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Die AfD: Gefahr für die Zivilgesellschaft

Einleitung

Auf Kommunal- und Landesebene ist die Partei "Alternative für Deutschland" (AfD) nach ihren Wahlerfolgen mittlerweile in zahlreichen parlamentarischen Gremien vertreten. Sie nutzt ihre Präsenz dort auch, um zivilgesellschaftlichen Initiativen das Leben schwer zu machen, die staatliche Mittel für Flüchtlingsunterstützung oder ihr Engagement gegen Rechts erhalten. Dieser Artikel liefert exemplarische Einblicke in die parlamentarische „Anti-Antifa“-Arbeit der AfD und ihre Einschüchterungsversuche gegenüber Aktiven in den Bundesländern Thüringen, Hamburg und Brandenburg.

Der AfD-Fraktionschef in Brandenburg und Landesvorsitzender Alexander Gauland.

Die AfD unter Björn Höcke in Thüringen

43 Straftaten der „Politisch motivierten Kriminalität rechts“ verzeichnete die Polizei allein bei den in Erfurt von September 2015 bis Mai 2016 stattgefundenen Demonstrationen der "Alternative für Deutschland" (AfD). Darunter mehrere (auch gefährliche) Körperverletzungen, Verstöße gegen das Waffen- und Sprengstoffgesetz und das "Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen". Mit ihrem außerparlamentarischen Agieren, darunter zeitweise wöchentlich stattfindende Demonstrationen, erzeugte die AfD insbesondere in Erfurt eine — für Gegendemonstrant*innen und Journalist*innen — spürbare Atmosphäre der Angst. Teilweise mehrere tausend DemonstrationsteilnehmerInnen waren bei den Reden der AfD-Abgeordneten des Thüringer Landtags aber auch der rechten Szene zuzuordnenden Personen anwesend. Im Nachgang der Demonstrationen kam es mehrfach zu regelrechten Jagden auf Gegendemonstran­t*innen. Das Agieren der Thüringer AfD ist untrennbar mit ihrer Führungsperson Björn Höcke verbunden, der kontinuierlich den Rechtsruck vorantreibt und zum Teil an die Sprache und Ideologie des NS-Regimes andockt.

Unterstützung und Steigerung findet dies durch das parlamentarische Wirken der Abgeordneten der AfD. Ein Großteil der gestellten sogenannten „Kleinen Anfragen“ beschäftigt sich mit den Themen „Innere Sicherheit“, „Flüchtlinge“ oder „Extremismus“. Zielstellung ist dabei insbesondere, Geflüchtete, ihre Unterstützer*innen und vermeintliche „Linksextremisten“ zu diskreditieren. Dazu werden tendenziöse Fragestellungen und/oder Falschbehauptungen auf­gestellt oder auch Datenschutz- und Persönlichkeitsrechte ignoriert. So versuchte die AfD mit ihrer „Großen Anfrage“ zum Thema „Links- und Rechtsextremismus in Thüringen“ an Personendaten zu gelangen. In Frage 49 hieß es wörtlich: „Von wem wurden Demonstrationen und Kundgebungen unter Beteiligung von Linksextremisten in Thüringen angemeldet (bitte nach Datum und Ort, Name, Vorname und Organisations- oder Parteizugehörigkeit aufschlüs­seln)?“ Über diverse „Kleine Anfragen“ werden kontinuierlich sowohl Bürgerbündnisse gegen Rechts und antifaschistische Gruppen ausgeforscht, als auch die mögliche Zusammenarbeit von Kirchen, Parteien, antifaschistischen Gruppen und Bürgerbündnissen erfragt. Das "Landesprogramm gegen Rechts", über welches in Thüringen neben den Beratungsstellen viele kleine Projekte, Vortragsveranstaltungen und Workshops finanziert werden, wird in regelmäßigen Abständen einer Prüfung durch die AfD per Anfrage unterzogen. Jegliche Veranstaltungen, die über das Landesprogramm finanziert wurden, werden erfragt, um daraus ab­leitend mit weiteren Anfragen die Strukturen in den jeweiligen Städten und Landkreisen zu erforschen. In öffentlichen Stellungnahmen der AfD-Fraktion werden darüber hinaus Personen des öffentlichen Lebens, die linken Strukturen oder Flüchtlingsunterstützer_innen zugerechnet werden, diskreditiert.

Teilweise erinnert das Agieren der AfD-Landtagsfraktion an klassische Anti-Antifa-Arbeit. Vor dem Hintergrund, dass es diverse Formen der Zusammenarbeit mit rechten Burschenschaften sowie Verbindungen zu (extrem) rechten Gruppierungen und Personen — wie bspw. der "Identitären Bewegung" (IB), Bürgerwehren bis hin zu (ehem.) NPD-Mitgliedern gibt, stellt diese Form der Datenerforschung in Verbindung mit der regelmäßigen Agitation gegen Geflüchtete, Bürgerbündnisse und linke, alternative Strukturen eine konkrete Gefährdungslage dar.

