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Eberswalde: Zwischen tödlicher Gewalt, REPs und Neonazis (1993)

Einleitung

Ende November 1990 wurde der Angolaner Antonio Amadeu von einer Gruppe Neonazis getötet. Im Dezember 1990 war sogleich die Gründung eines „Deutschen Nationalen Völkischen Bundes“ in Eberswalde versucht worden, dies wurde jedoch durch die Polizei verhindert. Nachdem Aktivitäten organisierter Neonazis in Eberswalde (Brandenburg) mit der Inhaftierung einiger führender Neonazis zum Erliegen gekommen waren, treten nun die „Nationalistische Front“ (NF) und die „Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V.“ (HNG) wieder in Erscheinung - mit auswärtiger Unterstützung. Eine „Kameradschaft Eberswalde“ befindet sich in den Strukturen der „Ortsgruppenführung Osthavel“ der „Nationalistischen Front“ (NF). Der Berliner Neonazi Axel Grunow soll laut Beobachtungen lokaler Antifa-Strukturen als Vorsitzender der Bundesschiedskommission der NF Kontakte in die Region gehabt haben.

Bild: Screenshot panorama

Steffen Hübner war an dem Überfall auf Antonio Amadeu beteiligt.

Ein tödlicher rassistischer Überfall

Der Angolaner Antonio Amadeu starb an den Folgen eines rassistischen Überfalls am 6. Dezember 1990. Eine große Gruppe Neonazis hatten das Opfer und seine Begleiter angegriffen. Dann schlugen und traten u.a. die Neonazi-Skinheads Gordon Klimpel, Marek Jordan, Steffen Hübner auf den Angolaner ein. Auch Ronny J., Kay Nando Böcker und sein jüngerer Bruder Sven Böcker waren laut Ermittlungen der Polizei zeitweilig Teil der Angreifer-Gruppe. Laut Anklageschrift hatten sich am Abend des 24. November 1990 Neonazis aus dem 70 Kilometer entfernten Gartz an der deutsch-polnischen Grenze mit „Kameraden“ aus Eberswalde in der Wohnung des Neonazis Tristan D. getroffen, später in der Diskothek „Rockbahnhof“ schloss sich ihnen eine Gruppe von „Heavy-Metals“ an. Als Hauptverdächtige der Tat hatte die Staatsanwaltschaft Frankfurt/Oder zunächst die Brüder Sven Böcker (20) und Kay-Nando Böcker (21) aus Gartz ausgemacht. Kay- Nando Böcker war schon im Dezember 1989 vom Kreisgericht Angermünde wegen gemeinschaftlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt worden. Sein Bruder Sven Böcker hatte am 1. Dezember 1991 in Hohenselchow einem 30jährigen Deutschen mit seinem Baseballschläger tödliche Verletzungen zugefügt.1

Anti-Antifa-Aktionen in Eberswalde

In der Region Berlin-Brandenburg arbeiten die Fraktionen der (extremen) Rechten scheinbar aktuell punktuell zusammen. Nur einen Tag, nachdem AntifaschistInnen eine Kundgebung gegen den Parteitag der Berlin-Brandenburgischen „Die Republikaner“ angemeldet hatten, waren Neonazis in Eberswalde bereits hierüber informiert. Zwei Wochen vor dem geplanten Parteitag der „Die Republikaner“ (REPs) in Tiefensee bei Eberswalde begann bei der Wohnung des Anmelders der Gegenkundgebung eine Observation durch Neonazis, bei der auch ein PKW mit Uelzener Kennzeichen auffiel. Eberswalder AntifaschistInnen gehen davon aus, daß es sich um eine neonazistische Observation handelte, weil die beteiligen PKWs nach ihrer Entdeckung hektisch das Weite suchten. In Uelzen gibt es eine NF-Gruppe (siehe Antifaschistisches Infoblatt Nr. 24), die sich durch Terror an AntifaschistInnen hervortat. Als mögliche Schnittstelle zwischen den REPs und militanteren Neonazi-Organisationen wird in REP-Parteikreisen der Berliner REP-Funktionär Olaf H. vermutet.

REPs mit Personal-Problemen

Bei der vergangenen Landtagswahl kamen die »Republikaner« auf 1,15 Prozent der Stimmen und waren in allen 44 Wahlbezirken vertreten. Sie errangen dort jeweils ein Prozent, in Eberswalde, Spremberg und Senftenberg knapp zwei Prozent der Stimmen. Der Landeswahlausschuß hat nun neben den REPs auch die Beteiligung der „Deutschen Liga für Volk und Heimat“ (DLVH) bei den brandenburgischen Kommunalwahlen im Dezember zugelassen, da die vorgeschriebenen Formen für die Wahlanzeige formal eingehalten wurden.

