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Der Bundeskongress der „Jungen Alternative“

Erich Nitsche von IB-Doku (Recherche- und Monitoringplattform zur „Identitären Bewegung") (Gastbeitrag)
Einleitung

Der jährliche Bundeskongress der „Jungen Alternative“ (JA), der AfD Partei-Jugend,  fand im Jahr 2022 am 15. und 16. Oktober im thüringischen Apolda vor dem Hintergrund des russischen Angriffskrieges, der Energiekrise und steigender Inflation statt.

In einem Image-Filmchen präsentiert sich die extreme Rechte.
(Bild: Screenshot YouTube; info-direkt)

In einem Image-Filmchen präsentiert sich die extreme Rechte.

Aufbau einer neo-faschistischen Bewegung?

Die aktuelle Zeitschrift der AfD-Parteijugend „Patria“ titelte vor diesem gesellschaftlich krisenhaften Moment frohlockend „Heißer Herbst?!“ und unterlegte jene Titelseite mit behelmten Polizist*innen. Diese verbale Offensive wird in Teilen Ostdeutschlands von AfD-geführten Protesten begleitet. Weitere Begleitumstände dieses Bundeskongresses waren das für die Partei ordentliche Abschneiden der AfD bei der Landtagswahl in Niedersachsen und bundesweit steigende Umfragewerte. Umfragen, welche die AfD in den ostdeutschen Bundesländern als stärkste, respektive zweitstärkste Partei sehen, dürften noch einmal für Selbstbewusstsein in den völkisch-nationalistischen Landesverbänden gesorgt haben.

Dass dieser Parteitag in Björn Höckes Landesverband stattfand und federführend von der JA-Thüringen, der JA-Sachsen-Anhalt, der JA-Sachsen und der JA-Brandenburg organisiert und dominiert wurde, gereichte dem neofaschistisch agierenden „Vorfeld“ der Partei zum endgültigen Türöffner. Die jahrelangen Annäherungen zwischen Partei, ihrer Jugendorganisation und dem Parteivorfeld wurden bei diesem Bundeskongress in einem offiziellen Schulterschluss besiegelt.

Björn Höcke, der mittlerweile die bundesweite Parteijugend hinter sich weiß, ließ es sich nicht nehmen den Kongress mit einer Rede zu eröffnen. Die JA zitiert ihn später mit „Die Zukunft der Partei baut auf Wissen, Organisation und Bewegung. Mehr IB wagen und niemals JU werden“. Dass er trotz immer noch gültiger Unvereinbarkeit mit der „Identitären Bewegung“ (IB) die Jugendorganisation seiner Partei auffordert, sich an dieser zu orientieren, zeigt zum einen seine eigene Verortung, spricht darüber hinaus aber vor allem für sein Selbstbewusstsein, sich über Parteibeschlüsse hinweg zu setzen. Für einen parteiinternen Eklat sorgten seine Worte anschließend nicht.

