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Die „Nationalistische Front“

Einleitung

Die „Nationalistische Front“ (NF) hat in den letzten eineinhalb Jahren durch bundesweite Aktionen immer wieder Schlagzeilen produziert. Sei es nun mit ihrem letzten Bundestreffen in Niederaula, dem geplanten revisionistischen Kongress in Roding, der massiven Teilnahme der NF bei den jährlichen Aufmärschen in Halbe oder, jüngstes Beispiel, mit dem Versuch, eine militant ausgerichtete Organisation mit dem Namen „Nationales Einsatzkommando“ (NEK) aufzubauen.

Foto: Christian Ditsch

Aktivisten der NF beim Neonaziaufmarsch in Halbe 1991.

Immer aber beschlich die Berichterstatter dieser Ereignisse das Gefühl, es mit einer neonazistischen Gruppierung zu tun zu haben, deren eigentliche Aktivitäten sich im Verborgenen abspielten, so dass mehr als Mutmaßungen nicht mitzuteilen waren. Dies lag vor allem auch an der zurückhaltenden Pressepolitik, die die NF im Unterschied zu anderen militant-neonazistischen Gruppen betrieb und betreibt. Andererseits sind aber Beobachter der neonazistischen Szene in der ehemaligen DDR seit geraumer Zeit mit der Tatsache konfrontiert, eine immer stärkere, immer breitere Kreise der neonazistisch politisierten Jugend einbeziehende, Organisierung durch die NF feststellen zu müssen. Im folgenden Text soll daher versucht werden, einen Teil der zur Zeit zur Verfügung stehenden Informationen über die NF überblicksweise zusammenzufassen. Besonderes Augenmerk ist dabei auf die Geschichte der NF als eine nationalrevolutionäre Sammlungsbewegung, ihr Selbstverständnis, ihre innere Struktur, ihre aktuellen Aktivitäten und ihre internationalen Verbindungen gerichtet worden.

Die Sammlung

Die Geschichte der NF reicht bis in das Jahr 1983 zurück. Im September dieses Jahres gründete sich in München die „Nationale Front / Bund Sozialrevolutionärer Nationalisten“ (NF/BSN) unter der Leitung des Nationalrevolutionären Karl Jochheim-Armin. Hier organisierten sich vor allem ehemalige Mitglieder der Volkssozialistische Bewegung Deutschlands / Partei der Arbeit (VSBD/PdA) des Friedhelm Busse, die 1982 verboten worden war. Am 17. September 1983 gründete Karl-Jocheim Armin in München die „Nationale Front“. Die NF/ BSN wurde zur NF-München. Gleichzeitig dehnte sie ihre Kontakte und ihre Arbeit von Bayern auf das gesamte Bundesgebiet aus. Im März 1985 veröffentlichte die NF-München gemeinsam mit einer "Nationalrevolutionären Arbeiterfront" (NRAF), die 1977 in Bremen gegründet worden war, und einer „Nationale Front - Bewegung des arbeitenden Volkes“ (NF-BdaV) aus Kassel ein gemeinsames Aktionsprogramm.

In Nordrhein-Westfalen vollzog sich parallel dazu in den Jahren 1984 und 1985 eine andere Entwicklung. Im Herbst 1984 wurde der Landesvorsitzende der Jungen Nationaldemokraten (JN), Meinolf Schönborn, aus der NPD ausgeschlossen, weil er zunehmend militante Positionen vertreten hatte. Schönborn war gleichzeitig auch Redakteur der JN-Zeitschrift „Klartext“ aus Gütersloh. Nach diesem Parteiausschluss löste sich die gesamte „Klartext“-Redaktion von der NPD/JN und fand in dem seit Januar 1982 in Gütersloh bestehenden »Förderkreis Junges Deutschland« einen neuen organisatorischen Rahmen. Dieser Förderkreis etablierte in Steinhagen bei Bielefeld ein »Nationalistisches Zentrum«, über das die Beziehungen zu anderen Nationalrevolutionären ausgebaut wurden. In Steinhagen wurde schließlich auch am 16. November 1985 die „Nationalistische Front“ in ihrer heutigen Form als »bundesweite Partei« gegründet. Diese Gründung wurde von einer Gruppe Berliner Neonazi-Skinheads und ihrem Anführer Andreas Pohl („Pole“) unterstützt. Erster Vorsitzender wurde der Freiburger Neonazi Bernhard Pauli; Schönborn erhielt das Amt des »Generalsekretärs«. Im Februar 1987 wurde die NF ordnungsgemäß im westdeutschen Parteienregister eingetragen.