Hinzu kommt das Risiko durch einen möglichen Datenfluß von den sogenannten Sicherheitsbehörden an die AfD. Erst kürzlich wurde bekannt, dass in den Landesvorstand der AfD ein hoher Polizeibeamter gewählt wurde, bei einer AfD-Demonstration in Jena wurde in einem Fahrzeug der technischen Einheit der Thüringer Bereitschaftspolizei eine Ausgabe des "COMPACT-Magazin" mit Frauke Petry-Werbung festgestellt.

Die Gefahr der AfD besteht jedoch nicht alleine im Handeln der AfD, sondern ebenso im fehlenden oder falschen Reagieren anderer Parteien, insbesondere der CDU. Ein bis 2014 bestehender Konsens gegen Rechts, der sich mit dem Einzug der NPD in Parlamente entwickelte, ist im Umgang mit der politisch eher „rechtsaußen“ anzusiedelnden AfD in Thüringen verblasst. Ebenso verblasst bei einzelnen Journalisten mehr und mehr eine kritische Auseinandersetzung. Behauptungen der AfD werden teils ohne weitere Recherche und unreflektiert übernommen, manchmal sogar als ausschließliche Primärquellen verwendet, ohne zumindest Gegenpositionen einzuholen. Posi­tionen der AfD werden nicht mehr eingeordnet, die Sprache übernommen, Plattformen geboten — die AfD gewinnt auch dadurch an Deutungshoheit.

Die AfD in der Hamburger Bürgerschaft

Seitdem die AfD in der Hamburger Bürgerschaft sitzt, stellt sie eine Vielzahl an kleinen Anfragen rund um das Thema „Linksextremismus“. Dabei gerät die VVN-BdA, als Teil der Ohlsdorfer Friedensfestes genauso ins Visier wie ein Schulbuchverlag, der AfD-kritische Arbeits­blätter anbietet oder alternative Musikfestivals, deren Line-Up politisch nicht gefällt. Daneben versucht die AfD, mit Anträgen immer wieder ihren „law and order“-Anspruch deutlich zu machen. Zwar scheiterte sie mit dem Versuch, eine Extremismus-Klausel einzuführen oder einem Auftrittsverbot für die Band Slime beim diesjährigen Hafengeburtstag, aber zumindest bei letzterem gab es inhaltliche Zustimmung der CDU-Fraktion. Der für die Zivilgesellschaft und antifaschistische Grup­pen bisher gefährlichste Anfragekomplex (insg. fünf kl. Anfragen) lief unter dem Motto: „Extremisten bekämpft man nicht mit Extremisten“. Darin erfragte die AfD die Finanzierung und die strukturellen Zusammenhänge von zivilgesellschaftlichen Veranstaltungen, wie etwa dem Ohlsdorfer Friedensfest, Vermietungen bzw. Nutzen von Räumlichkeiten wie der Universität oder dem Kulturzentrum Lola. Auch nach durch das Hamburger Landesprogamm gegen Rechtsextremismus finanzierten Projekten, fragte die AfD. Bei letzterem erwies die dafür zuständige Behörde den Empfänger_innen einen Bärendienst, in dem sie in der Antwort tatsächlich die Klarnamen der Antragsteller_innen veröffentlichte. Bis dato gab es dazu keine kritische Auseinandersetzung der Behörde. Zuletzt erweiterte die AfD dieses Feld mit einer Anfrage unter dem Titel „Fördernehmer des Bundesprogramms 'Demokratie leben!' und des Vorgängerprogramms“ in der sie detailliert danach fragt, wer welche finanziellen Mittel aus den Bundesprogrammen gegen Rechtsextremismus bezogen hat. Letztendich übernimmt es die AfD in Hamburg die parlamentarische Anti-Antifa-Arbeit, die in anderen Bundesländern (z.B. Mecklenburg-Vorpommern) von der NPD praktiziert wurde.