Der „neurechte“ Ideologe Götz Kubitschek war der zweite Redner des Abends und unterhielt sich später im Vorraum des Saals mit AfD-Bundessprecher Tino Chrupalla. Im hinteren Bereich der Stadthalle von Apolda hatte sich derweil „eine fröhliche Leistungsschau der Gegenkultur“ eingerichtet, wie das von Matthias Scharfmüller gegründete IB-nahe Magazin „Info-Direkt“ titelte. Mit Ständen waren dort die zentralen „neu-rechten“ Projekte und Strukturen geladen, um sich zu präsentieren und neue InteressentInnen und AbonnentInnen bei der AfD-Jugend zu gewinnen. Neben „EinProzent“ und Kubitscheks Verlag „Antaios“ hatte auch die „Identitäre Bewegung“ ihren eigenen Stand, an dem Artikel aus dem „Phalanx Europa Shop“ veräußert wurden. Dieser wurde vom Chemnitzer IB-Ortsgruppenleiter Vincenzo Richter und einem weiteren Chemnitzer „Identitären“ betreut. Später posierte dort der anhaltinische AfD-Bundestagsabgeordnete Jan Wenzel Schmidt mit einem IB-Shirt. Vor wenigen Wochen wurde bekannt, dass er den mehrfach vorbestraften Gewalttäter Mario Müller als Bundestagsmitarbeiter anstellen wollte. Für Jürgen Elsässers „COMPACT-Magazin“ waren die Schwestern Marlene Plautz und Heidi Plautz (IB-Österreich) sowie Paul Klemm (IB) vor Ort. Daneben fand sich das neurechte „Filmkunstkollektiv“ von Simon Kaupert ein, der von der bayerischen „Identitären“ Annie Hunecke unterstützt wurde. Ein Stück weiter fand sich ihr Wegbegleiter aus aktiven IB-Zeiten Andreas Karsten mit seinem Monatsmagazin „ZUERST!“ ein, bei dem er als Nachfolger des verstorbenen Manuel Ochsenreiter zum Chefredakteur aufgestiegen ist. Zwischen „COMPACT“ und dem rechten Comic-Verlag „Hydra Comics“ aus Dresden, der in Person von Michael Schäfer vertreten war, unterhielten sich der AfD- Bundessprecher Tino Chrupalla und Jonas Schick (IB) an dessen Stand. Schick gründete 2020 den „Oikos-Verlag“, der mittlerweile neben dem rechten Öko-Magazin „Die Kehre“ auch erste Taschenbücher veröffentlicht. Das rechte Online-Projekt „Gegenuni“ war ebenfalls mit ihrem Frontmann Erik Ahrens vertreten.

Augenfällig war an diesem Tag die starke Präsenz österreichischer „Identitärer“. So wurde das IB-Hausprojekt „Castell Aurora“ aus Steyregg bei Linz durch Steve Henschke und Julian U. vertreten. Der langjährige IB-Kader Roland Moritz, der sein rechtes Gaming-Projekt „Kvltgames“ ebenfalls in diesem Hausprojekt angesiedelt hat und vom nordrhein-westfälischen Bundestagsabgeordneten Roger Beckamp mit einem Stipendium unterstützt wird, bot sein neustes Spiel zur Probe an. Das von österreichischen „Identitären“ betriebene Nachrichtenportal „Heimatkurier“ interviewte in Person des IB-Kaders Philip Huemer den neuen JA-Bundesvorsitzenden Hannes Gnauck, der wiederum seine Bundeswehrkarriere beenden musste, nachdem er vom MAD als „Extremist“ eingestuft wurde. Die Dresdener „Identitäre“ Aline M. vertrat am Stand das österreichische „Freilich-Magazin“. Ebenfalls aus Österreich angereist war der langjährige IB-Kader Gernot Sch.: Ein Foto zeigt ihn gemeinsam mit Hannes Gnauck und JA-Mitglied Toni G. aus Dresden. Toni G. nahm im Juli 2021 an der IB-Demo in Wien teil und gehörte dort zur vermummten Gruppe, die immer wieder Journalist*innen und Gegendemonstrant*innen aggressiv und körperlich anging. Das rechte Magazin „Info-Direkt“ aus Linz, vertreten durch Chefredakteur Michael Scharfmüller und den Schweizer Identitären Stefan T., bezeichnete in seinem anschließend veröffentlichten Imagefilmchen zum Bundeskongress diese offene Machtdemonstration neo-faschistischer Kräfte als „Leistungsschau der Gegenkultur“ und „Feuerwerk geballter patriotischer Kraft“.

