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Das Problem heißt Rassismus

Michael Lausberg
Einleitung

Heidenau, Freital, Dresden: diese Orte stehen beispielhaft für die Eskalation des Rassismus in der letzten Zeit. Das Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung (DISS) hat jetzt eine Presseerklärung zum Rassismus gegen Flüchtlinge herausgegeben.

Die rassistische Gewalt gegen Flüchtlinge nimmt seit Anfang des Jahres 2015 in der BRD drastisch zu. Über 200 Angriffe auf Geflüchtete und ihre Unterkünfte wurden allein im ersten Halbjahr 2015 vom bundesdeutschen Innenministerium gezählt. Das bedeutet, dass in diesem Jahr in Deutschland jeden Tag Anschläge gegen Flüchtlingsunterkünfte verübt wurden. Vermeintlich „besorgte Bürger“ versammeln sich vor Flüchtlingsunterkünften wie im sächsischen Freital und rufen offen zur „Hinrichtung“ von Flüchtlingen auf.1 Die Situation ist im wahrsten Sinne des Wortes „brandgefährlich“.2

In der rechten Zeitung "Junge Freiheit" wird gegen die Flüchtlinge und die ohnehin schon restriktive Asylpolitik gehetzt: „Es mag sein, daß für Politiker wie Haseloff oder Albig das Boot noch lange nicht voll ist. Das ändert aber nichts daran, daß die Asylpolitik mittlerweile völlig aus dem Ruder geraten ist. (…) Bis zu einer halben Million Antragsteller werden alleine in diesem Jahr erwartet. (…) Das sind zu viele. Ohne einen Kurswechsel wird das Boot unausweichlich kentern. Die Frage lautet deshalb nicht, wie den Asylbewerbern mit noch mehr Willkommenskultur begegnet werden kann, sondern wie es gelingt, daß weniger von ihnen nach Deutschland kommen.“3

Statt der rassistischen und menschenfeindlichen Hetze entgegenzuwirken, gießen verantwortliche Politiker und bürgerliche Medien weiterhin Öl ins Feuer und fordern weitere Verschärfungen der Asylgesetze. Horst Seehofer (CSU) sprach unlängst von „massenhaftem Asylmissbrauch". Mit dem Vorschlag separater „Auffanglager“, mit den Forderungen, weitere Balkanstaaten zu „sicheren Drittländern“ zu erklären, Personenkontrollen an innereuropäischen Grenzen wieder einzuführen und „Einreisesperren für Ausgewiesene“ zu erzwingen und mit der Sachleistungsdiskussion wird der Auffassung Vorschub geleistet, es seien die Flüchtlinge selbst, die eine rassistisch aufgeladene Stimmung provozierten.4

Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn stellte Anfang des Jahres 2015 fest, dass Migration  wichtig für die Rentenproblematik und den Arbeitsmarkt sei – aber nur, wenn nicht zu viele Geringqualifizierte kämen, die der Sozialstaat als „subventionierte Billiglöhner“ ins Land locke.5 Dies sei laut seiner kapitalistischen Weltsicht teuer und verschärfe die sozialen Probleme. Er fordert deswegen eine hinreichend qualifizierte Migration aus EU-fernen Drittländern. Auf diese Weise werden die Menschen, die zurzeit nach Deutschland kommen, in zwei Gruppen unterteilt: ‚nützlich für unsere Gesellschaft‘ und ‚schädlich für unsere Gesellschaft‘.

Deutschland formuliert somit einen teleologischen Anspruch auf „nützliche Einwanderer“ und damit diese möglichst wenige Ansprüche an Deutschland formulieren können, sollten sie besser aus EU-fernen Drittländern kommen – und natürlich „hinreichend qualifiziert“ sein.