Selbstverständnis und Struktur

Das Selbstverständnis der NF liest sich in ihrer Satzung folgendermaßen: »Die Nationalistische Front gehört zur weltweiten Bewegung des Sozialrevolutionären Befreiungsnationalismus.« Sie sieht sich als »Organisation der Änderungen von politischen und ökonomischen Fehlentwicklungen auf dem Weg der öffentlichen Bewußtseinsbildung sowie der Veränderung politischer Machtverhältnisse auf dem Weg der öffentlichen Wahlteilnahme«. Doch dies ist nur die legalistische Oberfläche dieser Partei, die dazu dient, vor allem die offiziellen Behörden zu täuschen. Im »Aufbruch«, dem internen Mitteilungsblatt der NF, heißt es im März 1991 eindeutiger: »Klar war für uns von Anfang an auch, daß [...] wir uns nicht mit Wählerstimmen und Parlamentssitzen begnügen würden, sondern, daß wir die Macht wollten und wollen. Da aber 'nur der organisierte Wille Macht bedeutet', mußten wir uns diesen Willen in Form der NF schaffen.« Die Eingangsthese des Grundsatzprogrammes, aber auch die leicht verständliche Fassung des Selbstverständnisses unter dem Titel »10-Punkte-Programm der NF«, weist diese Partei eindeutig als nationalrevolutionäre Organisation aus.

Ähnlich wie bei den JN-Kreisen drehen sich auch die ideologischen Versatzstücke der NF um Begriffe wie »Antikapitalismus«, »konservative Revolution«, »völkischer Sozialismus« und einen floskelhaften »Anti-Imperialismus« (nach dem Grundsatzprogramm der NF: »Den Imperialismus durch revolutionären Nationalismus beseitigen«). Wie gefährlich die Mischung nationalrevolutionärer Phrasen gerade in den neuen Bundesländern werden kann, zeigt das Beispiel eines Gespräches zwischen der Vereinigte Linke (VL) Berlin-Treptow und einer Gruppe der Berliner JN. In ihren eigenen Berichten zeigten sich die VL'er im Anschluß an dieses Treffen entzückt über die »antikapitalistische« Position ihrer Gesprächspartner.

Bei der Durchsetzung ihres ideologisch untersetzten Machtanspruches verzichtete die NF zunächst auf spektakuläre Aurtritte in der Öffentlichkeit und auf die Teilnahme bei Wahlen. Anders als beispielsweise die Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front (GdNF) um Michael Kühnen verhielt sich die NF auch gegenüber der Presse äußerst zurückhaltend. Begründet wurde dies vor allem mit der »allgemeinen Zufriedenheit im Volk«. Weiter heißt es in der schon erwähnten Ausgabe des „Aufbruch“: »Medienarbeit ist für uns aus [...] organisatorischen Gründen nicht erstrebenswert.« Hinter der Umschreibung »aus organisatorischen Gründen« verbirgt sich die eigentliche Arbeit der NF zur Durchsetzung ihres »Willens zur Macht«: Der Aufbau einer möglichst gut funktionierenden Kaderorganisation. Begründet wird dieser Kurs ganz im Stile der sonstigen pseudorevolutionären Phrasen der NF mit dem Verweis auf Lenin und dessen Charakterisierung einer revolutionären Organisation (»Iskra«-Geschichte). So teilte sich die NF von Anfang an in einen »engen Kreis ständig leitender Kräfte, den Kader« und eine »große Zahl von Mitgliedern, die in einem verzweigten Netz von Vorfeldorganisationen gebunden sind«1 . Deutlich heißt es weiter: »Der Aufbau einer Kaderstruktur hat (…) Vorrang vor wahlpolitischen Experimenten.« Als Vorbild dient diesem Kader das Offizierskorps der Waffen-SS im 2.Weltkrieg. »Die Massen werden irgendwann von selber kommen«, heißt es über die anderen Gruppe lapidar.

Unentbehrlich für solche Strukturen, so erkannten die Strategen der NF schon früh, ist eine eigene, gut ausgebaute Logistik. Sie verstanden darunter ein Zentrum, aber auch Druckereien und Zeitschriften. Eine Zeitschrift war für die NF bereits bei ihrer Gründung vorhanden: die von nordrhein-westfälischen Ex-JN-Kameraden eingebrachte Schüler-Postille „Klartext“. Daneben etablierte die NF ein in der Art eines Fanzines aufgemachtes Blatt namens „Nachrichten aus der Szene“ (das infolge von »Überlastung« 1990 sein Erscheinen einstellte), sowie seit 1989 die interne Informations-Zeitung „Aufbruch“. Daneben geben, unabhängig von der Zentrale, einzelne Ortsverbände der NF auch separate Zeitschriften heraus, so etwa die NF-Lüdenscheid ein Blatt unter dem Titel: „Revolte - Zeitung der nationalistischen Bewegung“.

