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Die rechtspopulistische »Dänische Volkspartei« (DF)

Einleitung

Die »Dänische Volkspartei« (Dansk Folkeparti, DF) hat den Rechtspopulismus in Dänemark nicht erfunden. In den 1970er Jahren schon sorgte die  »Fortschrittspartei« (Fremskridts-parti) durch populistische Forderungen für Aufsehen. Sie schaffte es aber nie, sich vom Image der »Protestpartei« zu emanzipieren und so blieb der Rechtspopulismus auf der öffentlichen Bühne eine kleine Erscheinung. Erst das Jahr 1995 sollte die politischen Verhältnisse nachhaltig und grundlegend verändern. Pia Kjærsgård und zwei weitere Funktionäre verließen am 6. Oktober dieses Jahres die »Fortschrittspartei«, um noch am gleichen Abend medienwirksam die DF  ins Leben zu rufen. Die ersten Reaktionen auf die Gründung waren eindeutig. Die neue rechtspopulistische Partei werde schnell wieder in der Versenkung verschwinden, lautete die einhellige Prognose. 

Foto: News Øresund - Johan Wessman bei flickr.com/newsoresund/CC BY 2.0

Die Dansk Folkeparti-Parteichefin Pia Kjærsgård war für viele Menschen eine Integrationsfigur mit Charisma und politischem Profil.

Das Gegenteil war jedoch der Fall. Sie überstand Startschwierigkeiten und es gelang ihr, das vorschnelle Urteil zu widerlegen, lediglich eine Protestpartei zu sein. Ein wichtiger Faktor hierbei war, dass die Parteichefin Pia Kjærsgård für viele Menschen eine Integrationsfigur mit Charisma und politischem Profil war. Bis zum heutigen Tage hat sich daran nichts geändert und Strukturen wie Politik der Partei sind auf die Parteichefin zugeschnitten. Von Beginn an ist es eine Strategie der DF gewesen, sich durch ständige Präsenz in der Öffentlichkeit einen Platz im politischen Alltag in Dänemark zu erarbeiten. Der Diskussionsgegenstand spielt hierbei eine untergeordnete Rolle. Die »Volkspartei« hat zu jedem Thema eine Meinung und geht als erste mit ihrer Haltung an die Öffentlichkeit. Provokante Inhalte, Vorschläge oder Forderungen sorgen für die nötige Aufmerksamkeit. Die Rechtspopulisten nehmen für sich in Anspruch, die wahren Vertreter des dänischen Volkes zu sein und im Interesse Dänemarks zu handeln. Diese Botschaft findet bei vielen Wähler_innen Gehör, der Erfolg der Populisten ist beängstigend.

Er stellte sich bereits bei der ersten Kommunalwahl nach Parteigründung ein. Unerwartet konnte hier einer der größten Stimmenzuwächse verzeichnet werden. Diese Tendenz setzte sich fort und innerhalb von nur vier Jahren wurde die DF zu einer ernstzunehmenden politischen Kraft im Land. Seit 2001 kooperiert die liberale Regierungspartei »Venstre« mit den Rechtspopulisten. Blockt die Opposition, ist die Regierung auf die Stimmen der DF angewiesen, um ihre Positionen durchzubringen. Diese »de facto«-Regierungsbeteiligung verleiht ihnen einen enormen politischen Einfluss. So kann die Partei ihren Worten Taten folgen lassen, dies untermauert ihren selbstinszenierten Ruf als Kraft, »die etwas tut«. Ein Beispiel ist das Einwanderungsgesetz, welches seit 2001 etwa alle acht Monate drastisch verschärft wurde.

Die DF ist auch die einzige Partei aus dem Regierungsblock, der bei der nächsten Parlamentswahl ein weiterer Stimmenzuwachs prophezeit wird. »Venstre« und auch die Konservativen stecken in einer Krise. Um an der Macht zu bleiben, wird es schwer zu umgehen sein, die »Volkspartei« als vollständige Partnerin mit in die Regierung zu holen. Das würde 16 Jahre nach ihrer Gründung den bisherigen politischen Höhepunkt für die Rechtspopulisten bedeuten.

