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Die extreme Rechte nach den Bundestagswahlen

Gerd Wiegel Roland Bach
Einleitung

Vor dem Hintergrund der jüngeren Entwicklungen im Umfeld der NPD – dem Tod von Jürgen Rieger und den neuerlichen finanziellen Unregelmäßigkeiten – verblasst die Bedeutung des Bundestagswahlergebnisses für die Partei sehr schnell. Die Schwelle der Wahlkampfkostenerstattung (= 0,5 % auf Bundesebene) konnte problemlos übersprungen werden, womit das Hauptziel der Partei erreicht wurde. Mindestens auf Bundesebene war es der NPD auch nicht um mehr gegangen. Dennoch bedeutet ein Zweitstimmenergebnis von 1,5 % und der Rückgang der absoluten Stimmenzahl von 748.568 (= 1,6 % 2005) auf 635.437 einen herben Verlust für die NPD, die immer mehr auf die Rolle einer (ostdeutschen) Regional- und Kommunalpartei verwiesen wird.

Ein Wahlkampfstand der NPD in Königs Wusterhausen (Brandenburg).

Bemerkenswert ist das durchgängig bessere Erststimmenergebnis der NPD gegenüber den Zweitstimmen. Mit 768.175 Stimmen liegt sie hier deutlich über den Zweitstimmen. Ein Blick auf die Landesergebnisse der NPD bei den Bundestagswahlen weist mehr oder weniger überall Verluste aus und bestätigt die vorhandenen Schwerpunkte mit Sachsen (4,0 %), Mecklenburg-Vorpommern (3,3 %) und Thüringen (3,2 %). Einzig im Desaster der anderen Parteien der extremen Rechten versucht die NPD Trost zu finden und ruft sich in einer Stellungnahme zum Wahlergebnis zur »einzig ernstzunehmenden nationalen Kraft« aus. Die Ergebnisse von Republikaner (REP) (0,4 %) und DVU (0,1 %) bestätigen diese Einschätzung, doch handelt es sich auch bei der NPD um eine sehr bescheidene »nationale« Kraft. Den REPs ist es in keinem Bundesland gelungen, die Ein-Prozentmarke zu überspringen, selbst in ihren südlichen Stammländern Bayern (0,8 %), Rheinland-Pfalz (0,8 %) und Baden Württemberg (0,9 %) blieb sie darunter. Verfehlt wurde mit dem rundum schlechten Ergebnis von 0,4 % auch die Wahlkampfkostenerstattung. Von dieser ist die DVU mit einem katastrophalen Ergebnis von 0,1 % noch weiter entfernt. Auch wenn sich die Partei vornehmlich auf die parallelen Landtagswahlen in Brandenburg konzentriert haben dürfte, ist das Ergebnis doch ein Hinweis darauf, dass die DVU als Wahlpartei keinerlei Zukunft mehr hat.

Einige regionale Ergebnisse der extremen Rechten

Die Wahlergebnisse der extremen Rechten – berechnet auf der Kreis- und Ortsebene – bestätigen die Einschätzungen zu den Landeszahlen, machen aber zugleich erhebliche Differenzierungen und regionale Schwerpunkte deutlich. Es zeigt sich auch hier, dass in vielen Fällen die Erststimmenzahl (E) für die NPD größer als die Zahl der Zweitstimmen (Z) ist. In Sachsen bleibt die NPD in Ostsachsen/Oberlausitz und in der Sächsischen Schweiz am stärksten präsent. Wahlergebnisse von 5,5 % (Z) in Löbau, von 6,1 % (Z) in Reichenbach (OL), von 5,0 % in Zittau und 4,9 % in Görlitz werden dabei im Kirnitzschtal mit 10,6 %(Z), Hohenstein mit 9,6 % oder Sebnitz mit 8,1 % übertroffen. Aber auch in Westsachsen liegt teilweise das Ergebnis mit 7,5 (E)/6,8 (Z) % in Wurzen oder von 8,7 (E)/ 8,37 (Z) % in Mutzschen weit über dem Landesdurchschnitt von 4,0 %. In Mecklenburg-Vorpommern sind es wiederum die Kreise im östlichen Landesteil, wo die Stimmenanteile für die NPD über das Landesergebnis (3,3 %) hinausragen (z. B. Wahlkreis Neubrandenburg-Neustrelitz-Uecker/Randow mit 5,0 E bzw. 4,6 Z %). Hinter dem Landesergebnis von Brandenburg (2,8 %) verbergen sich für die NPD als Spitze, Anteile von 4,0 % der Zweitstimmen in den Wahlkreisen Uckermark I und Spree-Neisse II. In Berlin (Landesergebnis 1,6 % der Z) behielt die NPD ihre Stammwählerschaft in den Bezirken, wo sie bereits in den Bezirksverordnetenversammlungen vertreten ist. Sie erreichte 3,0 % in Marzahn-Hellersdorf, 2,8 % in Lichtenberg, 2,6 % in Treptow-Köpenick und 2,0 % in Neukölln. In Bayern (Landesergebnis 1,3 %) differieren die Wahlergebnisse für die NPD zwischen der Region Oberbayern mit 1,2 % (E)/ 0,9 % (Z) und der Oberpfalz mit 2,2 % (E) /1,9 % (Z), zwischen München mit 1,0 % (E) /0,7 % (Z) und Nürnberg mit 2,5 % (E) /2,1 % (Z) oder Deggendorf mit 3,3 % (E) / 2,3 %(Z). Bei einem Landesergebnis von 3,2 % für die NPD in Thüringen meldeten fünf Wahlkreise Erststimmen für diese Partei von über 4 %, drei weitere Wahlkreise kamen in diese Nähe. In einem Wahlkreis (Sonneberg-Saalfeld/Rudolstadt-Saale/Orla) erreichte auch deren Zweitstimmenanteil 4,1 %.

