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Deutsche Burschenschaft light

Lucius Teidelbaum
Einleitung

Rechtskonservativer Burschenschaften-Verband in Gründung

Während sich die in dem extrem rechten Dachverband „Deutsche Burschenschaft“ (DB) verbliebenen Burschenschaften im Juni wie gewohnt in Eisenach trafen, versammelten sich unbemerkt von der Öffentlichkeit in Braunschweig rechtskonservative Ex-DB-Bünde, um weiter an einem neuen Dachverband zu feilen.  

Foto: ©Rabe!/CC BY-SA 3.0

Der geplante neue burschenschaftliche Dachverband ist für stramme Burschenschafter gedacht, die sich fürs Vaterland engagieren wollen, denen aber die „Deutsche Burschenschaft“ zu braun geworden ist.

Eigentlich gibt es mit der „Neuen Deutschen Burschenschaft“ (NDB) bereits eine bestehende Alternative zur DB, doch scheint die 1996 gegründete NDB für viele der Bünde, die in den letzten Jahren die DB verlassen haben, keine attraktive Alternative darzustellen. Die NDB hatte 2013 22 Burschenschaften in 17 Städten und lässt im Gegensatz zur DB teilweise auch Ausländer als Mitglieder zu. Außerdem sind viele ihrer Mitgliedsbünde nicht pflichtschlagend, d.h. das Fechten einer „Mensur“ (spezielle, verbindungsstudentische Variante eines Duells) ist in den NDB-Bünden häufig keine Pflicht mehr. Die NDB ist sicher ein elitärer und konservativer Männerbund, seine Bünde vermeiden aber allzu völkisch-nationalistische Töne und Kontakte mit politischen Rechtsaußen. Die meisten NDB-Bünde verließen die DB bereits bis Ende der 1990er und Anfang der 2000er. Die erst in den letzten Jahren verbandslos gewordenen Ex-DB-Bünde trugen dagegen den völkisch-nationalistischen Kurs des Dachverbandes in Teilen oft jahrelang mit. In ihren Reihen finden sich auch Mitglieder, die in der extremen Rechten aktiv waren oder sind, und in ihren Häusern traten auch immer wieder einschlägig bekannte Refe­rent/innen aus der extremen Rechten auf. 

Die NDB ist den Neu-Aussteigern aus der DB offenbar zu lasch. Die DB dagegen ist ihnen inzwischen zu eindeutig extrem rechts dominiert. Darüber hinaus steht die DB seit Jahren im Fokus öffentlicher Kritik. Das gefährdet Karriere und Ansehen der einzelnen Burschenschafter.
Es geht somit nicht nur um Inhalte, sondern auch ums Image, weshalb Bedarf für einen neuen Dachverband zwischen DB und NDB entstand. Die Pläne dazu reifen bereits seit Jahren. Als Kern des neuen Dachverbandes darf die Ende 2011 entstandene „Initiative Burschenschaftliche Zukunft“ (IBZ) gelten. Diese versuchte eine Zeit lang die rechtskonservative Minderheit in der DB zu organisieren und band auch bereits ausgetretene Bünde mit ein. Inzwischen haben fast alle IBZ-Mitglieder die DB verlassen. Derzeit gehören der IBZ 35 Mitgliedsbünde an. Wichtig ist, dass es sich bei den meisten der „Flüchtlinge“ aus der DB um eher mitgliederstarke Bünde handelt, während viele in der DB verbliebene Burschenschaften eher mitgliederschwach sind. Einem Bund mit 200 „Alten Herren“ ist es möglich sich besser zu finanzieren, als einem mit 50 Angehörigen. „Alte Herren“ sind Mitglieder einer Studentenverbindung nach dem Studium, die ihrer Korporation gemäß dem vorherrschenden „Lebensbund“-Prinzip weiter angehören und ihn durch Beiträge von mehreren hundert Euro pro Jahr finanzieren. So ist gewährleistet, dass das Verbindungshaus finanziert wird und entsprechend mit dem Angebot von billigem Wohnraum neue Mitglieder „gekeilt“ (geworben) werden können. Sollte tatsächlich ein neuer burschenschaftlicher Dachverband aus 40 bis 50 mitgliederstarken Burschenschaften gegründet werden, dann wird hier ein neues Elite-Netzwerk entstehen. Zur Erinnerung: Da Burschenschaften Männerbünde sind, werden Frauen von vornherein von diesem Netzwerk ausgeschlossen sein.