Das „Nationale Zentrum“ der NF

Nachdem das »Nationalistische Zentrum« Steinhagen offenbar seinen Zweck nicht mehr erfüllte, fand ein neuer zentraler Stützpunkt der NF in der Bielefelder Bleichstraße 143 (»eine Zahl, die den Herrschenden in diesem System Kopfzerbrechen bereitet« - wie die NF großspurig auf einem Flugblatt behauptete). Dort erwarb Meinolf Schönborn im Jahre 1986 ein Haus nebst kleinem Grundstück. Wie die dafür notwendigen 186.000 DM aufgebracht wurden, konnte allerdings nie ganz geklärt werden. Bis heute halten sich in diesem Zusammenhang hartnäckig Gerüchte, die eine Kredit durch die Deutsche Bank behaupten. So den Bewohnern der NF-Zentrale rechneten lokale AntifaschistInnen Meinolf Schönborn und den früheren Paderborner NPDler Michael Kratz, der mittlerweile in der FAP aktiv sein soll. 2

1989 zog die NF nach hartnäckigen Antifa-Protesten in Bielefeld erneut um und ließ sich in der Quellenstraße in Detmold-Pivitsheide nieder. Als Hauskäufer trat nicht die NF als Partei in Erscheinung sondern Michael Schönborn mit seiner Führungsmannschaft bestehend aus Andreas R. (Berlin), Andreas Pohl (Berlin), Helmut Braun (Heidelberg), Jens Lindlar (Bielefeld) und Steffen Hupka (Hannover). Mittlerweile soll hier auch ostdeutsche Neonazis wie Thomas Richter (Halle) als Parteiaktivisten verkehren.

Vorfeld-Organisationen

Die NF verfügt über zwei Vorfeldorganisationen. Ihr Zweck ist zum einen, in unmittelbarer Nähe zur Partei für Interessierte organisatorische Auffangbecken zu schaffen. So kann eine, durch den Kader kontrollierte, Auswahl des zukünftigen Nachwuchses erfolgen. Dies gilt vor allem für Jugendliche, die zwar früh in die NF-Zusammenhänge eingebunden werden sollen, aber aus Sicht der politischen Führer noch einer »intensiven ideologischen Schulung« bedürfen. Diesem Ziel dient der „Jungsturm Deutschland“ (JSD). Hier soll nach dem Willen der NF Mitglied werden, »wer noch sehr jung ist (ab 14 Jahre), noch sehr viel lernen will und muß, aber dennoch schon im Rahmen seiner Möglichkeiten für Deutschland kämpfen möchte«. Ein anderes Ziel von Vorfeldorganisationen ist, Sympathisanten an die Parteiorganisation zu binden, die die NF selbst so charakterisiert: Leute, die »nicht an der 'Front' kämpfen« können, aber trotzdem »auch nicht abseits stehen« möchten, oder solche, die »nicht im Rampenlicht stehen wollen«. Dafür steht der NF der bereits erwähnte »Förderkreis Junges Deutschland« zur Verfügung, dessen Satzung sich ausdrücklich auf die freiheitlich-demokratische Grundordnung bezieht.

