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Der NS-Täter Hans Globke und die Konrad-Adenauer-Stiftung der CDU

Einleitung

Die Zeit des Nationalsozialismus gilt als einer der am besten erforschten Epochen der Deutschen Geschichte. Doch noch immer gibt es Aktenbestände die unter Verschluss liegen. „Was nicht in den Akten steht, ist nicht in der Welt“ bedeutet eben auch: wenn Akten auch über 80 Jahre nach Ende des „Dritten Reichs“ nicht vollständig freigegeben werden, bleibt das Wissen über deren Inhalt weiter unbekannt.

Foto: Bundesarchiv; Bild 183-77013-0002 / CC-BY-SA 3.0

NS-Innenminister Wilhelm Frick (vorne) besucht 1941 die Slowakei in Begleitung von Hans Globke (links dahinter) und Hanns Ludin.

Globke im NS

Einer dieser wichtigen Aktenbestände sind jene über Hans Globke. Auf dem Titel­blatt der Kommentierung der Nürnberger Rassegesetze von 1936 stehen zwei Namen1 : Dr. Wilhelm Stuckart und Dr. Hans Globke. Globke war Experte im Reichsinnenministerium für Personenstands-, Staatsangehörigkeits- und „Rassefragen“ - alles Themengebiete, auf denen jüdischen Deutschen Schritt für Schritt ihre Rechte und ihre Existenzgrundlagen genommen wurden.

Der Jurist arbeitete bereits seit 1929 für das preußische Innenministerium. Während des Dritten Reiches erfuhr er als fähiger Beamter mehrere Beförderungen bis hin zum Ministerialrat. Neben den Nürnbergergesetzen war er an verschiedenen anderen Gesetzen und Erlassen federführend beteiligt welche darauf abzielten jüdisches Leben in Deutschland unmöglich zu machen. Das Tragen von Zunamen wie „Sara“ oder „Israel“ oder auch das berüchtigte „J“ in Reisepässen von Juden gingen auf Globke zurück. Globke versuchte Mitglied der NSDAP zu werden, aber durch seine frühere Zugehörigkeit zum katholischen „Zentrum“ wurde ihm dies verwehrt.

Es waren Globkes Entwürfe, welche die späteren nationalsozialistischen Rassegesetze formten, und damit die juristische Grundlage für die Entrechtung, Ausgrenzung und Ermordung der jüdischen Deutschen bildeten.

Dr. Wilhelm Stuckart nahm für das Reichsinnenministerium am 20. Januar 1942 an der berüchtigten Wannseekonferenz teil, wo er unverblümt von der Ermordung von bis zu 11 Millionen Juden in Europa sprach und Zuständigkeiten klärte. Für die Kommentierung der Nürnberger Gesetze steuerte Stuckart nur das Vorwort bei, der Hauptteil des Gesetzeskommentars, welcher 1936 im Beck-Verlag erschien, schrieb Hans Globke ganz alleine.

Während Wilhelm Stuckart im sogenannten Wilhelmstraßen-Prozess 1947 wenigstens angeklagt und zu 3 Jahren Haft verurteilt wurde (er starb wenig später mit 51 Jahren bei einem Autounfall) ging es für Hans Globke deutlich besser aus.

Globke in der BRD

Von 1949 bis 1963 wurde Globke enger Vertrauter des Bundeskanzlers Konrad Adenauer, war Leiter des Bundeskanzleramtes und besetzte zahlreiche weitere mächtige Positionen. Er organisierte die Überführung der „Organisation Gehlen“ (der erste Nachrichtendienst der BRD der sich vor allem aus ehemaligem Personal der SS, Gestapo, Sicherheitsdienst und Wehrmacht zusammensetzte) in den Bundesnachrichtendienst (BND). Er leitete auch das Bundespresseamt welches u.a. die extrem rechte „Deutsche Soldaten-Zeitung“ großzügig unterstützte.

Dabei wäre es ein Missverständnis die dominante Präsenz Globkes in der BRD als „Skandal“ oder „Fehltritt“ anzusehen. Globke war kein brauner Ausreißer – er war die Regel bis weit in die 1970er Jahre hinein. Im Bundesministerium des Innern (BMI), dass die Fachaufsicht über den Verfassungsschutz ausübte, waren Anfang der 1960er-Jahre zwei Drittel der leitenden Mitarbeiter frühere Mitglieder der NSDAP und knapp die Hälfte ehemalige SA-Angehörige. Auch vom Auswärtigen Amt ist bekannt, dass sich dort nach 1945 mehr ehemalige NSDAP-Mitglieder tummelten als vorher.

