Skip to main content

Die Ausstiege von Ingo Hasselbach

Einleitung

Zum zweiten Mal präsentierte sich der umtriebige Berliner Neonazi-Kader Ingo Hasselbach als Austeiger aus der Neonazi-Szene. Nachdem er bereits im Sommer 1990 nach den Durchsuchungen in der damaligen Neonazizentrale in der Berlin-Lichtenberger Weitlingstraße vorgab aus der Neonazi-Szene "ausgestiegen" zu sein, gab er nun im März 1993 erneut einen Austritt im SAT.1 Infomagazin „Akut“ zum Besten. Ob der Ausstieg dieses mal ernster gemeint ist als der Ausstieg von 1990 bleibt abzuwarten.

Foto: Archiv Zeitschrift telegraph / Prenzelberg Dokumentation e.V.

Am 3. Oktober 1990 tauchte Ingo Hasselbach (1) mit dem Neonazi-Kader Günter Reinthaler (2) am Rande einer linken Demonstration in Berlin auf.

"Ausstieg" Nr. 1

1990 hatten Hasselbach und sein "Kamerad" Frank Lutz umfangreiche Aussagen bei der damaligen (Noch)-DDR-Polizei gemacht, um einer drohenden Haftstrafe zu entgehen. Hasselbach erklärte sich den Kripo-Beamten und der Staatsanwaltschaft gegenüber sogar zu einem gefährdeten "Aussteiger" aus der Neonazi-Szene. Gottfried Küssel, als einer der damaligen Anführer der neonazistischen "Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front" (GdNF), empfahl den Berliner "Kameraden" daher einige Zeit später gegen Hasselbach gegebenenfalls "geeignete Mittel" zu ergreifen. Die "Reaktionen" überließ er deren "Feingefühl". Gottfried Küssels ("Bereichsleiter Ostmark") österreichischer Kamerad Günter Reinthaler ("Gauleiter Salzburg") soll sich mittlerweile aus privaten Gründen mit Hasselbach zerstritten haben und die Aussteiger-Unterlagen aus der Vernehmung in der Szene verbreitet haben. Von dem Hamburger Neonazi-Kader Christian Worch ist zu hören, er soll zu dem Fall im Kameradenkreis sinngemäß "Verräter verfallen der Feme" geäußert haben, ohne sich festzulegen, ob Hasselbach nun ein "Verräter" sei. Statt "Feme" sei auch ein "Ausschluß aus der Bewegung" möglich. Konkrete Folgen blieben in der Folge jedenfalls aus.

Für Berliner AntifaschistInnen ist 1990 und danach kein Ausstieg erkennbar gewesen. Er trat vor laufenden Kameras als Versammlungsleiter eines (später verbotenen) Parteitages der "Deutschen Alternative" (DA) gemeinsam mit Michael Kühnen und Gottfried Küssel in Cottbus auf. Noch im Oktober 1990 war Hasselbach gemeinsam mit Günter Reinthaler am Rande einer linken Demonstration in Kreuzberg aufgetaucht. Im Kofferraum ihres Autos fanden Polizisten bei einer Kontrolle diverse Schlagwaffen und Zwillen. Kurz zuvor war ein anderes Auto von Reinthaler in Berlin angezündet worden. Die Polizei fand NSDAP/AO-Propaganda, einen falschen Pass, eine Pistole und eine Maschienenpistole im Kofferraum des Wracks.

Hasselbach setzte sich trotz dieser Kontakte und Aktivitäten mit der Aussteiger-Story weiterhin in Szene. Er beteuerte gegenüber Außenstehenden zwar seinen Ausstieg, blieb jedoch trotzdem weiterhin aktiv. Zu der Zeit, als der „Ausgestiegene“ bereits in einem Sozialprojekt in Lichtenberg gearbeitet hat, war er dennoch im Ordnerdienst auf dem Trauermarsch zur Ermordung von dem Neonazi-Führer Rainer Sonntag im August 1990 zu sehen. Er blieb offenbar aktiv und war zumindest in einer Ende 1992 ausgestrahlten Sendung des Ostdeutschen Rundfunk Brandenburg (ORB) als eine Art Aufbauhelfer der Greifswalder „Nationalen Sozialisten“ und als Aktivist der „NSDAP/AO“ bei Wehrsportübungen zu sehen. Er pflegte offenbar gewisse Kontakte nach Mecklenburg bzw. Rostock. Auch in Spanien soll er gewesen sein, um Kontakte zu den lokalen Neonazis um Pedro Varela zu knüpfen. Im Mai 1991 nahm er in aller Öffentlichkeit mit geschulterter Fahne an einer gescheiterten FAP-Demonstration in Berlin Prenzlauer Berg teil. Während dieser Zeit gelang es Hasselbach trotzdem, bis Mitte 1992, den Leiter eines kirchlichen Lichtenberger Jugendprojektes davon zu überzeugen, daß er nicht mehr „politisch aktiv“ sei.

Tatsächlich soll er sich zwar zwischenzeitlich mit Reinthaler und Küssel zerstritten haben und das Partei-Projekt "Nationale Alternative" (NA) aufgegeben haben, von einer Loslösung von all seinen (Ost)-Berliner Neonazi-Freunden und dem Ende aller politischer Aktivitäten scheint aber bis her noch nicht die Rede gewesen zu sein. Stattdessen soll er mit einigen von ihnen zeitweilig die "Sozialrevolutionären Nationalisten" ins Leben gerufen haben, bevor er sich hier mit seinem früheren Parteifreund Frank Lutz über die Führung zerstritt.

Ausstieg Nr. 2 ?

In der SAT.1-Sendung trat er nun mit einer wenig überzeugenden Erklärungen über die Neonazi-Organisation „Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front“ (GdNF) auf, zu welcher Berliner AntifaschistInnen auch Hasselbach zähl(t)en. Er behauptete, daß die GdNF in konspirativ organisierten Zellen abgeschottet voneinander arbeite und ihre Führung im Ausland säße. Dass der „Erfinder“ dieser Struktur u.a. Christian Worch heißt und dessen Wirkungskreis Hamburg nicht zum Ausland gehört war bis dato auch in der Neonazi-Szene unbestritten. Die von Hasselbach beschriebene Struktur ist nicht diejenige, die sich um die Neonazi-Zeitschrift „Die Neue Front“ gebildet hatte, sondern beschreibt eher diejenige die der illegalen NSDAP/AO zugeschrieben wird. In dieser sind zwar auch GdNF-Kader organisiert, jedoch ist die Struktur der NSDAP/AO nicht identisch mit der GdNF. Die Bereiche der GdNF arbeiten nicht abgeschottet voneinander. Der interne Organisationsaufbau ist typisch hierarchisch, nach Führung, Bereichen, Gauen, Kameradschaften und Stützpunkten gegliedert. Christian Worch und seine "Kameraden" können daher aus diesen Hasselbachs Äußerungen Nutzen ziehen, denn diese Kader werden nicht müde zu betonen, daß die Zusammenarbeit ihrer Wahl- und Frontorganisationen reine Bündnisse im „nationalen Lager“ seien. Wir vermuten, daß die GdNF-Kader die Öffentlichkeit desinformieren, um weiterhin ungestört von den staatlichen Behörden arbeiten zu können. Ob Hasselbach dieses Spiel (mit)spielt oder nun tatsächlich aussteigen will muss genau beobachtet werden.