Die Einwanderung als Bedrohung

Den politischen Schwerpunkt der DF verdeutlichen die drastischen Verschärfungen des Einwanderungsgesetzes. Wie ein roter Faden zieht sich eine wahrhafte Mobilmachung gegen Einwanderer_innen und deren »andersartige und undänische« Kultur durch die Geschichte der Partei. Mit Stigmatisierungen und einer Sündenbockpolitik wird Angst geschürt. Unterdrückung der Frauen, Gewalt, Kriminalität, Drogenhandel, Terror, Arbeitslosigkeit oder Homophobie; kaum eine Problematik im Land, die nicht, teilweise mit abstrusesten Begründungen, auf die Einwanderung zurückgeführt wird. Auf der Internetseite der Partei heisst es: »Wir müssen die Forderung stellen, dass Einwanderer sich an das dänische Gesetz, dänische Regeln und die grundlegenden Werte wie Gleichstellung, Demokratie und Meinungsfreiheit halten – nur auf diese Art und Weise können wir garantieren, dass wir auch in der Zukunft eine gute dänische Gesellschaft haben.« So einfach kann es sein. Die Einwanderer müssen aufgefordert werden, sich an diese Werte zu halten. Für die Dänen sind sie natürlich eine Selbstverständlichkeit. Die jetzige dänische Gesellschaft gerate durch die Zuwanderung überhaupt erst in Gefahr.

Dieses Beispiel zeigt, dass es der DF im Kern gar nicht um Integration geht. Es geht um die Unvereinbarkeit der dänischen Kultur mit den »fremden«, »von außen kommenden« Kulturen, die den westlichen, eigentlich dänischen Werten wie Meinungsfreiheit, Demokratie und Gleichstellung nicht aufgeschlossen gegenüberstehen. Folgerichtig ist in der Analyse die Integration schon im Vorfeld zum Scheitern verurteilt und die Einwanderung eine Bedrohung. Mogens Camre, Mitglied der DF, erläutert anschaulich, wie diese Kulturunterschiede aussehen sollen: »Die Dänen haben keinen persönlichen Hass gegen den einzelnen Flüchtling, aber sie wünschen die fremden Kulturen in Dänemark nicht. Aus einem ganz einfachen Grund: unterdrückte, verschleierte Frauen, eine hohe Geburtenrate und Messermorde gehören einfach nicht in unsere Zeit und unser Land.1 « Auf diese Art und Weise werden auch zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Die Verdammung der »fremden« Kulturen auf der einen Seite, die Reinwaschung der dänischen Kultur, in der es keine unterdrückten Frauen, Messerattacken und Familien mit vielen Kindern gebe, auf der anderen Seite.

Die Kampagne »Sicherheit jetzt – Die Gewalt raus aus Dänemark« zeigt, wie weit dieser kulturelle Rassismus gehen kann. Die Kampagne der DF war eine Reaktion auf den »Rauswurf« von Parteichefin Pia Kjærsgård aus dem überwiegend von Migrant_innen bewohnten Stadtteil Mjølnerparken in Kopenhagen. Als sie diesen besuchen wollte, wurde sie beschimpft und mit Eiern und Gemüse beworfen und musste schließlich fluchtartig die Gegend verlassen. Die Kampagne macht nicht nur alle Migrant_innen in Dänemark für die Attacke verantwortlich, sondern stellt darüber hinaus Gewalttätigkeit in einen kausalen Zusammenhang mit Ethnizität und Kultur. Diese Koppelung erfüllt eine wichtige Funktion. Sie suggeriert, dass ein Gewaltproblem buchstäblich aus dem Land geschmissen werden könne, weil die Gewalt »dem Ausländer« als Eigenschaft zugeschrieben und im gleichen Atemzug als etwas dem »dänischen Wesen« fremdes dargestellt wird.

Bei solchen Kampagnen ist die Schlussfolgerung der DF fast schon zwingend: »Die Einwanderung stellt die größte Bedrohung der Geschichte Dänemarks dar.«2  Begründet wird diese massive Mobilmachung mit dem medienwirksamen Aufbauschen von Einzelfällen oder haarsträubenden Stigmatisierungen. In einer Diskussion um Gewalt von Migrant_innen sagt der außenpolitische Wortführer der Volkspartei Søren Espersen gegenüber der Zeitung »Berlingske Tiden«: »Es sind eine Masse an Beispielen in den Vormittagszeitungen der letzten Wochen – Alles schwimmt im Blut.«