Die Vergangenheit Globkes war während seiner Amtszeit kein Geheimnis. Besonders die DDR machte auf diese Personalie immer wieder aufmerksam und zog sie als Beispiel einer Kontinuität zwischen dem NS-Staat und der BRD heran.

Doch hielt Bundeskanzler Konrad Adenauer stets seine schützende Hand über Globke. „Man schüttet kein schmutziges Wasser aus, ehe man reines hat“ ist die bis heute bekannteste Aussage Adenauers zu seinem wichtigen Mitarbeiter. Besonders rund um den Eichmann-Prozess 1961 in Israel wurde es eng für Globke. Der Angeklagte Eichmann hätte Globke, und damit das gesamte Bundeskanzleramt, in schwere Erklärungsnöte bringen können indem er die Verstrickung von Globke in den Holocaust während des Prozesses mit Nachdruck thematisiert hätte. Die BRD konnte dies verhindern. Die Chefankläger in Israel bohrten nicht weiter bei der Causa Globke nach – im Gegenzug gab es umfangreiche deutsche Wirtschafts- und militärische Hilfen für den von allen Seiten bedrohten jüdischen Staat.

Hans Globke betonte nach 1945 stets, er habe während des Dritten Reichs Kontakte „Zum Widerstand“ gehabt, und durch seine enge Auslegung der Gesetze noch Schlimmeres verhindert. Diese verteidigenden Aussagen Globkes sind jedoch wertlos und als reine Schutzbehauptungen abzutun. Als wichtiger Mitarbeiter des Ministeriums des Inneren hat er an zentraler Stelle an der Entrechtung der jüdischen Deutschen gearbeitet und durch seine engen und guten Kontakte zu Stuckart war er früh und umfassend über den Holocaust informiert. Die „Kontakte“ zum Widerstand scheinen so lose gewesen zu sein, dass er in keiner Verhaftungswelle festgenommen wurde. Ganz im Gegenteil: Er erfüllte seine Pflicht im NS-Rassestaat und konnte so Karriere machen. Pikant bis heute ist, dass die Akten Globkes bis heute nicht vollständig zugänglich sind. Eine Aufarbeitung des „Fall Globkes“ ist also bis heute nicht abgeschlossen.

Akte Globke: Schwer erreichbar

Normalerweise müssten die Akten Globkes im Bundesarchiv aufbewahrt werden – und stünden damit der Forschung zur Verfügung. Stattdessen liegen diese Akten aus dem Zeitraum 1945 bis 1973, immerhin 17 Regalmeter, in der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS), der Parteistiftung der CDU. Für diese Akten gelten, laut KAS, „Besondere Benutzungsbedingungen“. Damit stehen die Unterlagen nicht allen WissenschaftlerInnen zur Verfügung sondern nur wenigen Ausnahmefällen, welche von der KAS bzw. den Nachfahren Globkes nach nicht transparenten Kriterien ausgesucht werden.

Laut Selbstauskunft der KAS gebe es keinen Grund für Mythen und Diskussionen. Stattdessen seien die Akten seit dem Jahr 2013 offengelegt und auf Antrag einsehbar. Wenn dies aber so wäre stellt sich allerdings die Frage, warum die KAS die Unterlagen nicht, wie es eigentlich üblich ist, an das zuständige Archiv, in diesem Fall das Bundesarchiv, abgibt. Hier stünden die Akten der Forschung wesentlich barrierefreier zur Verfügung und der Bestand würde zudem gut zu den weiteren Beständen des Bundesarchivs passen, wodurch Forscherinnen und Forschern an einem Ort die besten Arbeitsbedingungen zur Verfügung gestellt würden.

Das Projekt „Frag den Staat“ stellte sogar Strafanzeige gegen das Bundeskanzleramt, um eine Abgabe dieser Akten an das Bundesarchiv zu erreichen. Diese Anzeige wurde jedoch von der Staatsanwaltschaft eingestellt. Auf der Seite www.fragdenstaat.de werden historische Akten zu Globke erneut veröffentlicht, um den Druck auf die KAS und das Bundeskanzleramt aufrechtzuerhalten und den Fall Globke nicht völlig in Vergessenheit geraten zu lassen.

Auch die Journalistin Gaby Weber setzt sich seit vielen Jahren dafür ein, dass Akten die als dienstliche Unterlagen von Bundesbehörden entstanden sind, ins Bundesarchiv gehören – und nicht in private Stiftungen. Am Potsdamer Institut für Zeitgeschichte Potsdam wird seit 2017 die Geschichte des Bundeskanzleramts erforscht. Man darf gespannt sein, ob und wie hell neues Licht auf den Fall Globke geworfen werden wird.