Ausblick am Ende des Wahljahres

Betrachtet man den Wahlzyklus des Jahres 2009 insgesamt, dann lassen sich einige Schlussfolgerungen für die Einschätzung der extrem rechten Wahlparteien daraus ableiten. Der DVU ist es offensichtlich nicht gelungen, nach dem Ende der »Ära Frey« einen Neustart zu gestalten. Mindestens der potenziellen Wählerschaft scheint es nicht vermittelbar zu sein, um was für eine »neue Rechte« es sich hier handeln soll. Das katastrophale Europawahlergebnis lieferte der NPD den Vorwand, einen ihr nicht mehr nützlichen Pakt aufzukündigen. Konkurrenzantritte der DVU muss die NPD zukünftig kaum noch fürchten, bewegen sich deren Ergebnisse doch im marginalen Bereich. Selbst in ihrem Stammland Brandenburg ist es der DVU nicht gelungen, ein zumindest besseres Ergebnis als die NPD einzufahren. Auch für die REP haben die Wahlen des Jahres 2009 durchgängig schlechte Ergebnisse erbracht, so dass sich die Frage nach ihrem weiteren Bestand als bundesweite Wahlpartei stellt. Da die Partei, anders als die DVU, jedoch über viele Jahre eine relativ gute kommunale Verankerung verzeichnete, könnte der Durchhaltewille hier größer sein. Andererseits ist es der Partei seit den Verlusten in ihrem Stammland Baden-Württemberg nicht mehr gelungen, ein benennbares und abgrenzbares Wählersegment an sich zu binden. Zu dieser Form der Wählerbindung ist von den drei bundesweiten Wahlparteien der extremen Rechten einzig die NPD in der Lage – bisher jedoch nur in ausgewählten Gebieten. Bei allen objektiven Misserfolgen der NPD bei den Wahlen 2009 ist es ihr mit den Ergebnissen bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen und auch mit den Bundestagswahlergebnissen in ihren Hochburgen zur Bundestagswahl gelungen, in bescheidenem Umfang eine Stammwählerschaft herauszubilden. Dieser Sockel garantiert ihr in diesen Gebieten eine kommunale Verankerung, die wiederum der Ausgangspunkt für Landeserfolge sein kann. Die nächste Probe für die Bestätigung dieser Strategie wird im nächsten Jahr die Wahl zum Landtag von Mecklenburg-Vorpommern sein. Sollte der Truppe von Udo Pastörs hier der Wiedereinzug gelingen, wird spätestens dann auch die Machtfrage innerhalb der NPD noch einmal auf die Tagesordnung kommen. Mit dem Tod von Jürgen Rieger werden sich mit hoher Wahrscheinlichkeit die Gewichte innerhalb der Partei verschieben. Die beiden Landtagsfraktionen, verbunden mit einer jeweils relativ starken kommunalen Verankerung, könnten dann zum eigentlichen Machtzentrum der NPD werden. Zumal angesichts der finanziellen Lage der Partei nur hier die Mittel vorhanden sind, um professionell Politik zu machen. Umso wichtiger also, ihr mindestens eines dieser Zentren bei nächster Gelegenheit aus der Hand zu schlagen.