Das Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung (DISS) stellt in einer Presseerklärung zu Recht fest: „Jedoch ist in den Medien auch derzeit von ‚Ansturm‘ und ‚Flüchtlingsströmen‘ die Rede. Nahezu ein Konsens ist die angebliche ‚Überschreitung der Belastungsgrenze‘. Die hohe Zahl der Flüchtlinge erzeuge einen Staatsnotstand. Die Bilder, die damit hervorgerufen werden, sind dazu geeignet, die Situation zu verschärfen und Menschen als bedrohliche Massen wahrzunehmen. Auch ist es eine unverantwortliche Verharmlosung, wenn rassistische Protagonistinnen als ‚Asylgegner‘ oder ‚Asylkritiker‘ und rassistische Angriffe als ‚Protest‘ bezeichnet werden. Mehrheitlich schließen sich die Medien auch heute den Vorstellungen der Politik an, wenn sie z.B. eine Beschleunigung der Asylverfahren fordern, da andernfalls die Stimmung in der Bevölkerung zu ‚kippen‘ drohe, wobei mit ‚Beschleunigung‘ oftmals euphemistisch ein weiterer Abbau von Rechtsstaatlichkeit in Asylverfahren bezeichnet wird. Nicht zu übersehen ist aber auch, dass sich viele Medien bemühen, einer eskalierenden rassistischen Aufladung des Diskurses entgegenzusteuern, indem offen rassistische Äußerungen kritisiert und zurückgewiesen werden. (…) Während Geflüchtete durch rassistische Agitationen bedroht werden, grenzt ihre ‚Unterbringung‘ an eine humanitäre Katastrophe. Mitten in einem der reichsten Länder der Welt werden Zeltstädte oder Container errichtet, aus zahlreichen Unterkünften wird berichtet, dass den Geflüchteten nicht ausreichend Nahrung, Wasser und Hygieneartikel zur Verfügung gestellt werden und die Menschenrechte auf Gesundheit und Privatsphäre außer Kraft gesetzt sind. Wer solch einen künstlichen Notstand erzeugt, ist mitverantwortlich für die Taten der rechtsterroristischen Brandstifter. (…) Statt die Rechte von Geflüchteten noch weiter einzuschränken, muss es um den wirksamen Schutz von Flüchtlingen gehen. Deshalb sollten sich sowohl die zivilgesellschaftlichen wie auch die institutionellen Kräfte darauf konzentrieren, jedwede Angriffe auf Flüchtlinge und ihre Unterkünfte zuverhindern und die Würde des Menschen zu achten.“5

Vieles erinnert an die rassistische Stimmung Anfang der 1990er Jahre, als die immer wiederkehrende Hetze aus der „Mitte der Gesellschaft“ gegen Flüchtlinge letztlich zu den tagelangen rassistischen Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen führte, wo rassistische Anwohner und Neonazis Hand in Hand zusammenarbeiteten und eine unfähige Polizei nicht für die ausreichende Sicherheit der Flüchtlinge sorgen konnte. Der Unterschied zur gegenwärtigen Situation liegt darin, dass sich heute nicht in der Breite wie damals die Medien an einen rassistisch aufgeladenen Diskurs anschließen und diesen noch verstärken.

Neonazis der Kleinstpartei „Der III. Weg“ fertigten im März 2015 eine interaktive Landkarte an, auf der bundesweit über 2000 Flüchtlingsunterkünfte eingetragen wurden, was als eine Veröffentlichung potentieller Anschlagsziele zu werten ist  „Der III. Weg“ ist eine Organisation, die sich nach dem Verbot militanter neonazistischer Kameradschaften gründete und inzwischen in etlichen Bundesländern aktiv ist. Im Rahmen ihrer Kampagne gegen Flüchtlinge wurde außerdem von dieser Partei eine Broschüre veröffentlicht, die eine Anleitung erhält, wie Neonazis, getarnt als Bürgerinitiativen, gegen Flüchtlingsunterkünfte vorgehen sollen, um die Stimmung innerhalb der Bevölkerung gegen Flüchtlinge anzuheizen.

Die Presseerklärung des DISS ist unter: http://www.diss-duisburg.de/2015/08/presseerklaerung-das-problem-heisst-rassismus/ abrufbar