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Ein Bundeswehroffizier mit rechten Terrorplänen ?

Einleitung

Seit Ende April 2017 sitzt der Bundeswehroffizier Franco Albrecht als mutmaßlicher Rechtsterrorist in Untersuchungshaft. Laut den Ermittlungen des Bundeskriminalamts (BKA) plante er die Durchführung von rechten Terroranschlägen. Er steht der „Neuen Rechten“ nahe und war in ein rechtes (Soldaten-)Netzwerk eingebunden. Als Tarnung für seine Anschläge hatte er die Identität und den Status eines syrischen Flüchtlings angenommen.

Bild: Screenshot von bz-berlin.de

Die rechten Terrorpläne eines Bundeswehroffizieres gingen bundesweit durch die Medien.

Waffen und Terrorpläne

Auf die Spur von Franco Albrecht kamen zuerst österreichische Ermittler. Am 20. Januar 2017 hatte er den „Ball der Offiziere“ in Wien besucht. Vor dem Rückflug versteckte Albrecht eine Pistole auf der Toilette des Flughafen Schwechat, um sie dort Anfang Februar 2017 wieder abzuholen. Die österreichische Polizei hatte die Waffe jedoch zwischenzeitlich bemerkt und verhaftete Franco Albrecht. Nach einer Befragung wurde er wieder entlassen und der Fall nach Deutschland abgegeben. Bei der Überprüfung der Fingerabdrücke stellte sich heraus, dass sich Franco Albrecht in Deutschland als Flüchtling registrieren ließ. Im bayerischen Zirndorf war er unter dem Namen „David Benjamin“ als syrischer Flüchtling anerkannt worden.

Franco Albrecht und seine mutmaßlichen Komplizen wollten laut aufgefundenen Notizen den Flüchtlingsstatus für einen Anschlag auf Politiker und mehrere Organisationen benutzen, um die Tat dann anschließend einem Flüchtling unterschieben zu können. Eine Liste mit potentiellen Anschlagszielen enthält die gegenwärtigen Feindbilder der rechten Bewegung: Ex-Bundespräsident Joachim Gauck, die Bundestags-Vizepräsidentin Claudia Roth, den thüringischen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow und den Bundesjustizminister Heiko Maas. Als Organisationen wurden der „Zentralrat der Juden“, die türkisch-nationalistische Gruppe „Osmanen Germania BC“, der „Zentralrat der Muslime“ und die „Amadeu-Antonio-Stiftung“ benannt.

In Teilen der Aufzeichnungen ist von konkreten rechten Anschlagsplänen zu lesen. „Gruppe Antifa: Granate Asylant werfen lassen, filmen“ wurde notiert. „Sprengung Rothschild-­Stein in Frankfurt“ heißt es in einer anderen Notiz.1 Der Plan „Wenn Frau Haverbeck ins Gefängnis, dann Befreiungsaktion“ ist eindeutig politisch verortbar. Die verurteilte Holocaustleugnerin gilt als eine Ikone der Neonazisszene.

Das Umfeld

Mit seinen Ideen und Planungen stand Franco Albrecht nicht allein. Die Durchsuchungen gegen ihn fanden an insgesamt sechzehn Orten in Deutschland, Frankreich und Österreich statt. So soll er von dem 27-jährigen Oberleutnant Maximilian T. (Offenbach) und dem 24-jährigen Studenten Mathias F. (Offenbach) unterstützt worden sein. Bei Mathias F. lagerte Franco Albrecht etwa 1.000 Schuss Gewehr- und Pistolenmunition, Leucht- und Nebelmunition und Teile von Handgranaten aus Bundeswehrbeständen. Die Munition hatte er bei Schießübungen gestohlen, die er bei seinem deutsch-französischen Jägerbataillon 291 im elsässischen Örtchen Illkirchen leitete. Weitere Ermittlungen sollen nun ergeben, ob Albrecht und seine Helfer auch an weiteren Bundeswehr-Standorten in Illkirch, Schwarzenborn, Munster und Hammelburg Unterstützer gefunden hatten. Maximilian T. soll 2015 versucht haben, einen anderen Soldaten für den militanten Kampf zu rekrutieren.2

Die Ideologie

Aus seiner rechten und völkischen Gesinnung hatte Franco Albrecht bei der Bundeswehr kein Geheimnis gemacht. Bereits Anfang 2014 legte er im Zuge seines Studiums der Staats- und Sozialwissenschaften an der französischen Militärakademie Saint-Cyr eine Masterarbeit mit dem Titel „Politischer Wandel und Subversionsstrategie“ vor, die seine politische Gesinnung offenbarte. Er bezog sich in dieser Arbeit auch auf Denker der „Neuen Rechten“, um eine „Verschwörungstheorie“ gegen die deutsche Nation und die westlichen Staaten durch eine „Subversion“ darzustellen.3