Die AfD in Brandenburg zwischen Anbie­derung, Agitation und Kuriosa

Klare Worte gegen „linksextremistische“ Kriminalität: Von einer „neuen Stufe der Gewalt“ fabulierte der Brandenburger AfD-Landtagsabgeordnete Thomas Jung, nachdem im Juni 2016 sein Wohnhaus mit Farbbeuteln beworfen worden war. Er forderte harte Strafen für solche Angriffe und mahnte: „Wehret den Anfängen“. Etwas anders klang es aus der Brandenburger AfD, als ein gutes Jahr zuvor eine noch nicht bezogene Flüchtlingsunterkunft von Neonazis niedergebrannt wurde. „In erster Linie“ seien „die Politiker der Altparteien“ für solche Anschläge verantwortlich zu machen, kommentierte Landeschef Alexander Gauland. Denn: Sorgte die Politik für „konsequente Abschiebungen“, dann wäre die Stimmung im Lande viel entspannter. Während sie also Verständnis für brandstiftende Neonazis zeigt, ist die Brandenburger AfD nie verlegen um scharfe Worte gegen Links.

Doch trotz solcher Episoden sind die wenigen linken Initiativen kein Hauptziel der AfD-Fraktion und des Landesverbandes. Ausgemachte Bedrohungen für das Bundesland durch Flüchtlinge, durch islamistischen Terror und durch Einbruchskriminalität an der Grenze nach Polen sind sehr viel wirkmächtigere Themen im Bereich der Inneren Sicherheit. Abgeleitet werden daraus die Forderungen nach Grenzschließung, Abschiebungen, nach Ausbau der Polizei und der Stärkung des Verfassungsschutzes. Reden will die Partei erklärtermaßen über die „Sorgen der kleinen Leute“ — „Linksextremismus“ gehört in Brandenburg in der Regel nicht dazu. Es darf nicht vergessen werden: Vor den Landtagswahlen 2014 wandte sich die AfD in einem offenen Brief so freundlich an die Wählerschaft der in Brandenburg mitregierenden Linkspartei, dass ihr aus Reihen der CDU sogar die „Verharmlosung des Linksextremismus“ vorgeworfen wurde.

Versuche der AfD, gegen Links mobil zu machen, gibt es dennoch. 2015 war eine Abgeordnete der Linkspartei in der Nähe eines Demonstration-Transparents fotografiert worden, auf dem der Slogan „We love Volkstod“ geschrieben war — eine Parodie auf eine Neonaziparole. Wütend versuchte die AfD das Foto zu skandalisieren — der vermeintliche Aufruf zu einem Völkermord sei „unerträglich“. Obendrein würde von der Linkspartei die „hoch aggressive“ Antifa „gesteuert“. Die Linkspartei wolle eine „Umvolkung“ Deutsch­lands, ereiferte sich Alexander Gauland, und sprach von einem „linken Faschismus“. Internetpostings zum „Volkstod“-Transparent waren monatelang ein Schlager auf den einschlägigen Facebookseiten. Für sich selbst und das eigene Kernklientel ist die Bekämpfung von Linken ein Herzensanliegen, das zeigen solche Episoden. In der Ausrichtung der AfD-Politik ist es nur ein Baustein unter anderen.

Stärker als "DIE LINKE" und Antifa-Initiativen wird von der Brandenburger AfD die Zivilgesellschaft angegangen. Nach Protesten gegen eine AfD-Kundgebung im Januar 2016 in Potsdam ging die AfD beispielsweise eine Fachhochschule an, deren Gebäude in der Nähe des Kundgebungsortes liegt. Die AfD beschwerte sich vehement, dass aus dem Haus ein Transparent gehangen und unter anderem „mindestens ein Ei“ geworfen worden sei. Der AfD-Vorstoß hatte Erfolg. Das öffentliche Gebäude der Fachhochschule wurde schon bei der nächsten Demonstration in der Umgebung verschlossen. Besonders ins Schussfeld geraten sind bürgerliche und zivilgesellschaftliche Initiativen, die im Rahmen des Handlungskonzeptes „Tolerantes Brandenburg“ staatlich gefördert werden, um „Gewalt, Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus“ zu bekämpfen. Bei den Haushaltsverhandlungen 2015/2016 forderte die AfD, dass Landeszuschüsse an freie Träger und an das „Aktionsbündnis“ zu streichen wären, da diese keinem wirklichen Zweck dienen würden, sondern nur „Ideologie“ seien. Einen fast gleichlautenden Antrag hatte Jahre zuvor die damals noch im Landtag vertretene extrem rechte Partei "Deutsche Volksunion" (DVU) gestellt.