Die NF-Struktur

Bundesweit gliedert sich die NF inzwischen in zwei »Bereiche«. Zum »Bereich Nord« gehören die Bundesländer Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen, Bremen, Nordrhein-Westfalen und Berlin. Dem »Bereich Süd« sind die Bundesländer Bayern, Hessen, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und das Saarland zugeordnet. Hier sind Helmut Braun, Jürgen E. (Bayern) und Jürgen D. aus Ketsch (Rhein-Neckar) führend aktiv. Ob sich die neuen Bundesländer in dieses Schema eingeordnet haben, oder ob unter dem Eindruck der jüngsten Ereignisse ein gesonderter »Bereich Mitte« geschaffen worden ist, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht mit letzter Sicherheit beantworten. Der Bundesvorstand der NF wird gebildet von Meinolf Schönborn (mittlerweile Vorsitzender) sowie seinen drei Stellvertretern Andreas Pohl (Berlin), Eckhard Scholz und Helmut Braun (Heidelberg). Braun ist außerdem auch Bundeskassenwart und Bereichsleiter Süd. Als Beisitzer firmiert Jens Lindlar. Den »Bereich Nord« leitet Steffen Hupka, ihm zur Seite stehen Hans-Joachim V. und Mathias Sch.3 .
Mit ihren Zielsetzungen und dieser organisatorischen Untersetzung versucht die NF, sich vor allem für Jugendliche, besonders für bereits anpolitisierte Neonazi-Skinheads und rechte Hooligans interessant zu machen. In Abgrenzung zu anderen militant-neonazistischen Gruppierungen war die NF immer um ein betont jugendliches Image bemüht. Andreas Pohl, der Berliner Lokalmatador der NF beispielsweise, war Mitte der achtziger Jahre Mitglied der Band »Kraft durch Froide« (KdF) und des extrem rechten »Hertha-BSC«-Fan-Clubs „Endsieg“.
Im „Aufbruch“ vom September 1991 benennt die NF ihre Zielgruppen selbst so: »Schülerschaft, insbesondere die der Oberschulen und ihrer Oberklassen«, »Lehrlinge und Jungarbeiter«, »die Landjugend« und »schließlich der sogenannte Mittelstand, also das freiberufliche Bürgertum«. Im „Organisationshandbuch“ der NF wird die »Ortsgruppe« als kleinste Einheit der Partei benannt. Über funktionsfähige Ortsverbände verfügt die NF mittlerweile unter anderem in Bremen, Braunschweig, Berlin, Bielefeld-Gütersloh, München und Heidelberg. Tatsächliches Rückgrat der NF aber sind sogenannte »Zellen«, die ein über das gesamte Gebiet der Bundesrepublik verteiltes Netz bilden. Mehrere »Zellen« bilden einen »Stützpunkt«, eine eher landschaftlich untergliederte Organisationsform, die sich in den letzten Jahren verstärkt durchsetzt. Die Arbeit bestehender Ortsverbände ist durchaus unterschiedlich organisiert. In Bremen beispielsweise, wo die NF über einen harten Kern von fünf bis zehn Figuren verfügt, macht sie sich praktisch überhaupt nicht öffentlich bemerkbar, Aufkleber finden sich kaum. Und doch haben diese Kader aus der Deckung großen Einfluss in der Stadt. Von einem solchem Kern ausgehend organisiert die NF beispielsweise in Bremen Gruppen im Umland der Stadt.

Aktivitäten

Mit dieser Struktur im Hintergrund führte die NF schon immer konspirativ organisierte »Schulungs und Weiterbildungstreffen» auf Bereichs- und/oder bundesweiter Ebene durch. Doch die Zielsetzung solcher Treffen änderte sich in den letzten drei Jahren erheblich. So wurde das angestrebte Ergebnis eines »Norddeutschen Treffens« am 20. Mai 1989 noch mit »Bildung eines Kadernetzes, Schaffung einer logistischen Zentrale, Aufbau eines Verlages und Sicherung einer eigenen Presse« sowie der Organisierung von »Regelmäßige(n) weltanschaulich-geistige(n) und körperliche(n) Schulungen« angegeben. Bundesweite Schulungen, auf denen die Kader ihre Weltsicht vermittelten, fanden bis dahin fast ausschließlich in der Bielefelder Bleichstraße statt. Zur »Körperlichen Ertüchtigung« wurden - ähnlich wie bei der Wiking Jugend und analog zu den Wehrsportübungen der GdNF - sogenannte »Ausbildungszeltlager« veranstaltet. Die Voraussetzung zur Teilnahme am »Ausbildungszeltlager der NF vom 27.7. bis zum 5.8.1990« beschrieb die Einladung folgendermaßen: »absoluter Wille zur Leistung, uneingeschränkte Anerkennung der Lagerleitung, körperliche Gesundheit und Leistungsfähigkeit sowie allerhöchste Disziplin«.