Dem Treffen in Braunschweig waren seit 2012 bereits mehrere Treffen mit bis zu 180 Mitgliedern aus 45 Burschenschaften unter dem Namen „Märzgespräche“ vorausgegangen. Diese Gespräche sind eine Erweiterung der so genannten „Deutschlandgespräche“, die von 2008 bis 2012 immer um den 3. Oktober herum von drei Burschenschaften in Jena veranstaltet wurden. Jene hatten die DB bis spätestens 2007 verlassen und sehen sich als Erben der in Jena 1815 gegründeten Urburschenschaft, was in traditionsbewussten Burschenschafterkreisen von hoher Bedeutung ist. Zu den „Deutschlandgesprächen“ wurden gezielt auch die Bünde der DB eingeladen, die nicht der „Burschenschaftlichen Gemeinschaft“ (BG) angehören. Es wurde also anscheinend bewusst ein Keil in die DB getrieben. Die BG und ihre Freunde sind mehr oder weniger für die extrem rechte Dominanz innerhalb der DB verantwortlich.

Rechtskonservative Töne in Braunschweig

Nun traf man sich erneut im Juni 2014 in Braunschweig zur dritten Verbandsgründungstagung, die sich dem Thema „Freiheit“ widmete. Laut Einladung waren der „Jenaischer Burschenschafter Convent“ und die IBZ die veranstaltenden Organisationen. Man traf sich auf dem Haus der Braunschweiger Burschenschaft Alemannia (bis 2013 DB) und der Braunschweiger Burschenschaft Germania (bis 2012 DB).

Die vier angekündigten ReferentInnen zeigen, dass der neue „schlagkräftige Verband“ vermutlich eine rechtskonservative Ausrichtung bekommen soll: Der Rechtsanwalt Carlos A. Gebauer kommt aus Duisburg und war Kolumnist des nationalliberalen Magazins „eigentümlich frei“ (ef). Der Professor Dr. Harald Seubert aus Nürnberg ist seit 2011 Präsident des deutschnationalen „Studienzentrum Weikersheim“, einer ursprünglich am rechten Rand der CDU beheimateten Denkfabrik, und war zeitweise Präsident des monarchistischen „Preußeninstituts“. Die ehemalige Bundestagsabgeordnete Vera Lengs­feld ist über eine Zwischenstation bei den Grünen zum rechten Flügel der CDU gewandert. Der Fernsehjournalist Armin-Paul Hampel ist nicht nur ehemaliger Chefreporter der ARD, sondern war auch AfD-Kandidat für die Europawahl und ist AfD-Landeschef in Niedersachsen. Dabei sprach er Klartext: „Andere Parteien wollen Zuwanderung nur, damit die Deutschen in einem großen europäischen Brei aufgehen.“1  

DB-Alternative und die „Alternative für Deutschland“ 

Nicht nur Hampel2  als Referent verdeutlicht eine gewisse Nähe zwischen der nationalkonservativen AfD und dem rechtskonservativen Burschenschaften-Verband in Gründung. Auch Lengsfeld hatte Sympathien für die AfD erkennen lassen, trotz ihrer CDU-Mitgliedschaft3 .
 
Burschenschaften und die AfD scheinen sich zu mögen. Laut ihren Semesterprogrammen traten Joachim Starbatty (heute: AfD-MdEP), Martin Renner (Mitglied im Vorstand von AfD-NRW), Brigadegeneral a. D. Dieter Farwick (AfD-Redner), Beatrix von Storch (heute: AfD-MdEP), Dr. Brigitte Stöhr (stellvertretende Vorsitzende und Pressesprecherin der AfD-Bayern), Dr. Marc Jongen  (stellv. Vorsitzender des AfD-Landesverbandes Baden-Württemberg, EU-Kandidat), Prof. Dr. Gunther Nickel (Chef des AfD-Landesverbandes Hessen) und Alexander Gauland (stellvertretender Vorsitzender der AfD) als RednerInnen in den Häusern von Burschenschaften auf, inbesondere bei den Burschenschaften, die erst in den letzten Jahren die DB verlassen haben. Das fußt wohl vor allem auf inhaltlichen Gemeinsamkeiten. Da es in Deutschland kein erfolgreiches Pendant zur FPÖ gibt und vielen Burschenschaftern die NPD zu sehr ,Nazi‘ ist und zudem ein Karrierekiller, empfiehlt sich neuerdings die AfD als politische Alternative für diejenigen, für die die CDU zu ,sozialdemokratisch‘ geworden ist. Eine Partei rechts von der CDU, die wie die Burschenschaften angetreten ist, um Deutschland zu retten („Mut zu Deutschland!“). Hier findet zusammen, was inhaltlich auch zusammengehört. Die stark marktradikale Ausrichtung der von Ökonomie-Professoren wie Bernd Lucke geführten Partei verbindet sich gut mit dem elitären Selbstanspruch der Burschenschaften.

