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Die skandinavische Rechte und der Ukraine-Krieg

Recherchekollektiv Redox
Einleitung

Der Beginn des Krieges im Donbass zwischen prorussischen Separatisten und der Ukraine im Jahr 2014, führte auch bei der extrem Rechten in Skandinavien zu Streitigkeiten. Neonazis aus dem Norden haben auf beiden Seiten des Konfliktes mitgewirkt. Das antifaschistische Recherchekollektiv Redox schaut näher auf die bestehenden Kontakte und wie sich innerhalb der Szene zur russischen Invasion verhalten wird.

Foto: Screenshot

Mattias Middelman, Alexander Nystrand und Andreas Carlsson im Februar 2022 in der Ukraine.

Die „Partei der Dänen“ (DP, Danskernes Parti) und deren Schwesterpartei „Partei der Schweden“ (SvP, Svenskarnas Parti), hatten schon im Vorfeld des Krieges gute Kontakte nach Kiyev, insbesondere zur rechten Partei Svoboda. Als Russland die Krim und Teile der Ostukraine annektierte sendeten sie Delegationen nach Kiyev, um die Svoboda zu unterstützen. Der Neonazi und ehemalige DP-Kader Daniel Carlsen reiste durch Europa und hielt Vorträge zur Unterstützung Svobodas und deren „Nationalistischen Revolution“.

Es gab aber auch Akteure der extrem Rechten in Skandinavien, die den Konflikt anders bewerteten. Die „Nordiske Motståndsrørelsen“ (NMR, Nordische Widerstandsbewegung), die zu diesem Zeitpunkt noch „Schwedische Widerstandsbewegung“ hieß, stand auf Seiten der pro-russischen Separatisten. Im Sommer 2014 kritisierte die NMR zusammen mit anderen Neonazis die SvP für deren Zusammenarbeit mit Svoboda, da diese „von einer jüdischen Machtelite gesteuert seien.“

Offiziell beendet die SvP erst 2014 die Zusammenarbeit mit Svoboda, nachdem sich ihr Mitglied Andreas Carlsson auf der Flucht vor der Polizei bei ukrainischen Nationalisten verstecken konnte. Carlsson war in eine Konfrontation mit Antifaschist_ Innen in Malmö involviert und wurde anschließend wegen gefährlicher Körperverletzung sowie vierfachen Mordversuchs gesucht. Einige Tage vor dem Angriff war er noch bei Svoboda zu Besuch gewesen und hatte dort unter anderem Messerkampf trainiert. Ein anderes Beispiel aus dieser Zeit ist das SvP-Mitglied Mikael Skilt, der sich dem ultra-rechten Bataillon „Azov“ anschloß. Der ausgebildete Scharfschütze Skilt schulte Azov-Anhänger und nahm selbst an Kampfhandlungen teil.

Carlsson war allerdings nicht der einzige Neonazi, der den Konflikt genutzt hat, um auf der Flucht vor der Polizei unterzutauchen. Letztes Jahr veröffentlicht das schwedische Magazin Expo einen Bericht über das NMR Mitglied Simon Arnamo. Dieser wurde seit zehn Jahren wegen Mordes gesucht und hatte sich abgesetzt, um im Ukraine-Krieg auf der Seite pro-russischer Militärs zu kämpfen. Mehrere Quellen berichteten, das er im Kampf umgekommen sei. Auch andere NMR Mitglieder reisten in den vergangenen Jahren in die Kriegsregion und nahmen aktiv an Kampfhandlungen teil, jedoch meist auf pro-russischer Seite.

Neuer Krieg – alte Konflikte

Die DP und SvP haben sich mittlerweile aufgelöst und viele der früheren Führungsfiguren sind jetzt bei der ultra-rechten Gruppe „Det Fria Sverige“ (DFS, Das freie Schweden) aktiv. Anläßlich der russischen Invasion in der Ukraine scheuen sich die alten SvP Kader nicht, ihre Solidaritätsarbeit wieder aufzunehmen. Diesmal allerdings im organisatorischen Rahmen von DFS. Rechte Aktivisten organisieren Hilfseinsätze und Spenden für Menschen, die sie „die richtigen Flüchtlinge“ nennen. Im April 2022 veröffentlicht die schwedische Zeitung „Göteburg Posten“ eine Reportage über ein DFS Mitglied und dessen Freunde, die in die Ukraine gereist waren um Schutzsuchenden zu helfen. Den politischen Hintergrund dieser Reisegruppe verschweigt der Bericht. Die Teilnehmenden waren bekannte Personen aus der Neonazi-Szene. Unter ihnen auch Andreas Carlsson, der mittlerweile bei der DFS aktiv ist.1

Während alte SvP-Aktivisten ihre Ukraine Solidarität innerhalb der DFS forsetzen, hat sich die prorussische Haltung der NMR etwas abgeschwächt. Wo früher noch NMR-Anhänger aktiv an der Seite Russlands gekämpft hatten, ist nun die Unterstützung nicht mehr ganz so intensiv ausgeprägt.

