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Die "Deutsche Jugend Initiative" in Westberlin

Einleitung

Die "Deutsche Jugendinitiave Berlin" (DJI) ist eine Gruppe von Neonazis, die auf Flugblättern gegen hier lebende AusländerInnen und EinwanderInnen hetzt. Sie behaupten „die Deutschen werden erbarmungslos beseitigt“ und die AusländerInnen seien etwa verantwortlich für die Verschmutzung der Flüsse und Seen. Sie bezeichnen einen Schwangerschaftsabbruch von (deutschen) Frauen als Mord am „Deutschen Volk“ und versuchen Angst vor einer „Überfremdung“ durch Nichtdeutsche zu schüren. Sie versuchen also genau die „deutschnationale Gefühle“ zu wecken, die der Welt in diesem Jahrhundert zwei Weltkriege mit Millionen Toten beschert haben.

Bild: Screenshot YouTube

Der Westberliner Neonazi Oliver Schweigert in einem Fernsehbeitrag.

In einem ihrer Flugblätter fordert die DJI „Deutsche Jugend Wehr Dich“. Wie das gemeint ist kann man an den Vorfällen im Sommer 1986 in Berlin-Lankwitz erkennen. Dort haben heutige Mitglieder der DJI gegen Flüchtlingszelte demonstriert – eine Nacht später wurden die Zelte angezündet. Die rassistischen Vorgänge hatten es sogar in die "Los Angeles Times" geschafft: „In West Berlin, gasoline bombs have been thrown into the makeshift camps for the asylum-seekers, destroying tents. Two refugees from Bangladesh were hurt by tear gas sprayed by unknown assailants into an emergency shelter“.

Die DJI spricht gezielt Jugendliche an und versucht sie zu organisieren, dabei bemühen sie sich aktuelle Themen aufzugreifen und ihre Propaganda auf den ersten Blick nicht gleich erkennbar zu machen. Sie treten beim Flugblatt verteilen nicht in Uniformen auf sondern in „zivil“. Die West-Berliner Staatsanwaltschaft hat die Aktivitäten der DJI quasi legalisiert. Eine Strafanzeige von zwei Sozialdemokraten wegen „Volksverhetzung“ wurde abglehnt: „Die Art der Darstellung (…) überschreitet nicht die demokratischen Gemeinwesen zulässige Form der Auseinandersetzung bzw. Kritik“. Tatsächlich sind aus der CDU/CSU ähnliche Worte zu hören. Innenminister Friedrich Zimmermann (CSU) erklärte in dem besagten Artikel der LA-Times mit der unsäglichen Überschrift „W. Germany Swamped by Refugees“ ("Westdeutschland überflutet von Flüchtlingen") die Geflüchteten „seien sowohl eine kriminelle Bedrohung als auch das Potenzial für Terrorismus1 . Damit hat die Berliner Staatsanwaltschaft den Neonazis grünes Licht für eine Organisationform gegeben, wonach diese schon lange suchen, um das in der Stadt bestehende Verbot von nationalsozialistischen Gruppen zu umgehen.

Als Flugblattverteiler wurden stadtbekannte Westberliner Neonazis aus den Kreisen der „Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei“ (FAP) erkannt - etwa Reinhard Golibersuch und Oliver Schweigert. Bei einer Kundgebung der DJI gegen die „Flüchtlingszelte“ in Berlin-Lankwitz 1986 waren ebenfalls FAP-Aktivisten wie Ingmar R. zugegen. Eine Kontaktadresse der DJI führt zu Andreas Pohl von der „Nationalistischen Front“ (NF).

Die „Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei“ (FAP)

Die FAP ist eine Art Nachfolgeorganisation der ANS/NA von Michael Kühnen, die als eine Nachfolgeorganisation der NSDAP 1983 verboten worden war. Ein durch den Bundesminister des Innern am 24. November 1983 erlassenes Vereinsverbot betraf die „Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten“ (ANS/NA) einschließlich der „Aktion Ausländerrückführung - Volksbewegung gegen Überfremdung und Umweltzerstörung“ (AAR) und des „Freundeskreises Deutsche Politik“ (FK) und stellte deutlich klar: „Es ist verboten, Ersatzorganisationen für die Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten einschließlich der Aktion Ausländerrückführung - Volksbewegung gegen Überfremdung und Umweltzerstörung und des „Freundeskreises Deutsche Politik“ zu bilden oder bestehende Organisationen als Ersatzorganisationen fortzuführen. In Berlin wurde der "ANS/NA Gau Berlin" bzw. die "NA Kameradschaft 9 Berlin" durch Reinhard Golibersuch repräsentiert. Dieser ist mittlerweile ebenfalls in FAP Kreisen zu verorten. Kühnen der dreieinhalb Jahre im Gefängnis saß, wurde am Anfang März 1988 entlassen. Die Mitglieder seiner Organisation wechselten nach dem Verbot unbehelligt zur FAP. Auch die FAP beruft sich auf das "25 Punkte Programm der NSDAP“, die politische Praxis einiger ihrer Anhänger umfasst auch Gewalt gegen AusländerInnen und Andersdenkende, Wehrsportübungen und das Verbreiten (neo)nationalsozialistischer Propaganda. Diese Organisation ist in der BRD erlaubt, in West-Berlin jedoch von den Alliierten verboten.

Die „Nationalistische Front“ (NF)

Mitglieder der "Nationalistischen Front" (NF) treten in West-Berlin ebenfalls als DJI-Aktivisten auf. Sie sehen sich selbst als „nationrevolutionär“ ihr Vorbild ist die nationalsozialistische SA (bis 1934), ihr Traum ist ein „Großdeutschland“, das Österreich, das Sudetenland, Ost-Preußen usw. miteinschließt. Also Gebiete der UDSSR Polen, der ČSSR usw. Der Anführer der NF in West-Berlin ist  Andreas „Pole“ Pohl der von Christian F., der ebenfalls über gute Kontakte zum Bundeszentrum der NF in Bielefeld verfügt, unterstützt wird. Beide fielen ebenfalls als Flugblatt-Verteiler auf. Über die Einstellung dieser Leute kann man einiges aus einem Interview in der Hörfunkreihe »S-F-Beat« (SFB) mit Andreas Pohl erfahren: Wenn dann mal ein Türke auf dem Boden liegt - „dann tritt man natürlich rein“. Die NF verbreiten ihre Zeitung „Klartext“ u.a. in der Spandauer Fußgängerzone und vor Schulen.

Eine gemeinsame DJI ?

Die beiden zentralen Organisationen der militanten Neonazis (FAP und NF) arbeiten in West-Berlin in der DJI zusammen. Sie versuchen über die Propaganda der DJI neue Leute zu gewinnen und zu organisieren. Die DJI ist auch aus den Kreisen der extrem rechten „Bürgerinitiative für Demokratie und Identität“ (BDI) hervorgegangen, die ihnen aber zu lasch war. Eine Dokumentation der West-Berliner „Autonomen AntifaschistenInnen “ hatte im Frühjahr 1987 die Zusammenarbeit der Neonazis aus dem militanten Spektrum mit eher bürgerlichen extrem rechten Akteuren - die heute bei den „Republikaner“ (REPs) sind - enthüllt . Eine Blockade vor deren Versammlungslokal im März 1987 beschleunigte die Auflösung der „Bürgerinitiative.“ Das „Antifaschistische Jugendinfo“ hat kürzlich eine Dokumentation über die DJI herausgegeben.

  • 12. August 1986: Asylum Seekers: W. Germany Swamped by Refugees, William Tuohy, Los Angeles Times