Das scheint besonders für die AfD-Jugendorganisation „Junge Alternative für Deutschland“ (JA) zu gelten.

In den Reihen der AfD und der JA finden sich deswegen nicht zufällig Burschenschafter und andere Verbindungsstudenten. Ein Beispiel wäre Benjamin Nolte, der kurzzeitig von Februar bis März 2014 stellvertretender JA-Vorsitzender war, aber nach dem Bekanntwerden seiner Mitgliedschaft bei der berüchtigten Burschenschaft Danubia München und seiner rassistischen Tat — er hatte 2009 in Eisenach Mitgliedern der Alemannia Köln in Anspielung auf deren schwarzes Mitglied eine Banane überreicht — , musste Nolte sein Amt aufgeben, ist aber offenbar weiterhin einfaches Mitglied. Ein weiteres Beispiel wäre Christoph Basedow, ein Beisitzer im Landesvorstand der AfD Mecklenburg-Vorpommern, der auch 2014 auf Platz 1 der Rostocker AfD-Liste zur Wahl der Bürgerschaft kandidierte. Basedow ist Mitglied der Burschenschaft Redaria-Allemannia Rostock und war für diese ab dem 1. Januar 2012 Sprecher der DB. Inzwischen hat die Redaria der DB den Rücken gekehrt. Auch der aktuelle DB-Sprecher von der Dresdner Burschenschaft Cheruscia, Gordon Engler, engagiert sich bei der AfD. Er ist Mitglied des Dresdner AfD-Kreisvorstandes und kandidierte erfolgreich in Dresden für die AfD bei der Kommunalwahl am 25. Mai 2014.

Doch es müssen nicht nur Burschenschafter sein. Sven Tritschler aus Köln ist Mitglied im Landesvorstand der AfD NRW, Vorsitzender der JA NRW und Mitglied der Sängerschaft Leopoldina Breslau zu Köln, zu deren Haus auch die Adresse der JA NRW führte, wie ein Artikel der Wochenzeitung „Der Freitag“ thematisiert4 . Tritschler hatte sich zuvor als Bundesvorsitzender des nationalliberalen „Stresemann-Clubs” betätigt und hat nun offenbar in der AfD seine neue nationalliberale Heimat gefunden.

Fazit: Auch light ist schädlich

Rechtskonservative — sie bezeichnen sich selber gerne als „wertkonservativ“ — Burschenschaften sind auf dem besten Weg, einen neuen Dachverband zu gründen. Es handelt sich dabei um eine Art DB light. Die vierte Verbandsgründungstagung der rechtskonservativen DB-Abtrünnigen ist für Oktober in München angesetzt. Die Gründung soll voraussichtlich 2015 vonstatten gehen, vermutlich am 12. Juni, zum 200. Jahrestag der Gründung der Urburschenschaft in Jena. 

Die Verhältnisse in der AfD sind bei weitem noch nicht so weit, wie in der Burschenschafter-Partei FPÖ, aber die AfD ist als Rechtsaußen-Partei mit elitärer, bildungsbürgerlicher Kader-Dominanz mit marktradikalen Vorstellungen durchaus für die Angehörigen von elitären Männerbünden attraktiv. Diese könnten der Partei ein weiteres akademisches Rückgrat verpassen, was aber stärker deutschnational eingestellt ist, als die Professoren-Riege.

Während sich NPD und DB munter weiter ins Aus manövrieren, ist die AfD erfolgreicher und bei der kommenden DB light steht ähnliches zu befürchten. Ein Neonazi-Vorwurf greift bei beiden zu kurz, ja wäre falsch und ist auch unnötig. Doch bei beiden bleibt noch genügend Kritikwürdiges übrig: Antifeminismus, Homophobie, Nationalismus, Sozialchauvinismus etc..

Es ist letztlich wie mit Zigaretten, auch die Light-Marken schaden langfristig. Darauf muss aber erst einmal hingewiesen werden.