Anfang 2016 monierte die AfD, dass zivilgesellschaftliche Proteste über das „Tole­rante Brandenburg“ gefördert worden waren – etwa gegen den neonazistischen „Tag der deutschen Zukunft“ 2015 in Neuruppin. Der Staat müsse politisch neutral sein, so AfDler Thomas Jung. Es würden jedoch linke Demonstrationen bezahlt, wie früher bei „Jubel-Feiern der SED“. Diesmal ginge der Staat „einseitig gegen vom Bürger gewählte Parteien“ vor. Im Juli 2016 wurde die Argumentation noch einmal umgestellt. In einer Landtagsdebatte zitierte der AfD-Abgeordnete Franz Wiese zustimmend die Landesstatistiken über die im Vorjahr eklatant angestiegene rechte Gewalt. Daraus sei zu schlussfolgern: Das Landesprogramm gegen Rechts sei wirkungslos. Das liege an der Tatenlosigkeit der Projekte: das „Aktionsbündnis“ etwa verwende den Löwenanteil seiner Gelder nicht für wirkliche Arbeit, sondern für Personalkosten. Für die Bekämpfung von „Verbrechen“ brauche es solche Einrichtungen ohnehin nicht, sekundierte Fraktionskollege Sven Schröder — dafür sei die Polizei zuständig.

Im November brachte die AfD eine große Anfrage zum „Linksextremismus“ ein. In sage und schreibe 210 Einzelfragen wird sich nach allerhand Kuriosa erkundigt, etwa wieviele Radiosender im Bundesland von „Linksextremisten“ betrieben werden und auf welchen Frequenzen diese senden. Schwerpunkt ist aber die mögliche linksextreme Unterwanderung der Politik. Mit wieviel Geld wird der „Linksextremismus“ von der Landesregierung unterstützt, will die AfD wissen. Auch interessiert sie, welche Kenntnisse über „Linksextremisten“ in den Reihen der SPD und den Grünen vorliegen. Nicht einmal der „Schutzbund Deutscher Wald“ war vor AfD-Interventionen sicher. Ein landesgefördertes Flüchtlingsintegrationsprojekt des Naturschutzverbandes mit der Formel „Salam Aleikum“ im Titel zog eine missgünstige Landtagsanfrage nach sich: „Warum trägt das Projekt einen arabischen Titel? Warum wurde dem Projekt kein deutscher Titel eingeräumt?

Die AfD läuft zudem Sturm, wenn zivilgesellschaftliche Initiativen frei bestimmen wollen, wie und mit wem sie antirassistisch aktiv werden wollen. Der Landesjugendring veranstaltete Anfang des Jahres eine Fachtagung zur „außerschulischen Bildungsarbeit mit geflüchteten Jugendlichen“. Der AfD-Abgeordnete Steffen Königer kündigte sein Kommen an, woraufhin ihm vom Landesjugendring mitgeteilt wurde, dass ihm die Teilnahme verwehrt werden würde. Die AfD sprach von einem Skandal, von einer „totalitären Gesinnung“, die sich gegen einen „gewählten Abgeordneten“ richten wür­de. Auch hier wurde auf die Pflicht des Staates zur politischen Neutralität angespielt. Die Tagung sei schließlich vom Landesbildungsministerium mitfinanziert. Das Ministerium sah das genauso, übte in der Folge Druck auf den Landesjugendring aus und setzte die Position der AfD durch. Steffen Königers Teilnahme wurde ermöglicht.

Beabsichtigte Wirkung der Agitation der AfD und Gegenmaßnahmen

Die kontinuierliche Diskreditierung und Kriminalisierung zivilgesellschaftlichen und antifaschistischen Protestes soll letztlich zu dessen Isolierung innerhalb der Gesellschaft führen. Mit ihren Angriffen will die AfD aber wohl nicht nur aus prinzipiellen Erwägungen den Raum für bürgerliche antifaschistische und antirassistische Interventionen verkleinern. Sondern sie will verhindern, dass gesellschaftlich kritisch über die AfD selbst debattiert werden kann. Damit einhergehend ist eine Verunsicherung der Zivilgesellschaft in Bezug auf Formen des Protestes und den Umgang mit der AfD beabsichtigt.

Der auf mehreren Ebenen erfolgte und bisher erfolgreiche Rechtsruck der Gesellschaft steigert sich kontinuierlich durch eine Verschiebung der „Unsagbarkeits-Grenze“, welche sowohl parlamentarisch als auch außerparlamentarisch und medial bespielt wird, ohne dass es gleichzeitig angemessene Gegenmaßnahmen gibt.

Die weiter bestehende Herausforderung ist es, der Penetranz der rechten Aktivitäten im Kampf um die öffentliche Hegemonie Maßnahmen gegenüberzustellen, die sich nicht nur in und an eigenen zivilgesellschaftlichen und linken Strukturen abarbeitet, sondern den Anspruch hat, gesellschaftliche Relevanz zu erlangen. Gelingt dies nicht, wird sich die Sprache der AfD noch mehr als bisher in Übergriffen ihren Ausdruck verschaffen: auf Geflüchtete und deren Unterstützer_innen aber auch auf zivilgesellschaftliche und antifaschistische, linke Strukturen.