Beim letzten Bundestreffen der NF am 6. April 1991 im hessischen Niederaula rückten die Anstrengungen zum Parteiaufbau jedoch deutlich an die zweite Stelle. Im Mittelpunkt stand hingegen ein Referat des Rechtsanwaltes Jürgen Rieger, das er selbst so ankündigte: »Die Ausländerflut gefährdet die biologische Existenz unseres Volkes. In meiner Rede werde ich deutlich dazu Stellung nehmen und einen realisierbaren 9-Punkte-Plan zur Ausländerrückführung vorstellen!« Das tat er dann auch. Originalton Rieger in Niederaula: »Wir müssen ihnen4 den Aufenthalt so unbequem wie möglich machen!« Interessant ist, daß der Einladung nach Niederaula ein Text von Karl Richter (einem wichtigen Autoren der Neuen Rechten) aus »Nation und Europa Nr. 11/12 1990« beigegeben war, den die NF lapidar mit »die Intellektuellen 'entdecken' die Kaderpartei« kommentierte. In diesem Aufsatz hieß es nämlich: »Für eine Kaderpartei am rechten Rand wäre Platz und Bedarf in einer sich abzeichnenden Monokultur der deutschen Parteienlandschaft.« Bei der im oberfränkischen Rodig am 29. Juni 1991 geplanten sogenannten »Bundesveranstaltung der NF« ging es dann bereits ausschließlich und in großem Stile um die Propagierung der »Holocaust-Lüge«. Mit dieser Veranstaltung versuchte auch die NF, sich in den übergreifenden ideologisch-propagandistischen Rahmen des gesamten deutschen neonazistischen Lagers (den Geschichtsrevisionismus) einzuordnen.

"Nationales Einsatzkommando" ?

Die letzte spektakuläre Aktion der NF ist ein von Meinolf Schönborn unterzeichneter Aufruf zur Bildung eineGruppe namens "Nationales Einsatzkommando" (NEK) vom Oktober 1991. Dahinter verbirgt sich der Versuch, in einer Zeit massiver neonazistischer Gewalt gegen AusländerInnen und Andersdenkende, einen eingetragenen Verein ausschließlich für paramilitärische Zweck zu etablieren. Als Vorbilder für eine solche Organisation benennt der Aufruf neben dem Cheruskerfürsten Arminius, den Reichsritter Florian Geyer auch Albert Leo Schlageter : » (…) organisierte er [...] Sabotageakte gegen die Besatzungsmacht. [...] Handeln wir, wie er heute auch handeln würde!« neben den deutschen Freikorps wird wieder auch die Waffen-SS aufgeführt: »Ihr Kampf soll unser Beispiel sein. Jetzt sind wir jungen Nationalisten in der Pflicht, wie sie heldenhaft für Deutschland zu kämpfen!«. Die wichtigsten Aufgaben des NEK sollen sein: »Aufstellung kadermäßig gegliederter hochmobiler Verbände, Ausbildung von sportlichen und gesunden Kameraden für den politischen Kampf auf der Straße, Planung und Durchführung von überraschend durchgeführten zentralen Aktionen«. Üblicherweise bezeichnet man derartige Zusammenschlüsse als Wehrsportgruppen. Daß sich hier manches anders zu verhalten scheint, zeigt mindestens die große Zurückhaltung bundesdeutscher Sicherheitsbehörden gegenüber dieser Gründung. Auf eine Kleine Anfrage der PDS-Bundestagsfraktion vom Februar 1992 teilte das Bundesinnenministerium (BMI) lapidar mit: »Der Bundesregierung ist [...] der Sachverhalt bekannt«. Im Übrigen bleibt das BMI bei seiner Aussage, daß »eine zentrale Steuerung der gewalttätigen Ausschreitungen gegen Ausländer durch Rechtsextremisten bisher nicht erkennbar« ist. Auch das Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln konnte auf Anfrage »nicht mehr sagen« als: »Das Schreiben ist uns bekannt.« Hinweise, wonach gegen Schönborn und sieben andere Personen in diesem Zusammenhang ein Ermittlungsverfahren nach §129a eingeleitet worden sei, wurden bis dato noch nicht offiziell bestätigt. Dabei ist die Verbindung der NF zum neonazistischen Terror in Deutschland weder unbekannt noch neu. Bereits 1988 war nachweislich ein NF-Aktivist bei einem Brandanschlag auf ein AusländerInnenwohnheim in Bayern beteiligt, bei dem vier Menschen starben 5 ; 1991 waren NF-Aktivisten bei Anschlägen auf Flüchtlingswohnheime in und um Bremen dabei.

