gegen ihn vorgegangen.

Das Amtsgericht Böblingen sah in dem Lied am 22. November 2000 den Straftatbestandteil der Volksverhetzung nach § 130 und verurteilte Rennicke zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. 70.000 Euro wurden eingezogen. Im Revisionsverfahren hob das Landgericht Stuttgart am 15. Oktober 2002 das Urteil auf und verurteilte Rennicke wegen achtfacher Volksverhetzung und wegen Verstoßes gegen das Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften (er vertrieb indizierte Tonträger) zu einer Freiheitsstrafe von 17 Monaten, welche zur Bewährung ausgesetzt wurde. Das Bundesverfassungsgericht hob am 25. März 2008 diese Urteile auf und verwies sie an das Landgericht Stuttgart zurück. Dort steht die Verhandlung immer noch aus.

Produzent

Frank Rennicke veröffentlichte im laufe seiner musikalischen »Karriere« ca. 30 Tonträger, auf unzähligen Samplern ist er mit Liedern vertreten. Selbstverständlich auch auf den Schulhof-CDs der NPD. Seine Tonträger, zuerst waren es Musikkassetten, später CDs, produzierte er ausschließlich im Eigenverlag und vertrieb diese auch selbst. Dadurch sicherte er sich einen großen Anteil an den Einnahmen. Rennicke ist einer der wenigen Musiker der Neonaziszene, der zumindest einen großen Teil seines Lebensunterhalts mit der Musik decken dürfte.

Konzerte

Mit ca. 500 Auftritten seit 1991 ist er wohl einer der aktivsten Musiker der Neonaziszene überhaupt. In den 1990er Jahren waren es vor allem Auftritte im Rahmen von Kulturveranstaltungen diverser Organisationen, vor allem der NPD, der JN aber auch der WJ, der FAP oder der GfP. Später spielte er auch im Rahmen von Rechtsrock-Konzerten mit Bands wie »Blutstahl« oder »Sleipnir« zusammen. Rennicke war/ist ein fester Programmbestandteil bei Veranstaltungen wie den Pressefesten der NPD, den Aufmärschen zu Ehren von Rudolf Heß oder denen anlässlich der Bombardierung Dresdens. Auch vom Randbereich des Neonazismus wurde er eingeladen. So trat er u.a. bei Burschenschaften und auf Vertriebenentreffen auf. 2005 absolvierte er im Rahmen einer NPD-Delegation Auftritte in Moskau und Petersburg, zudem trat er auch in England, Schweden, Belgien, Österreich und Frankreich auf. Überraschenderweise setzten sich die BesucherInnen von Rennickes Konzerten – bei vielen seiner Liederabende erscheinen 100–200 Teilnehmende – nicht aus der Generation der 50-jährigen und älter zusammen, sondern aus Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Er ist mit seinen romantisch kämpferischen, aber auch mit einem gewissen Witz gepaarten Liedern in der Lage, diese anzusprechen. Dass er inzwischen international innerhalb der extremen Rechten wahrgenommen wird, belegen nicht nur seine Konzerte im Ausland, sondern auch das 2004 in Schweden eine CD erschien, auf der schwedische Liedermacher Songs von Rennicke nachspielen.

Bombenstimmung

Die Bedeutung von Frank Rennicke wird im allgemeinen nur in seiner Tätigkeit als Liedermacher gesehen. Damit wird seine Position und Bedeutung innerhalb des Neonazismus unterschätzt.

»Bombenstimmung« herrschte in der neonazistischen Szene 1995, der Staat hatte eine Reihe wichtiger Organisationen, unter ihnen die FAP, die NF und die WJ verboten. In der Szene kursierte das Konzept »Eine Bewegung in Waffen«. Genau in diesem Moment übergab Peter Naumann, der 1987 wegen Sprengstoffattentaten zu vier Jahren Haft verurteilt wurde und in der Szene als das »Bombenhirn« bekannt war, den staatlichen Ermittlungsbehörden zehn Waffenlager mit diversen Gewehren, Pistolen und insgesamt 27 Kilogramm Sprengstoff. Mit dabei waren auch Frank Rennicke und der damalige Chef der »Nationalistischen Front« Meinolf Schönborn. Hier wird deutlich, dass es sich nicht um eine persönliche Aktion von Naumann gehandelt hat, sondern um einen symbolischen Akt. Dass Rennicke als Repräsentant der traditionsorientierten Strömung des Neonazismus auftrat, verdeutlicht seine Stellung. Weiteres Beispiel aus diesem Bereich ist aber auch der Auftritt als Redner bei einem Gedenkmarsch zu Ehren von Jürgen Rieger.