Die französischen Prüfer lehnten die Master-Arbeit von Franco Albrecht klar ab. Sein Schulkommandeur sah „schwere Mängel“ in der Masterarbeit und ließ die mündliche Prüfung erst gar nicht zu. „Wenn es ein französischer Lehrgangsteilnehmer wäre, würden wir ihn ablösen“ teilte er den Verantwortlichen der Bundeswehr mit. Diese beauftragte eine Übersetzung und ein wissenschaftliches Gutachten. Dieses Gutachten bescheinigte Franco Albrecht Mitte Januar 2014 die Erstellung einer „pseudo-wissenschaftliche Arbeit“ mit „radikalnationalistischen“ und „rassistischen“ Appellen. Der dargelegte „Mechanismus der Subversion“ sei auch als eine Umschreibung des „Mythos vom Rassenkampf“ zu lesen. Albrecht benutze „rassistisches Vokabular“ wie „Durchmischung der Rassen“, „Mischehen“ und „gesunde Völker“. Durch die Annahme „jüdischen Blutes“ fänden sich „zentrale Denkfiguren des Rassismus und Antisemitismus“ in dem Text. Der Gutachter verwies auf Albrechts Bezugnahme auf den amerikanischen Psychologen Kevin B. Macdonald. Dessen Thesen zur „Evolutionsstrategie“ des „Judentums“ waren schon für den Holocaust-Leugner David Irving interessant, der ihn als Zeugen für ein Beleidigungsklage gegen eine Historikerin benannte. Der Gutachter erkannte in einer Anmerkung des Oberstleutnants auch einen „Rechtfertigungsgrund“ für die „Anwendung von Gewalt“, wenn es um den „Schutz der eigenen Identität und des eigenen Volkes“ gegen „ausländische Elemente“ geht.

Die Bundeswehr

Trotz des eindeutigen Urteils in dem Gutachten kam Franco Albrecht mit einer „Belehrung“ als „Erzieherische Maßnahme“ davon und konnte im Juli 2014 mit einer zweiten Arbeit sein Studium erfolgreich beenden. Disziplinarische Vorermittlungen konnte Albrecht Ende Januar 2014 in zwei Gesprächen offenbar problemlos aus dem Weg räumen. Die Bundeswehr-Verantwortlichen sahen keine Gründe, an seiner „Grundgesetztreue“ zu zweifeln. Albrecht habe durch eine „vermeidbare Sorgfaltslosigkeit den bösen Anschein einer inneren Haltung vermittelt“. Albrecht sei gar „ein Opfer seiner eigenen intellektuellen Fähigkeiten in der Darstellung“ geworden.

Ein leitender Regierungsdoktor der Wehrdisziplinaranwaltschaft der Bundeswehr und ein Oberstleutnant aus der Leitung der Deutschen Stabsgruppe Frankreich in Fontaineblau stellte die Vorermittlungen nach einer „mündlichen Ermahnung“ ein. Es folgte kein Eintrag in die Personalakte, kein Hinweis an den „Militärischen Abschirmdienst“ (MAD) oder sonstige Konsequenzen. Einen seiner damaligen — offenbar recht freundlich gesinnten — Vernehmer kontaktierte Albrecht auch im Januar 2017 nach seiner Verhaftung wegen der Pistole in Wien. Der mittlerweile bei dem Kommando Streitkräftebasis in Bonn beschäftigte Bundeswehr-Funktionär hatte sich bereit erklärt, seine schriftliche Einlassung an die österreichische Polizei vorab zu lesen. Laut dieser Erklärung habe er die Waffe nach dem Besuch des „Wiener Opernballs“ in betrunkenem Zustand beim Pinkeln im Gebüsch gefunden und vergessen. Erst am Flughafen habe er sie bei sich entdeckt und dann in der Toilette versteckt.

Bürgerkriegsszenarien?

Die von den drei Beschuldigten geplante Tat sollte von der Bevölkerung als radikal-islamistischer Terrorakt eines anerkannten Flüchtlings aufgefasst werden“, erklärte die Bundesanwaltschaft (BAW). Wie sehr sich die politische Situation in Deutschland nach einer solchen Tat verändert hätte, lässt sich unschwer erahnen. Auch welche politischen Parteien davon im Bundestagswahlkampf profitiert hätten, ist offensichtlich. Ähnliche Attentate sind in der Erforschung des politischen Terrorismus in Italien und Südafrika bekannt geworden.

Ein Merkmal solcher Strategien ist die Schaffung eines Klimas der Angst in der Bevölkerung. Die Wahrnehmung der Schuld an den Anschlägen wird unter anderem durch Fälschung von Beweisen auf eine bestimmte politische, ethnische oder religiöse Gruppe gelenkt. Deren Diskreditierung bzw. politische und moralische Schwächung stellt eines der Hauptziele solcher Strategien dar. Ein weiteres Ziel ist die Induzierung des Wunsches nach einer „starken Hand“ in der Bevölkerung bis hin zur Ausrufung des Ausnahmezustands, um die vermeintlich gefährdete innere Sicherheit wieder herzustellen.

Solche Überlegungen sind seit der „Flüchtlingskrise“ in der rechten Bewegung immer populärer geworden. Ein öffentlicher „Aufruf an unsere Soldaten“ des rechten Publizisten Jürgen Elsässer, Chefredakteur des COMPACT-Magazin, lautete z.B.: „Wir befinden uns bereits im Notstand (...) Diskutiert die Lage mit Euren Kameraden und werdet selbst aktiv! Nur Ihr habt jetzt noch die Machtmittel, die von der Kanzlerin befohlene Selbstzerstörung zu stoppen.“

  • 1Hiermit dürfte der Güterstein des jüdischen Bankiers Amschel Mayer von Rothschild aus dem Rothschild-Park in Frankfurt am Main gemeint sein.
  • 2Nachtrag: Maximilian T. und Mathias F. wurden zwischenzeitlich aus der Untersuchungshaft entlassen. Gegen Maximilan T. bestehe kein dringender Tatverdacht mehr. Mathias F. habe sich "in mehrtägigen Vernehmungen umfangreich zum Tatvorwurf eingelassen". Deshalb sei laut BAW der weitere Vollzug der Untersuchungshaft unverhältnismäßig.
  • 3Vgl. Jungle World 19/2017: „Der verhinderte Breivik“ von Jan Stich