Das Magazin "Focus" beklagte Ende November 1993 die REPs gingen mit ehemaligen SED-Mitgliedern "im Osten auf Stimmenfang". Sachsens REP-Chef Günter Bernard sei DDR-Soziologie-Professor gewesen und habe in Leipzig in der Sektion „wissenschaftlicher Kommunismus“ als SED-Parteisekretär gewirkt. In Eberswalde sei Dr. Wolfgang Kurzweg - Professor im Tierhygiene-Institut – ein "SED-Professor"gewesen2 , sein jetziger REP-Vize Hermann Flemming aus Strausberg - auch im extrem rechten "Hoffmann von Fallersleben Bildungswerk" - sei ein ehemaliger NVA-Oberst. In Thüringen führe die REPs der Ex-SEDler Götz Rudloff. In Mecklenburg-Vorpommern steht der Landesgeschäftsführer Jürgen Zedler unter "Stasi-Verdachts".3 Vom REP-Parteipräsidium wurde der thüringischen Landeschefs Walter Kaute abgesetzt und der REP-Parteichef von Sachsen-Anhalt Ekkehard Birkholz zum Parteiaustritt gedrängt. Der von der CDU zu den REPs übergewechselte Bundestagsabgeordnete Rudolf Krause soll den Vorsitz in Sachsen-Anhalt übernehmen. In Thüringen soll Josef Brunner aus Passau die Führung übernehmen. Der stellvertretende REP-Bundesvorsitzende Alexander Hausmann (Starnberg) zeigt sich mit dem Personalwechsel zufrieden. „Wir sind jetzt bundesweit überall voll durchorganisiert und gut gerüstet für 1994.

Der REP-Funktionär und bundesdeutsche Oberstleutnant a. D. Udo Bösch - er arbeitete mehrere Jahre beim Bundesnachrichtendienst (BND) - wurde zuvor vom REP-Parteichef Franz Schönhuber zum Bundesorganisationsleiter ernannt um die „Sicherheitsproblem der Partei“ lösen sollte. Der ehemalige REP-Chef aus Sachsen, Winfried Pätzold, musste gehen, da ein Flugblattes aus Publikationen der DVU abgeschrieben war. NVA-Mann Hermann Flemmig durfte bleiben.4 »Rote Genossen zersetzen die Partei«, klagt der einstige Brandenburger Landeschef Friethjof Spitzer im Magazin „Der Spiegel“ nachdem er die REPs verlassen hatte.

Bereits im März 1991 ließ sich Franz Schönhuber auf einem Landesparteitag der brandenburgischen Republikaner im ehemaligen Strausberger NVA-Offizierskasino »Blau-Weiß« feiern, geladen hatte seinerzeits der REP-Landesvositzende Peter Gillian. Im Oktober 1993 haben die Berliner „Republikaner“ (REPs) ihren Landesparteitag mit etwa 100 Mitglieder im Westbezirk Spandau abgehalten und dafür das Passagierschiff „Havelland“ gechartert. Die Parteiveranstaltung in Tiefensee bei Eberswalde fiel dagegen aus. Der Parteitag war zunächst verboten worden, später hatten die „Republikaner“ in einem Vergleichsverfahren auf die Veranstaltung verzichtet. Wegen einer Gefahr für die Sicherheit und Aufgrund der Gegendemonstration hatte das Polizeipräsidium von Eberswalde - entspechend einer Anordnung von Innenminister Alwin Ziel – die Veranstaltung zunächst untersagt. Vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt/Oder hatte die Partei zunächst gegen die Verbotsverfügung Widerspruch eingelegt, dann aber auf eine Durchführung verzichtet - im Gegenzug wurde das Verbot aufgehoben.

  • 1Nachtrag aus ZAG Nr. 5 (Urteil im Eberswalde-Prozess): Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Marek Jordan, Steffen Hübner und Gordon Klimpel an den tödlichen Schlägen und Tritten gegen Amadeu Antonio beteiligt waren und verurteilte sie wegen gefährlicher Körperverletzung mit Todesfolge. Sven Böcker war nach Ansicht des Gerichtes nicht an der Ermordung von Amadeu Antonio beteiligt. Er gab aber zu, einen anderen Afrikaner mit dem Messer schwer verletzt zu haben und erhielt eine Jugendstrafe. Ronni J. kam mit einer Bewährungsstrafe davon, denn er habe Amadeu Antonio zwar geschlagen, sich aber dann entfernt.
  • 2VEB Gustav Fischer Verlag (Jena), 1972: Angewandte Tierhygiene: Stallklima und Tiergesundheit - Schwein - Band 2 von Wolfgang Kurzweg und Klaus Winkler (Eberswalde).
  • 3FOCUS Magazin Nr. 20 (1994): Im Dienste der Partei. Republikaner - Balz um rote Socken.
  • 4TAZ 23. Juni 1993: Schönhubers deutsche „Versöhnung“, Bernd Siegler.