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Der Sommer ist vorbei...

Friedrich Burschel; Uwe Schubert; Gerd Wiegel (Hg.)

Seit 2001 existieren in allen ostdeutschen Bundesländern flächendeckend staatlich finanzierte Programme gegen „Rechtsextremismus“. Vorangegangen war der Mord an Alberto Adriano in einem Dessauer Park, ein Brandanschlag auf die Neue Synagoge in Erfurt am 20. April 2000 und ein bis heute nicht aufgeklärter Bombenanschlag in Düsseldorf im Juli 2000. Diese Taten hatten unter dem damaligen SPD-Bundeskanzler zum „Aufstand der Anständigen“ geführt. Dieser und die daraus resultierenden Förderprogramme für Initiativen gegen „Rechtsextremismus“ waren eine Zäsur im staatlichen Umgang mit rechter und rassistischer Gewalt. Zum einem wurden Rassismus und rechte Gewalt bagatellisiert und als Jugendproblem abgetan. Zum anderen wurde sich weg von den Tätern hin zu den Opfern rassistischer Gewalttaten und dem Aufbau einer gegen rechts aktiven Zivilgesellschaft orientiert.

Viele in den 1990er Jahren in kritischer Wissenschaft, Antifagruppen und linken Bewegungen aktive AntifaschistInnen traten den Weg in die durch staatliches Geld entstandenen Projekte an. Beziehungsweise erschufen sie erst diese bis heute bestehende „Projektelandschaft“ aus Mobilen Beratungen, Projekten der Opferhilfen für Betroffene rechter und rassistischer Gewalt und lokalen Bündnissen.

Mit Gerd Wiegel, Referent für Rechtsextremismus/Antifaschismus der Bundestagsfraktion Die Linke, Friedrich Burschel, in der Rosa Luxemburg Stiftung zuständig für Neonazismus und Strukturen/Ideologien der Ungleichwertigkeit und Uwe Schubert, ehemaliger Projektleiter bei MOBIT e. V. in Thüringen sind die Herausgeber des Sammelbands langjährige Experten auf dem Gebiet des institutionalisierten Antifaschismus. Sie, wie alle ihre Autorinnen und Autoren, hatten in ihrem beruflichen Werdegang mit den „Bundesprogrammen gegen Rechts“ zu tun. Viele der Beteiligten an diesem Buch sind oder waren AutorInnen des AIB. Neben der Reflextion und der Selbstreflektion der „Bundesprogramme gegen Rechtsextremismus“ wird hier auch ein Teil der jüngeren Antifageschichte geschrieben.

Heute ist es selbstverständlich in vielen Regionen, dass auch aktive AntifaschistInnen, die eigentlich ein kritisches Verhältnis zum Staat und seinen Geldern haben, bei größeren antifaschistischen Protesten an diesen staatlich finanzierten Akteuren nicht vorbei kommen. Dies ist aber nur einer der Zwiespalte, die aktive AntifaschistInnen, mit dieser staatlich geförderten „Projektelandschaft“ haben: Je konkreter die Hilfestellung dieser „Berater“ beim Kampf gegen rechts wird, desto dienlicher sind sie. Umso mehr Gesellschaftskritik von Antifagruppen vermittelt werden möchte, desto weiter sollten sie sich von diesen „Beratern“ fernhalten und ihr eigenes Ding drehen.

Deshalb ist besonders der Beitrag zu „Zivilgesellschaft“ von Gerd Wiegel so gewinnbringend zu lesen. Hier wird kritisch auf den Begriff eingegangen der Voraussetzung, Ansprechpartner und Zielstellung dieser „Bundesprogramme gegen Rechtsextremismus“ ist. Zivilgesellschaftliche Ver­mittlung von Konflikten kann doch nicht das alleinige Ziel von (unserem) politischem Handeln sein. (FK)

Friedrich Burschel; Uwe Schubert; Gerd Wiegel (Hg.)
„Der Sommer ist vorbei... - Vom „Aufstand der Anständigen“ zur „Extremismusklausel“ Beiträge zu 13 Jahren „Bundesprogramme gegen Rechts“.
Edition Assemblage, Münster 2013, 152 Seiten, 16,- Euro