Die NF nach der Wende

Die Veränderung der politischen Verhältnisse in Deutschland und der als »Wende« betitelte Anschluß der DDR an die BRD, stellte auch die NF - wie andere neonazistische Gruppen - vor völlig neue Aufgaben. Kontakte der NF zu neonazistischen Aktivisten der extreme rechten Skinhead- und Hooliganszene der DDR lassen sich, besonders in Berlin, schon für das Jahr 1986 nachweisen. Andreas Pohl schrieb damals im „Klartext“ vom »festen Bündnis der Freundschaft, das sich leider, bedingt durch die Mordmauer, nur in Besuchen unsererseits ausdrückt«. Daher wundert es nicht, daß bei den Angriffen auf besetzte Häuser im Ostberliner Bezirk Prenzlauer Berg durch Hooligans im Frühjahr 1990 auch Aktivisten der Westberliner NF, zum Beispiel Christian Fr., auftauchten. Abgesehen von diesen, auf Ostberlin beschränkten Kader-Aktivitäten, verhielt sich die NF jedoch nach der Maueröffnung anders als andere neonazistische westdeutsche Gruppierungen. Während beispielsweise die GdNF versuchte, durch massive Kaderpräsenz schnell im sogenannten »Mitteldeutschland« zu einer Massenbasis zu gelangen - und so zum bestimmenden neonazistischen Element des Jahres 1990 wurde -, setzte die NF zunächst darauf, bereits in der DDR führende Aktivisten zu Intensivschulungen in die westdeutschen NF-Zentren einzuladen. Nach drei oder vier Monaten kehrten diese dann in die DDR zurück und bauten dort scheinbar eigenständige politische Organisationen auf.

Markantestes Beispiel dafür ist Thomas Kreyßler aus Arnstadt bei Erfurt in Thüringen. Der ehemalige FDJ-Sekretär gründete dort im September 1990 eine Deutsche Volkspartei (DVP) einzig aus dem Grunde, »um der obligatorischen verfassungsschützenden Bespitzelung der NF zu entkommen«. Während unabhängige und antifaschistische Beobachter noch rätselten, welcher Ecke des neonazistischen Spektrums diese Gruppierung denn nun zuzurechnen sei, war Meinolf Schönborn mehrfach in Arnstadt zu Gast und hielt mindestens einmal eine öffentliche Veranstaltung für alle Mitglieder der DVP ab. Ahnlich stellen sich die Verhältnisse in Eberswalde-Finow, 60 Kilometer nordöstlich von Berlin, dar. Dort gründete Tristan Dewitz eine Gruppierung „Deutsch Nationaler Völkischer Bund“, nachdem er in Westdeutschland war. Der Pressesprecher der Eberswalder Polizei behauptet hingegen: »Bei uns gibt es keine rechtsextreme Szene, nur ein paar Sympathisanten«. Ein Gründungstreffen mit 75 Personen im November 1990 war von der Stadt untersagt worden. Am 24. November 1990 war in Eberswalde Antonio Amadeu aus rassistischem Hass von Eberswaldern Neonazis brutal zu Tode geprügelt worden. Trotzdem hatte mit Tristan Dewitz einer der dortigen Führer eine städtische ABM-Stelle bekommen.

Gerade in Kleinstädten des Landes Brandenburg gelang es der NF, im Jahre 1991 massiv Zulauf zu erlangen. Besonders ausgehend von Kreisstädten im Umfeld Berlins (Oranienburg, Strausberg, Velten, Nauen, Königs Wusterhausen) konnte die NF auch zunehmend dort Fuß zu fassen, wo im Jahre 1990 noch die Kader der GdNF den Ton angaben. Bereits im November 1990 »bedankte« sich die »Organisationsleitung« bei der »Aufbaugruppe Königs Wusterhausen« für deren Vorbereitung des »Aufmarsches in Halbe«. Von Eberswalde aus wird heute wiederum ein großer Teil der Szene zur polnischen Grenze hin (Schwedt oder auch Frankfurt/Oder) organisatorisch einbezogen. Mittlerweile muß davon ausgegangen werden, daß die NF an weiten Teilen der Grenze zu Polen »Zellen« und »Stützpunkte« besitzt. 6

Zweifellos geholfen hat ihr dabei auch ihre nationalrevolutionäre Propaganda, die für den oberflächlichen DDR-Beobachter doch viele »linke« Versatzstücke enthält. So konnte die NF die scheinbare Nähe zwischen dem, in der ehemaligen DDR weit verbreiteten, vulgärmarxistischen und dem nationalrevolutionären Weltbild für ihre Zwecke nutzen. Zu Gute kam ihr sicher auch die Verwirrung der politischen Begriffe, die momentan in den fünf neuen Ländern herrscht. Für den flüchtigen Beobachter ist beispielsweise der Unterschied zwischen dem »Dritten Weg«, den die PDS propagiert, und dem »Dritten Weg«, der sich in den programmatischen Aussagen der NF findet, kaum noch auszumachen. Daß dieser nationalrevolutionären Propaganda auch »altgediente« Linke aufsitzen können, zeigt die jüngste Entwicklung in Berlin. Dort gelang es der NF, mit einer Stimme Mehrheit im Landeswahlausschuß zu den Kommunalwahlen im Mai diesen Jahres zugelassen zu werden. Die Stimme kam von einem Vertreter der PDS-Kreuzberg.

