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Faschismus in Geschichte und Gegenwart. Ein vergleichender Überblick zur Tauglichkeit eines umstrittenen Begriffs

Alexander Häusler Michael Fehrenschild

Neue Wege für vergleichende Faschis­musforschung und antifaschistische Debatte

Dieses schlanke Werk entstand als Auftragsarbeit nach einer Ausschreibung durch die Rosa-Luxemburg-Stiftung. Der Auftrag war sehr groß bemessen. Für ihn hätten eigentlich mehrere dicke Bücher gefüllt werden müssen. Daher ist den Autoren kaum vorzuwerfen, dass einige wenige Abschnitte ihres Buches allzu gedrängt und kurz abgerissen wirken.

Vielmehr haben die Autoren Bewundernswertes geleistet: Sie resümieren wichtige Stränge der Theorie und Forschung; sie präsentieren (auf den Seiten 17 und 18) eine beschreibende Arbeitsdefinition des Faschismus, die wohl alle seine Hauptaspekte und Hauptmerkmale enthält; sie reißen die historische Entwicklung des Faschismus in Italien, Deutschland, Österreich und Ungarn ab; sie verknüpfen die Faschismusforschung mit der Rechtsextremismusforschung. Damit nicht genug: Zum Ende des Buches kommt eine ganze Reihe von Fachleuten aus mehreren europäischen Ländern zu Wort. In 13 kurzen Interviews äußern sich nicht nur akademische Größen, sondern z.B. auch Mitarbeiter*innen des Berliner „Antifaschistischen Pressearchivs und Bildungszentrums“ (Apabiz) und antifaschistischer Zeitschriften.

Alexander Häusler und Michael Fehrenschild beginnen auf wegweisende Art mit einer wichtigen Arbeit: Sie wenden die historisch entstandenen Faschismustheorien systematisch auf die heutige gesellschaftliche Situation und vor allem auf die aktuelle extreme Rechte an. Als Fazit ihres Werkes und ihrer Interviews mit Fachleuten kann gelten: Zwar existieren heute in ganz Europa hochgefährliche Gruppierungen, die sämtliche Kriterien für Faschismus erfüllen. Aber sie sind weit von der massenhaften Mobilisierungskraft ihrer Vorläufer aus der Zeit von 1918 bis 1945 entfernt. Die heute tonangebenden Kräfte der extremen Rechten – oft als „rechts­populistisch“ bezeichnet – unterscheiden sich ebenso gravierend von den historischen Faschismen, wie sich die heutige kapitalistische Gesellschaft von der damaligen unterscheidet.

Doch ist die Entstehung neuer faschistischer Massenbewegungen keineswegs ausgeschlossen. Im Buch von A. Häusler und M. Fehrenschild wird warnend darauf hingewiesen, dass sich zum Beispiel in einigen ostdeutschen Regionen eine völkische, rassistische Massenmobilisierung und eine „Faschisierung des Alltags“ vollzieht. Vielleicht sind die erfolgreichen rechtspopulistischen Parteien nur das Vorspiel einer neuen Epoche des Faschismus, der sie den Weg und den Boden bereiten? Dann wäre ihnen die Bezeichnung „Protofaschismus“ durchaus angemessen.

Faschistische Bewegungen können als autoritäre, radikal antiemanzipatorische Reaktion auf Probleme und Krisen im modernen Kapitalismus verstanden werden. A. Häusler und M. Fehrenschild betonen das in dieser Krisenreaktion enthaltene „Erhebungs- und Erlösungsversprechen“ an unzufriedene, autoritär und nationalistisch gestimmte Bevölkerungsmassen. Dieses Versprechen gewinnt seine Zugkraft und Glaubwürdigkeit ganz wesentlich durch die faschistische Entwendung und Umdeutung links-emanzipatorischer Formelemente. A. Häusler und M. Fehrenschild stellen das in Anlehnung an Theoretiker wie Antonio Gramsci, Franz L. Neumann und Eric Hobsbawm prägnant dar.

A. Häuslers und M. Fehrenschilds Buch schärft den Blick auf die historische und aktuelle extreme Rechte, es leistet wichtige Grundlagenarbeit für die Aktualisierung von Faschismusforschung und Faschismustheorie – und damit auch einen wertvollen Beitrag zu wirksamem Antifaschismus auf der Höhe der Zeit. Das Buch steht zum freien Download zur Verfügung.

Alexander Häusler/Michael Fehrenschild:
Faschismus in Geschichte und Gegenwart. Ein vergleichender Überblick
zur Tauglichkeit eines umstrittenen Begriffs.
kostenfrei
Rosa-Luxemburg-Stiftung