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Das Netzwerk der Ülkücü-Bewegung

Einleitung

Unter der Bezeichnung „Ülkücüler“ (Idealisten) sammelt sich ein extrem rechtes Netzwerk türkischer NationalistInnen. Dieses reicht von sogenannten Idealistenvereinen über Sportclubs bis hin zu Motorradgangs.

Foto: Darwinek; wikipedia.org, CC BY-SA 3.0

Unter dem Oberbegriff „Graue Wölfe“ (Bozkurtçular), werden in Deutschland vor allem Anhänger der extrem rechten türkischen „Partei der Nationalistischen Bewegung“ „Milliyetci Hareket Partisi“ (MHP) — und der „Großen Einheitspartei“ (BBP) zusammengefasst. Die von Alparslan Türkes 1969 gegründete MHP gilt als Urorganisation der Ülkücü-Bewegung (Idealisten-Bewegung). Bei der BBP handelt es sich um eine MHP-Abspaltung der 1990er Jahre, welche stärker religiös ausgerichtet ist.

Die „Grauen Wölfe“ verfolgen das politische Ziel einer „Großtürkei“ in den Grenzen des Osmanischen Reiches und die Forderung nach „Wiedervereinigung“ aller Turkvölker vom Balkan bis Zentralasien in einem Staat. Sie propagieren dabei eine gewaltsame Vertreibung von nicht türkisch-sunnitischen Bevölkerungsgruppen aus der Türkei (z.B. Kurd_innen, Alevit_innen, Armenier_innen, Griech_innen). Zu ihren ideo­logischen Feindbildern gehören Jüd_innen, Homosexuelle, Roma und Linke. In der Türkei waren paramilitärische Gliederungen der „Grauen Wölfe“ bis zum Militärputsch im Jahr 1980 für tausende Morde an politischen Gegnern verantwortlich. Bis heute werden zumindest dem Umfeld der „Grauen Wölfe“ politische Morde an ihren Gegne­r_innen zugeschrieben.

In Deutschland organisieren sich die Anhänger diese Ideologie in Gebietsverbänden der sogenannten „Idealistenvereine“ (Ülkücü Vereine) wie etwa der „Deutschen Türkischen Föderation / Almanya Türk Federasyon" (ATF). Viele „Graue Wölfe“ treten im MHP-nahen europaweiten Dachverband der „Türkischen Konföderation in Europa / Avrupa Türk Konfederasyon“ (ATK) bzw. der schon 1978 gegründeten „Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland / Almanya Demokratik Ülkücü Türk Dernekleri Federasyon“ (ADÜTDF)1 auf. Die ADÜTDF ruft ihre Mitglieder — zumindest offiziell — zur Gewaltlosigkeit auf. Insofern zählte die Bundesregierung auf Nachfrage zwar Gewalttaten von „Grauen Wölfen“ auf, wollte aber nicht von „organisationsgesteuerten Gewalttaten“ sprechen. Die Aktivitäten in den verschiedenen Vereinen beschränkten sich, ihrer Wahrnehmung nach, im Wesentlichen auf das interne Vereinsleben.

An Vereinsleben herrscht bei den „Idealisten“ tatsächlich kein Mangel und die Mutterbewegung und ihre Abspaltungen haben sich miteinander arrangiert. Als Auslandsabteilung der BBP wirkt etwa der „Verband der Türkischen Kulturvereine in Europa / Avrupa Türk Kültür Dernekleri Birliği“ (ATB).2 In Deutschland gibt es 20 zugehörige Kulturvereine, die Anzahl der Mitglieder ist nicht benannt. Daneben existieren Vereine der 1987 von der ADÜTDF abgespalteten „Türkisch Islamische Union Europa“ (ATIB). Diese war 1988 in Koblenz zunächst als „Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine e.V.“ — der "Türk Islam Dernekleri Birligi" (TIKDB) gegründet worden.3 Mittlerweile führt der Verband den neuen Namen und verlegte gleichzeitig seinen Sitz von Frankfurt/Main nach Köln. Der ATIB werden deutschlandweit circa 123 Vereine mit 11.500 Mitgliedern zugerechnet. In einer „Untersuchung des freiwilligen Engagements und der Potentiale in der türkischen Community“ kommt zumindest das "Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend" zu der Erkenntnis: „Die ATIB hat sich inzwischen von den Gewalttaten der Grauen Wölfe in den siebziger Jahren in der Türkei und der Bundesrepublik distanziert“.4 Dass in deren Vereinen die Ideologie der „Grauen Wölfe“ gepflegt und vermittelt wird, bleibt dabei unhinterfragt.