In letzter Zeit bemüht sich die NF ohnehin, verstärkt an Wahlen teilzunehmen. So traten sie zur letzten Bürgerschaftswahl in Bremen (1991) an, erhielten aber nur einen verschwindenden Bruchteil der Stimmen. Offenbar ging es darum aber auch gar nicht - vielmehr sollten Erfahrungen mit dem politisch-agitatorischen Instrument »Wahlkampf« gesammelt werden. An der diesjährigen Berliner Kommunalwahl am 24. Mai kandidiert die NF im Stadtbezirk Hohenschönhausen. Nachdem die NF im Frühherbst 1991 ihr Zentrum in der Bielefelder Bleichstraße aufgegeben hatte, verstärkten ihre zunehmenden Ost-Aktivitäten den Eindruck, wonach sie auf der Suche nach einer neuen Zentrale in den fünf neuen Ländern wäre. Die verstärkte Wahlteilnahme, die Veränderung der Schwerpunkte bundesweiter Aktionen und der Wunsch nach einer paramilitärischen Struktur lassen in Kenntnis der Entwicklung der NF den Schluß zu: der parteiinterne Strukturaulbau ist offenbar weitgehend abgeschlossen.

Die nationalen und die internationalen Verbindungen

Bei aller Konspiration und bewußter öffentlicher Abgrenzung war die NF doch immer Teil des gesamten neonazistischen Lagers der Bundesrepublik - und ist es heute mehr denn je. Am engsten sind natürlich die Verbindungen zur JN. Das erklärt sich einerseits aus der Entstehungsgeschichte der NF, andererseits aus der großen ideologischen Nähe beider Gruppierungen. Eine praktische Zusammenarbeit zwischen JN und NF findet sich vor allem dort, wo beide jeweils nur kleine eigene Ortsgruppen vorweisen können, so in Braunschweig. Hier ist nämlich der Ortsvorsitzende der JN, Jens D., gleichzeitig Mitglied der NF. Doch auch zur GdNF gibt es gute Kontakte. Im Streit der Lager, der nach Kühnens Schrift zur Homosexualität die FAP spaltete, fungierte die NF zeitweise als Vermittler. Im Juni 1987 beispielsweise rief Christian Worch beide FAP-Flügel zu einem »Treffen auf neutralem Boden« auf, um die internen Querelen zu klären. Diesen Ort stellte nach dem Verständnis der GdNF-Kader die NF-Zentrale in der Bielefelder Bleichstraße dar. Andererseits nahm die NF als Organisation bewußt nicht an den sogenannten »Rudolf-Heß-Gedenkmärschen« in Wunsiedel teil. Diese Abstinenz wurde unter anderem folgendermaßen erklärt: »Wir lehnen es ab, Leute zu verheizen und Dinge zu tun, deren Folgen wir kaum vorhersehen und beeinflussen können. [...] Nichtteilnahme der NF ist in erster Linie dieser Sicherheitsaspekt.« Trotzdem stellte die »Organisationsleitung« ihren Parteimitgliedern ausdrücklich frei, auf eigene Rechnung in Wunsiedel mitzumachen.

Bei anderen neonazistischen Bündnisaufmärschen ist die NF weniger »vorsichtig«. Seit zwei Jahren erscheint bei dem, von der "Deutsche Kulturgemeinschaft" (DKG), auf dem Areal der letzten Kesselschlacht des 2. Weltkrieges in Halbe südlich von Berlin, veranstalteten Aufmarsch, immer auch ein Block der NF in militärischer Formation. Daß dieser Termin für eine Gruppierung, die, wie mehrfach erwähnt, einen großen Teil ihres historischen Selbstverständnisses aus den Traditionen der Waffen-SS bezieht, geradezu ein Muß ist, versteht sich von selbst. Hauptsächlich SS-Divisionen versuchten in dieser letzten großen Schlacht des 2. Weltkrieges Berlin zu verteidigen. Die Aufmärsche in Halbe sind insofern interessant, als daß sich hier Kader aus allen neonazistischen Lagern zu einer gemeinsamen Aktion treffen.