Die Gleichstellung der Geschlechter und Unterdrückung der Frau sind Themen, die mit Vorliebe instrumentalisiert werden, um die migrant_innenfeindliche Stimmung weiter anzufachen. 2001 brachte die Jugend der DF ein Plakat heraus, auf dem eine Frau in Niqab zu sehen ist, versehen mit der Überschrift: »Dein Dänemark? Eine multiethnische Gesellschaft mit: Massenvergewaltigung, Gewalt, Unsicherheit, Zwangsehen, Frauenunterdrückung und Bandenkriminalität. Wünschst du das?«

Dass Feminismus und geschlechtliche Gleichstellung ausschließlich in der negativen Abgrenzung zur Einwanderung vertreten wird, sonst aber auf der politischen Agenda nicht auftaucht, scheint niemanden weiter zu verwundern. Die Macher des Plakates wurden nach dem Rassismusparagraphen verurteilt. Das kommentierte Parteichefin Kjærsgård mit: »So weit ich weiss steht da nicht ein verkehrtes Wort auf dem Plakat.«3

Diese Instrumentalisierung setzt Migrant_innen in einen kausalen Zusammenhang mit den Problemen im Land und macht eine migrant_innenfeindliche Stimmung gesellschaftsfähig. In Zeiten des sogenannten »Kampfes gegen den Terror« ist es der Islam, der zum Aufbau eines Feindbildes besonders gut geeignet ist. Das wissen auch die Politiker der DF. Wieder wird auf die bekannte Strategie der Gleichsetzung zurückgegriffen. Es wird keinerlei Unterschied zwischen religiösen Fundamentalisten und Menschen muslimischen Glaubens gemacht. Das Ziel ist die kollektive Schuld und Verantwortung. Gepaart mit schweren Anschuldigungen und kulturellen Zuschreibungen verfehlt dies seine Wirkung nicht. Dass der Islam eine Bedrohung für die westliche Zivilisation darstelle, ist mittlerweile eine weit verbreitete Annahme in Dänemark.

Das aktuellste Beispiel agressiver Rhetorik kommt vom DF-Politiker und Pastor Jesper Langballe: »Muslimische Väter schlagen ihre Töchter tot und schauen weg während der Onkel sie vergewaltigt.«4 Dieses Zitat sorgte dann doch für etwas Aufsehen. Die Parteivorsitzende Pia Kjærsgård erklärte umgehend, dass die Wortwahl Langballes übertrieben war. Diese »Beinahe-Distanzierung«, wird jedoch einen Absatz weiter unten völlig hinfällig. »Das ändert aber nichts daran, das Langballe mit dem Inhalt der Aussage richtig liegt.«5 Provokationen dieser Art dienen als Test, um zu sehen, wie weit sie mit ihrer chauvinistischen Rhetorik gehen können. Immer wieder wird etwas zurückgerudert, doch die Strategie geht auf. Der Inhalt der Aussage hat bereits seinen Platz in der Öffentlichkeit gefunden.

Die Instrumentalisierung des Islam geht soweit, dass Konflikten ohne irgendeinen Anhaltspunkt ein Bezug zur Religion angedichtet wird. Ein Beispiel dafür kommt von Parlamentsmitglied Peter Skaarup: »Leider müssen wir davon ausgehen, dass die Situation mit sehr brutalen muslimisch dominierten Einwandererbanden, welche sich in einem ganzem Viertel breitmachen, es dominieren und beeinträchtigen, wachsen wird. Trotz härterer Strafen.«6 Dieser automatische Zusammenhang ist reiner Populismus. Eine Behauptung ohne Substanz, welche aber an die Stimmung bei vielen Menschen anknüpft und somit auf fruchtbaren Boden trifft.  

Dänemark im Kriegszustand

Die Rechtspopulisten suggerieren einen »Kriegszustand«, in dem sich Dänemark befinde. Der »Feind«, gegen den das Land verteidigt werden müsse, ist der_die Einwanderer_in. Hierbei insbesondere Menschen muslimischen Glaubens. Mogens Camre, Politiker der DF, unterstreicht dies mit einer Veröffentlichung unter dem Titel »Muslime sind per Definition Eroberer«. Hier schreibt er: »Der Fehler war anzunehmen, das man Menschen integrieren kann, die nicht gekommen sind, um integriert zu werden, sondern um neues Territorium zu erobern.«7

Neben einer fehlenden Differenzierung und dem Etablieren einer Position des »Wir«, in die sich Muslime nicht integrieren lassen wollen, zeigt es die Vokabel des Eroberns richtungsweisend auf: »Die Muslime kommen nach Dänemark, um in einem Feldzug das Territorium des Islam zu erweitern.«