Ähnliche Töne schlug die Mitorganisatorin des Bundeskongresses und Teil des JA-Bundesvorstandes Anna Leisten an: „Wir wollten an diesem Wochenende hier in Apolda zeigen, dass wir als Junge Alternative mehr sind als nur Jugendorganisation. Wir verstehen uns als Teil einer großen Bewegung. [...] Das Vorfeld und die Partei gehört für mich einfach zusammen.“ Mit Letzterem hatte sie das zentrale Momentum dieses Bundeskongresses zusammengefasst, an dessen Ende die Wahl Hannes Gnaucks als Bundesvorsitzender stand, der sich zuvor mit den Worten empfahl: „Wenn ihr Führung wollt, dann bin ich euer Mann!“.

Alles Strategie

Die jahrelangen, zunächst vorsichtigen Annäherungsversuche von "neu-rechten" Kreisen inner- und außerhalb der Partei fanden in Apolda ihren Vollzug. Chrupallas wohlwollende Anwesenheit verleiht diesem Schulterschluss zwischen der Partei und ihren neo-faschistischen Vorfeldstrukturen einen offiziösen Charakter. Dahinter steckt die strukturelle Aufteilung und von "neu-rechten" Kreisen eingeforderte Allianz zwischen Partei, "Gegenöffentlichkeit" und "Bewegung", die vor allem vom "neu-rechten" Ideologen Benedikt Kaiser theoretisch unterfüttert wird. Mit dem Begriff einer „Mosaikrechten“ versuchte er „eine Rechte zu schaffen, in der viele Rechte Platz haben.“ 2022 veröffentlichte er das Taschenbuch „Die Partei und ihr Vorfeld“ in welchem er seine Ideen präzisierte: „Es existiert nämlich als Mosaik aus Parteistrukturen und Vorfeld. Man spielt sich Bälle und Gelder zu.“ AfD-Politiker wie Roger Beckamp, Matthias Helferich, Hannes Gnauck, Jan Wenzel Schmidt, Zacharias Schalley oder Carlo Clemens leiten bereits Teile ihrer Mandatsgelder an solche Strukturen in Form von Spenden oder Stipendien weiter. Im Interview mit „Info-Direkt“ beim Bundeskongress bestätigte Wenzel Schmidt dies: „dann kann ich auch einen Teil von Steuergeldern in die andere Richtung lenken und das mache ich sehr gerne.“.

Verbalradikal

Björn Höcke, der die „Junge Alternative“ bereits lange und mittlerweile mit Erfolg umwirbt, schwor seine Jugend im Interview mit „Info-Direkt“ auf den heißen Herbst ein: „Den Kampf, den wir hier kämpfen um die Existenz unserer Nation und Europas, der wird nicht in den Parlamenten entschieden, der wird tatsächlich auf der Straße entschieden. [...] Wir kämpfen wirklich um alles, es geht um alles! Es geht, um die Existenz unserer Art zu leben.“ Höcke macht deutlich, dass er die AfD als eine Art proto-faschistische Bewegungspartei begreift, die zusammen mit extrem rechten publizistischen und aktivistischen Kreisen den Kampf um Kultur und Straße führen muss. Im Newsletter von „EinProzent“ heißt es dazu: „Doch es bedarf mehr als nur Protest – wir müssen den Kampf auf allen Ebenen führen. Auf der Straße, medial und kulturell.

Der neue JA-Bundesvorstand sowie ihr neuer Bundesvorsitzender sind nicht nur engstens mit "neu-rechten" Kreisen vernetzt, sondern haben mit Nils Hartwig als stellvertretendem Bundesvorsitzenden auch einen „Identitären“ in ihren Reihen. Das von Höcke geforderte „ausschwitzen“ missliebiger Parteimitglieder ist in vollem Gange, was das Kräfteverhältnis immer deutlicher zugunsten" neu-rechter" Kreise verschiebt, die damit zunehmend Einfluss auf die Partei gewinnen und immer unverhohlener Gelder und Parteistrukturen einfordern. Dieser offene Schulterschluss ist die logische Konsequenz einer zunehmenden verbalen und ideologischen Radikalisierung und klärt damit den Blick auch auf die AfD.