Die Zusammenarbeit mit der DKG hat für die NF eine »gute Tradition«. Seit 1989 nehmen NF-Kader nämlich an den von der DKG organisierten »Gästewochen« - einer Art Schulungs- und Austauschseminar - teil. Über das Zwischenglied DKG und ihre »Gästewochen« werden ohnehin Verbindungen zu anderen neonazistischen Organisationen gepflegt. Dies betrifft einmal die sich selbst so verstehende »demokratische Rechte«. In Bremen stellten NF-Mitglieder beispielsweise 1989 den Saalschutz für die DVU. Zum Anderen sind über solche Querverbindungen offenbar auch die Kontakte zu führenden Figuren aus dem Revisionismus-Lager hergestellt worden. Eine andere Form der Zusammenarbeit mit inländischen Neonazigruppen hat die NF durch die Bildung einer Gruppierung namens "Deutsche Jugendinitiative" (DJI) entwickelt. Hier vereinigen sich hauptsächlich Kader der FAP mit denen der NF durch die bei beiden vorhandene Ausländerfeindlichkeit. Ein weiteres Indiz für die, auch von der NF ausgehenden, Integrationsbestrebungen innerhalb des extrem rechten Lagers ist die Tatsache, daß der schon mehrfach erwähnte Jürgen Rieger seit dem letzten Jahr als Mitglied der NF gilt. Rieger hat eine Schlüsselfunktion bei der Integration der verschiedenen, durch Weltanschauung oder persönliche Empfindlichkeiten getrennten, militant neonazistischen Gruppen in der Bundesrepublik. Das läßt sich am leichtesten in der Formel: er kennt alle und alle kennen ihn, zusammenfassen. Rieger vertritt seit Jahren angeklagte Neonazis aller Fraktionen in Strafprozessen, und ficht bevollmächtigt die Verwaltungsklagen der GdNF aus. Wie andere neonazistische Organisationen auch, verfügt die NF über internationale Kontakte. In einem Bericht von der »14. DKG-Gästewoche« im österreichischen Pichl/Steiermark heißt es beispielsweise: »Unsere Kontakte nach Spanien und den Niederlanden konnten wir ausbauen«.

  • 1„Aufbruch“ März 1991 und „Organisationshandbuch der NF“
  • 2Broschüre: "Die antifaschistische Selbsthilfe organisieren !"
  • 3Nachtrag: Zum Zeitpunkt des NF Verbotes bestand der auf dem „Parteitag" der NF am 27. Juni 1992 in Hetendorf (Niedersachsen) gewählte Vorstand. Der Vorsitzende, Organisationsleiter und Generalsekretär Meinolf Schönborn, sein Stellvertreter Thorsten Schibblock, der 2. Stellvertreter Eckhard Scholz, der Beisitzer Thorsten Wiedau und der Beisitzer und zentrale Kassenwart Stephan Pielert. Beisitzer in der Schiedskommission war Holger Kies (Stuttgart). Aufgrund interner Streitigkeiten hat sich eine Gruppe um den ehemaligen Stellvertretenden Bundesvorsitzenden Andreas Pohl abgespalten und auf einem eigenen „Parteitag" am 8. August 1992 in Kremmen einen alternativen Vorstand gebildet, dessen Vorsitzender Pohl ist. Hier wurde Matthias Schwier, Jürgen Dehmer und Enno Gehrmann zu Andreas Pohls neuen Stellvertretern gewählt. Helmut Braun wurde zentraler Kassenwart und Steffen Hupka ein Beisitzer. Die Bundesschiedskommission besetzten Axel Grunow, Heiner Teske und Lutz Bentrup. Die "Kameraden" Haase, Mehr und Richter waren hier als "Zählkommission" anwesend und dürften damit wie die angereisten Vertreter des "Bereich Mitte", des "Bereich Süd", der "Ortsgruppe Berlin", der "Ortsgruppe Kehlheim" und der "FAP Pankow" auch zum Pohl-Flügel gerechnet werden können.
  • 4Gemeint sind damit "die Ausländer" - d.A.
  • 5Im Dezember 1988 verübte das NF-Mitglied Josef Saller einen Brandanschlag auf ein Haus in Schwandorf, in dem hauptsächlich Ausländer wohnten. Vier Menschen, Osman Can (49), Fatma Can (43), Mehmet Can (11) und Jürgen Hübener (47), verbrannten bzw. erstickten.
  • 6Eine wesentliche Ausnahme bildet einzig das Gebiet um Cottbus, das die "Deutsche Alternative" für sich beansprucht.