In die gleiche Kerbe schlägt sein Kollege Søren Krarup: »Alle westlichen Länder sind von Muslimen infiltriert – einige von ihnen sprechen nett zu uns, während sie darauf warten uns totzuschlagen.«8 Mögen solche Aussagen auch überzogen erscheinen, halten viele Menschen diese, zumindest im Kern, für wahr. Krarup geht noch einen Schritt weiter, indem er den Islam mit dem Nationalsozialismus in Verbindung bringt: »Es kann gut sein, dass dieses kränkend wirkt, aber der Islam ist ein totalitäres Regime, welches tausende Menschenleben auf dem Gewissen hat. Das Kopftuch ist ein Symbol für dieses Regime und der Koran kann ohne Probleme mit ›Mein Kampf‹ verglichen werden.«9

Diese Rhetorik hat System und ist wesentlicher Bestandteil des rechten Populismus. Hier vereint sich das Volk/Feind-Schema mit einer Anschuldigung an die »Verräter im eigenen Land«, die sich nicht gegen die angebliche Bedrohung wenden. Søren Espersen dazu: »Es kann gut sein, das Tøger Seidenfaden (Chefredakteur der Tageszeitung »Politiken«) und seine elitären Freunde in Frankreich und Deutschland uns verabscheuen. Aber wir bekommen positive Rückmeldungen von den Menschen, die uns etwas bedeuten, nämlich ganz normale Dänen die sich darüber freuen, dass wir ihren Kampf kämpfen. Wir schauen nicht auf die Bevölkerung herab, wir hören ihr zu. Das ist es was die Elite in der Ausländerfrage völlig ignoriert hat.«10 Diese Kategorisierungen machen es herrlich einfach: Die Sündenböcke sind gefunden, die Frontlinie gezeichnet. »Muslime und nicht angepasste Einwanderer wollen uns das Land wegnehmen, uns eine fremde undänische Kultur aufzwingen und uns zum Islam bekehren. Die dänische Linke und Elite verrät das Land, da sie mit Arroganz die Wünsche des einfachen Volkes ignoriert und mit ihrer Globalisierung und Menschenrechten der Einwanderung den Weg bereiten.«

Das Mitgliedsblatt der DF bringt es dann auf den Punkt: »In den Augen der Korrekten sind wir, die Dänemark nicht den Islamisten preisgeben wollen, selbstverständlich Rassisten.«11
Die Begrenztheit der »Korrekten« wird angegriffen, aber nicht der rassistische Inhalt der eigenen Aussage. Im Gegenteil: Es wird versucht, dem Rassismus im Kampf für Dänemark eine Notwenigkeit zu bescheinigen.

Die Rettung aus dieser ausweglosen Situation kann im Mitteilungsblatt der DF nachgelesen werden: »Das wird die Dänische Volkspartei nicht zulassen!... diese Entwicklung kann gestoppt werden! Das Dänische Volk hat sich schon einmal erhoben, als die Führungspersonen im Land gegen die Interessen Dänemarks gehandelt haben.«12

Es ist nicht allein die Verantwortung der DF, dass es einen massiven Rechtsruck in Dänemark gibt. Wären die Menschen im Land nicht offen für diesen Populismus, würde die Hetze ins Leere laufen. Es ist aber die DF, die dem Rechtspopulismus eine Struktur und Stimme verschafft und damit volle Akzeptanz im Land erreicht hat. Der Rechtspopulismus ist in Dänemark in der Mitte der Gesellschaft angekommen und integriert. Ein Ende ist leider nicht in Sicht.

  • 1Politiken 21.4.1998
  • 2Jyllands Posten  27.12.99
  • 3Dansk Folkeblad Nr.5/2002
  • 4Politiken, 23.01.10
  • 5Politiken, 26.01.2010
  • 6Politiken.dk, 24.03.2009
  • 7Nordjyske.dk, 10.3.2009
  • 8Jyllands Posten 17.9.2001
  • 9Folketingsalen 23.4 2007
  • 10Politiken 12..2005
  • 11Danskeren Nr.1 2006
  • 12Eine Anspielung auf den Widerstand gegen die Kollaboration der dänischen Regierung mit den Nazibesatzern. Einwanderung wird hier also mit der Bedrohung durch das nationalsozialistische Deutschland gleichgesetzt.