Der vierte Kandidat

Anfang 2009 gab die NPD bekannt, dass sie in Absprache mit der DVU, Frank Rennicke für die Wahl zum Bundespräsidenten am 23. Mai 2009 nominiere. Das verwunderte, hatte dieser doch bisher keine bedeutenden Parteiämter inne gehabt. Doch mit ihm, der mit seinem eher konservativ bürgerlichem Erscheinungsbild nicht dem Stereotyp des Neonazis entspricht, erhoffte man sich wohl von Seiten der NPD etwas mediale Aufmerksamkeit. Diese Rechnung ging aber nicht auf. Nur die Medien der extremen Rechten, wie die »Deutsche Stimme« und die »Nationalzeitung« berichteten über Rennnickes Kadidatur, die etablierten Medien ignorierten ihn. Rennicke war vom Ablauf der Wahl, in der er kaum Erwähnung und auch nicht mehr als vier der insgesamt 1223 Stimmen erhielt, so enttäuscht, dass er eigens die Broschüre »Der vierte Kandidat – Bericht eines totgeschwiegenen Bewerbers« schrieb. Trotzdem schickt ihn die NPD bei der am 30. Juni 2010 anstehenden Neuwahl für das Amt des Bundespräsidenten erneut ins Rennen.

Völkischer Spießer mit Nachwuchs

Frank Rennicke stellt den Prototyp des Traditionalisten dar, sein CD Titel »Ich bin nicht modern« könnte als Lebensmotto gewertet werden. Nicht nur weil er in seinen Liedern das »Gestern« inklusive des Nationalsozialismus verherrlicht, sondern auch was sein Erscheinungsbild und seine Lebensgestaltung betrifft. Zur letzten Wahl des Bundespräsidenten erschien der Seitenscheitelträger in Trachtenhemd, -janker und Lederhose, für ihn eine nicht untypische Bekleidung. Rennicke, der seit 1989 verheiratet ist und sechs Kinder hat, baut inzwischen im fränkischen Altengreuth einen alten Hof aus. Er, der sich als »Vorzeigemenschen« bezeichnet, will dort zusammen mit anderen Kameraden eine Siedlung fernab der »multikulturellen« Großstädte gründen.

Rennicke ist der wohl bedeutendste neonazistische Liedermacher, er kann als stilprägend bezeichnet werden und ist das Vorbild für hunderte von Kameraden die zur Gitarre greifen. Seine Bedeutung erschöpft sich jedoch nicht in dieser Tätigkeit. Er ist ein wichtiger Vertreter des traditionellen Neonazismus und anerkannter Kader von der NPD bis hin zum militanten Neonazismus. Dass Rennicke, der sich in die Mitte der Volksgemeinschaft träumt, jedoch für die »Autonomen Nationalisten« kein Verständnis hat und sie als »Bürgerschreck« bezeichnet, ist in seiner kulturkonsverativen Haltung begründet, welche die Wahrung der Tradition höher schätzt als die Gewinnung neuer Anhänger.

»Nachwuchs« hat Rennicke auch im übertragenem Sinn. Ca. 25 bis 30 Liedermacher mit extrem rechtem Hintergrund sind derzeit in der BRD aktiv. Für diese war Rennicke stilprägend und ist bis heute das große Vorbild. Auch wenn die anderen Aktivitäten in der extremen Rechten nicht unterschätzt werden dürfen, so ist es doch seine Bedeutung als Liedermacher, die Rennicke aus den Reihen der Vielzahl an Funktionären und Kadern des Neonazismus heraushebt.