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Die »Junge Freiheit«

Ein gemeinsamer Artikel der Zeitschriften: Der Rechte Rand, Lotta, Antifaschistisches Infoblatt
Einleitung

In der alltäglichen Auseinandersetzung von AntifaschistInnen mit militanten Neonazis und Organisationen wie der NPD wurde in den letzten Jahren die kritische Beschäftigung mit der rechten Berliner Wochenzeitung »Junge Freiheit« (JF) vernachlässigt. Der Zeitung ist aber mittlerweile ein qualitativer Sprung in Bezug auf ihre Kampagnenfähigkeit gelungen, wenn sie gegen antifaschistische JournalistInnen und WissenschaftlerInnen agiert. Das wird an zwei Aktionen deutlich, die Ende 2007 von der JF gegen angeblich »linksextreme« Verstrickungen von SozialdemokratInnen geführt wurden.

Bild: attenzione-photo.com

Lange Zeit war klar, dass die JF zur (z.T. extremen) Rechten gehört und unter dem Deckmantel des Konservatismus völkische, nationalistische und antidemokratische Positionen verbreitet. Wer sich mit dem Blatt einließ, musste mit Gegenwind rechnen. Die Ablehnung reichte bis ins bürgerliche Spektrum. So warnte 1994 der CDU-Politiker Friedbert Pflüger mit Blick auf das Umfeld der JF vor einer zunehmenden »Erosion der Abgrenzung« von deutschen Konservativen zur extremen Rechten.

Imagewandel

Spätestens seit Mitte der 1990er Jahre arbeitete die JF daran ihr Schmuddelimage abzustreifen und als seriöse, rechtskonservative Zeitung zu erscheinen. Es gelang, Prominente aus Publizistik und Politik als Gesprächspartner zu gewinnen. Mittlerweile gehört es offenbar bei Teilen der deutschen Konservativen zum guten Ton, sich mit der JF einzulassen. Immer mehr Professoren, Politiker fast aller Parteien und der emporstrebende Nachwuchs der deutschen akademischen Rechten finden sich als Autoren und Interviewpartner in dem Blatt. Die angebliche Bedrohung von »Moral« und »Werten« durch den Einfluss der »68er«, die »political correctness« und linke Wahlerfolge sorgen am rechten Flügel der deutschen Gesellschaft erneut für einen engen Schulterschluss.

Zum Imagewandel trug auch die publizistische und juristische Kampagne der Zeitung gegen ihre Überwachung durch den Verfassungsschutz bei, die unter anderem vom ehemaligen Generalbundesanwalt Alexander von Stahl (FDP) unterstützt wurde. Dass die JF nun nicht mehr in den Berichten erwähnt wird, sorgt für eine Aufwertung der Zeitung. Autoren und Leser müssen nun keine Stigmatisierung als »Verfassungsfeind« mehr fürchten. Glaubt man der JF, stieg die Auflage auf 18.500 verkaufte Exemplare, zahlreiche Kioske haben das Blatt im Angebot. Auch die Abgrenzung der Zeitung gegenüber der NPD und ihrem ehemaligen Österreichischen Schwesterblatt »Zur Zeit« macht die Zeitung weiter salonfähig.

Kampagnenfähig

Ob die Zeitung dadurch nun auf wirtschaftlich sicheren Beinen steht, kann bezweifelt werden. Denn der Verlag mit etwa 20 Angestellten leistete sich beispielsweise auf der »Leipziger Buchmesse« 2008 keinen eigenen Stand, sondern legte lediglich einen Stapel Zeitungen beim Verlag »Edition Antaios« aus. Und zumindest seriöse Anzeigenkunden machen weiterhin einen Bogen um das Blatt. Eine stabile Verankerung in der Medienlandschaft wurde zwar bisher nicht erreicht, doch die Kampagnenfähigkeit der Zeitung konnte gesteigert werden. Als im November 2007 die SPD-Jugendorganisation Franziska Drohsel zur ihrer neuen Bundesvorsitzenden wählte skandalisierte die JF ihre Mitgliedschaft in der »Roten Hilfe« (RH) und ihre Zusammenarbeit mit der »Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der AntifaschistInnen« (VVN-BdA).

Aufgeregt berichtete die JF: »Neue Juso-Vorsitzende Drohsel arbeitet mit Linksextremisten zusammen«. Die Zeitung beanspruchte, Auslöser der anschließenden Debatte in den Medien und der Politik gewesen zu sein. Auch wenn die Fakten bereits bekannt gewesen waren, zog die Meldung der JF seine Kreise und konservative Organisationen sprangen auf den Zug auf. Union und FDP forderten den Rücktritt Drohsels. Überregionale Medien stürzten sich auf das Thema und flankierten die Forderungen der JF. Drohsel verließ schließlich die RH. Eine andere Kampagne richtete sich gegen Stephan Braun und Ute Vogt, die ein kritisches Buch über die JF herausgaben. Mit der Broschüre »Die offene Flanke der SPD« des JF-Redakteurs Felix Krautkrämer reagierte die Zeitung darauf und versuchte auch hier, eine »Zusammenarbeit von Sozialdemokraten mit Linksextremisten« zu beweisen. Dossierartig wurden Informationen über 22 antifaschistische JournalistInnen und WissenschaftlerInnen zusammengetragen und ihnen »linksextreme« Kontakte angedichtet. Als »Beweis« fungierte beispielsweise die Autorenschaft in antifaschistischen Magazinen wie »Der Rechte Rand« oder »Enough is Enough«. Unwillkürlich wurden beim Lesen der Broschüre Erinnerungen an das neonazistische Anti-Antifa-Heft »Der Einblick« von 1993 wach.

Auch die Zeitschrift »Focus« sprang auf den Bericht an. Ihr »Chef vom Dienst«, Michael Klonovsky, hieb in dieselbe Kerbe und servierte nun auch einer breiten Öffentlichkeit die Thesen der JF. Seit Jahren versucht die »Junge Freiheit« politische GegnerInnen zu diskreditieren. Sie hat erkannt, dass die öffentliche Auseinandersetzung mit den Inhalten und den Netzwerken der »Neuen Rechten« der Etablierung einer starken Rechten in Deutschland im Wege steht und den Versuch der JF durchkreuzt, am unzufriedenen rechten Rand der Unionsparteien anzudocken. Daher weitete sie 2007 ihre Berichterstattung in diesem Feld aus. An der JF wird deutlich, wie weit die strukturelle und ideologische »Erosion der Abgrenzung« zur extremen Rechten vorangeschritten ist. Doch auf der organisatorischen Ebene stehen die JF und ihr Umfeld noch immer auf wackeligen Beinen.