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Die Russland-Sympathien der österreichischen FPÖ

Einleitung

Am 17. Mai 2019 veröffentlichten "Der Spiegel" und die "Süddeutsche Zeitung" zeitgleich etwa fünf Minuten aus einem Video, das im Sommer 2017 heimlich auf Ibiza aufgenommen wurde. Einen Tag später war die damalige österreichische Regierung Geschichte.

Foto: Screenshot YouTube; Der Spiegel

In dem Video ist zu sehen, wie der damalige Parteichef der FPÖ, Heinz Christian Strache, nicht nur freimütig mit einer vermeintlichen russischen Investorin, einer jungen Oligarchin, über die Vergabe von Staatsaufträgen parlierte, sondern auch über die Möglichkeit, Spenden am Rechnungshof, dem Kontrollorgan der Republik Österreich, vorbeizuschleusen. Mit der Übernahme der "Kronen Zeitung", der auflagenstärksten Tageszeitung Österreichs, wollte er mit zum Teil erneuerter Redak­tion die Macht übernehmen. Auch seine Haltung gegenüber Medien machte er mehr als deutlich: „Journalisten sind ja sowieso die größten Huren auf dem Planeten.“ Das Video erschütterte die Republik und katapultierte die FPÖ aus der Koalition mit der konservativen ÖVP. Strache wurde schließlich aus der FPÖ ausgeschlossen.

Es passt zu Strache und seinem einstigen Stellvertreter Johann Gudenus, der ebenfalls auf dem Ibiza-Video zu sehen ist, dass sie über eine Videofalle mit einer vermeintlichen russischen Oligarchin stolperten. Regelmäßig reisten die beiden Politiker nach Russland oder in dessen Satellitenstaaten, etwa nach Tschetschenien. Beziehungen pflegte Strache zum Milliardär Константин Малофеев (Konstantin Malofejew), der 2014 in Wien einen (extrem) rechten Kongress organisiert hatte. Bei diesem Treffen waren neben Strache und Gudenus auch der als „Chefideologe der Eurasischen Bewegung“ bezeichnete Александр Дугин (Alexander Dugin) zugegen. Dugin vertritt die Idee eines europäisch-asiatischen Bündnisses unter der Führung Russlands. Seine Vorstellungen sind durch antiliberales Denken, die Ablehnung des Westens, Traditionalismus, Nationalismus und Überlegenheitsfantasien geprägt. Schon vor dem Überfall auf die Ukraine rief Dugin wiederholt öffentlich zu einem Angriffskrieg gegen die Ukraine auf.

Die Sympathie der FPÖ für die russischen Verhältnisse mündete 2016 in einem Freundschaftsvertrag, den die FPÖ mit der putinnahen Partei Единая Россия („Einiges Russland“) unterschrieb.
Strache und Gudenus sind noch immer klar positioniert. Beide sprachen sich nach dem Überfall auf die Ukraine gegen jegliche Sanktionen gegen Russland aus. Damit sind sie auf Linie mit der FPÖ. Der aktuelle FPÖ-Parteichef Herbert Kickl kann jedoch politisch und ideologisch wenig mit Putin anfangen. Kickls Positionen sind auf Stimmenmaximierung ausgerichtet. So warnt er, dass Sanktionen die österreichische Wirtschaft schädigen würden, hält sich mit antiamerikanischen Whataboutism zurück und betont lieber die Neutralität Österreichs. Das kommt bei einem Teil der Bevölkerung gut an. Die 2016 vereinbarte Kooperationsvereinbarung mit „Einiges Russland“ lies Kickl auslaufen.

Aussagen anderer FPÖ-Politiker_innen sind hingegen kaum von russischer Propaganda zu unterscheiden. Da ist von einem „sogenannten Überfall“ die Rede und von einer „angeblichen russischen Bedrohung ganz Europas“. Auch wird die USA wesentlich für den Krieg mitverantwortlich gemacht. Derartige Sätze kommen von Johannes Hübner, einem Mitglied der „Neigungsgruppe Moskau“, die sich zu Straches Zeiten in der FPÖ gefunden hat.

Strache setzte ab 2008 auf eine Annäherung seiner Partei an Russland. Seither rissen die Kontakte nicht mehr ab. 2012 etwa statteten hochrangige Delegationen der FPÖ Tschetscheniens Potentat Рамзан Кадыров (Ramsan Kadyrow) einen umstrittenen Besuch ab. Eine Intensivierung der Achse Wien–Moskau ließ sich 2014 beobachten, parallel zu einer zunehmenden außenpolitischen Isolierung Russlands im Zusammenhang mit der russischen Ukraine-Politik.

FPÖ-Politiker_innen pilgerten in diesem Jahr wiederholt in den Osten und stellten einen der „Wahlbeobachter“ des „Krim-Referendums“ im März 2014, mit dem Russland die völkerrechtswidrige Annexion der ukrainischen Halbinsel zu legitimieren versuchte.

Diese Kontakte, insbesondere der Freund­schaftsvertrag mit der Kreml-Partei, sorgten im Jahr 2017, nach dem Regierungs­eintritt der Freiheitlichen in Österreich, international für Aufregung. Ausländische Geheimdienste schränkten die Zusammen­arbeit mit ihrem österreichischen Gegenüber teilweise ein, da sie befürchteten, dass Informationen direkt bei Putin landen könnten. Schließlich kontrollierte die FPÖ über das Innen- und Verteidigungsministerium alle österreichischen Nachrichtendienste. Bis heute werden österreichische Nachrichtendienste von ihren Partnern außen vorgelassen, wenn es um Russland geht.

Als die FPÖ-Führung im Dezember 2016 den Freundschaftsvertrag mit der "Putin-Partei" in Moskau unterschrieb, war in deren Entourage auch ein Mann vertreten, der später eine herausragende Rolle bei den Protesten gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie spielte. Neben den Parteigranden Norbert Hofer, dem EU-Abgeordneten Harald­ ­Vilimsky, Johannes Hübner und Johann Gudenus, dem ehemaligen Linzer Vizebürgermeister Detlef Wimmer war auch Stefan Magnet dabei.

Magnet, einst Kader einer oberösterreichischen Neonazi-­Gruppe, gründete im vergangenen Jahr den Online-TV-Sender Auf1, der sich seither als Sprachrohr der Corona-Leugner_innen etabliert hat. Aus seiner Verehrung gegenüber Putin macht Magnet keinen Hehl – dementsprechend sind auch die Beiträge auf Auf1. Russische Medien selbst sind für viele extreme Rechte in Österreich und Deutschland zentrale Stichwortgeber.

Jenseits der FPÖ ist die österreichische extreme Rechte mit Blick auf ihre Haltung zum Krieg in der Ukraine gespalten. Zum einen unterstützen österreichische Neonazis im Internet die Ukraine und ganz besonders das Asow-Regiment. Die sogenannte Neue Rechte hingegen fährt einen prorussischen Kurs und orientiert sich dabei nicht zuletzt am „Compact-Magazin“, das seit vielen Jahren die Verehrung Putins betreibt. In Wien waren zuletzt auf Demonstrationen mit Corona-Bezug auch russische Fahnen vertreten und es wurde die russische Nationalhymne abgespielt.