Es gibt aber weiterhin Kritik von Seiten der NMR an der Ukraine und eine kaum getarnte Unterstützung Russlands. Mit dieser Position steht die NMR insbesondere in Dänemark recht alleine da. Bis vor wenigen Jahren sah das noch anders aus und man sah z.B. Russland Fahnen beim dänischen PEGIDA-Ableger. Auch die jetzt herrschende parlamentarische Einigkeit, gab es zuvor in diesem Umfang noch nicht. Politiker_innen der extrem rechten Partei „Nye Borgerlige“ (NB, Neuen Bürgerliche) äusserten offen Russland-Solidarität und behaupteten, das „Muslime eine grössere Bedrohung sind als Russland“. Auch in der nationalkonservativen „Dansk Folkeparti“ (DF, Dänische Volkpartei) waren die Fronten zu dieser Zeit nicht so deutlich wie heutzutage.
Die ehemaligen DF Verteterin Marie Krarup wurde für ihre angeblichen Russland Kenntnisse geschätzt und gelobt. Heute steht sie mit ihrer Solidarität allein auf weiter Flur. Russland Solidarität sieht man in Dänemark nur noch in Verschwörungskreisen und beim NMR. Wobei sogar beim NMR Dänemark mittlerweile intern Uneinigkeit über die Linie zu Russland besteht.

Rassisten unterstützen Geflüchtete?

Eine Unterstützung der Ukraine ist in der extrem Rechten in Dänemark sehr verbreitet, genau wie im Rest der dänischen Gesellschaft. Mehrere rechte Akteure sind in die Ukraine gereist, um auf verschiedene Art Unterstützungsarbeit zu leisten. Ninna Martina Moeskers (lange Jahre aktiv bei PEGIDA Dänemark und in der der Dänischen Partei) sowie Lars Grønbæk Larsen sind nur zwei prominente Beispiele.2 Larsen ist eine zentrale Figur in der dänischen extrem Rechten der vergangenen 20 Jahre.

Die ultra-rechte Organisation „Generation Identitäre“ (GI) engagiert sich ebenfalls in der Unterstützung ukrainischer Flüchtlinge. Anfang März 2022 reiste eine Delegation nach Budapest, wo Sie zusammen mit GI Aktiven aus Ungarn, Deutschland und Frankreich Essen und andere Hilfsmittel an ukrainische Flüchtlinge in der Stadt verteilten. Das diese plötzliche Unterstützung von Flüchtlingen nicht missverstanden werden solle und nur explizit für Flüchtlinge aus der Ukraine gilt, stellen sie öffentlich klar: „In Generation Identitäre meinen wir, das ein totaler Asylstopp für alle, abgesehen von den vertriebenen UkrainerInnen, welchen wir selber im Augenblick helfen, notwendig ist.“

Gescheiterte Neonazi Demonstration für die Ukraine

Eine andere Neonazi-Organisation, die mit Äusserungen zum Ukraine Krieg auffällt ist die Kameradschaft „Dänemarks Nationale Front“ (DNF, Damarks Nationale Front). Die DNF unterhält seit vielen Jahren enge Kontakte zur Neonazibewegung in der Ukraine, was zu regelmässigen gegenseitigen Besuchen führte. Die DNF hat deswegen nach fast drei Jahren Inaktivität plötzlich zu einer Demonstration in Viborg gegen die russische Invasion in die Ukraine aufgerufen.

Das Datum für diese Demonstration war mit dem 9. April geschichtsträchtig gewählt. An diesem Tag jährte sich der Einmarsch Nazideutschlands nach Dänemark im Jahr 1940. Viborg wurde als Stadt ausgewählt, die in Dänemark die meisten ukrainischen Flüchtlinge aufgenommen hatte. Die DNF zielte offensichtlich darauf ab, diese Flüchtlinge für ihre Demonstration zu mobilisieren. Der Demonstrations-Aufruf wurde sowohl auf Dänisch als auch Ukrainisch verfasst.

Das sorgte für einige Furore und der Stadtrat Viborg ging mit einem gemeinsamen Aufruf an die Öffentlichkeit, nicht an der Demonstration teilzunehmen. Die Initiative der DNF schlug letztendlich fehl. Geflüchtete Ukrainer_innen nahmen nicht an der Neonazi-Demonstration teil, zu welcher sich nur eine Handvoll bekannter Neonazis mobilisieren ließ.