Mit der Abspaltung der BBP von der MHP entstand Anfang der 1990er Jahre die „Föderation der Weltordnung in Europa" / "Avrupa Nizam-i Alem Federasyonu“ (ANF), als eine Auslandsabteilung der BBP, der insgesamt dreißig Vereine in verschiedenen Ländern angehören. Die Jugend-, bzw. Massenverbände der BBP sind unter dem Namen „Alperen Ocaklari“ oft als „türkische Kulturvereine“ aktiv.

Fazit

Etliche Anhänger der türkischen (extremen) Rechten sind in verschiedenster Form in Dachverbänden organisiert. Offzielle Stellen gaben auf Nachfrage der Fraktion DIE LINKE an, dass allein im ADÜTDF circa 7.000 AnhängerInnen organisiert sind, die in — je nach Jahresschätzung — 100 bis 160 lokalen Vereinen zusammengeschlossen sind. Hessische Verfassungsschützer verzeichneten bei den bundesweiten Jahreshauptversammlungen der ADÜTDF Teilnahmezahlen von etwa 10.000 Personen. Eine aktuelle Recherche des ZDF beziffert die Mitgliederstärke der Dachorganisationen "Türk Federasyon" (also ADÜTDF), ATIB und ATB bundesweit auf mindestens 18.500 Mitglieder in rund 303 Vereinen5 ,6 . Diese Dachverbände bieten nicht nur ein Forum für türkisch-nationalistische bis extrem rechte Ideologie, sondern auch ganz konkrete Dienstleistungen an, wie Bestattungsfonds oder die Teilnahme an Pilgerfahrten nach Mekka.7

Schwerer zu überblicken ist der nicht vereinsmäßig organisierte Teil der Bewegung, deren eher jüngere Anhänger über soziale Netzwerke und Videoplattformen vernetzt sind. Dabei sind es vor allem auch diese, die gewaltsam rassistisch, vornehmlich gegen Kurd_innen, agieren. 2014 wurde durch die Bundesregierung die Zahl der unorganisierten Ülkücü-Anhänger auf circa 3000 geschätzt.8 Die Breitenwirkung von Liedermachern wie Ozan Arif (Arif Şirin), ehemaliges Mitglied der ADÜTDF, oder von Sportvereinen in Deutschland, die der Ülkücü-Szene zugerechnet werden, lässt sich schwer erahnen.

Oft werden „Graue Wölfe“ nicht nur mit politischer Gewalt, sondern mit mafiösen Strukturen assoziiert. Auf eine Nachfrage aus dem Jahr 2008 „Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über Verstrickungen türkischer Rechtsextremisten in den Drogen- oder Waffenhandel, Schutzgelderpressung oder sonstige organisierte Kriminalität?“ waren der Bundesregierung zumindest zwei Fälle „türkisch dominierte OK-Gruppen“ mit Verbindungen zu „rechtsextremen türkischen Gruppen“ bekannt.

  • 1Der ADÜTDF-Verein wurde 1978 in Frankfurt/Main auf Initiative von Selim Sefer Istif und Rifat Yildiz gegründet. Vorsitzender wurde Lokman Kondakci. Mittleweile führt Sentürk Dogryol den Verein.
  • 2Der ATB-Verein wurde 2001 gegründet und hatte seinen Sitz in Frankfurt/Main. Mittlerweile sitzt er in Mörfelden-Walldorf. Vorsitzende waren Recep Yildirim und Erol Yazicioglu.
  • 3Der TIKDB-Verein wurde 1988 auf Initiative von Ali Batman, Selahaddin Saygin und Ali Kilicarslan in Koblenz und Dortmund gegründet. Vorsitzender wurde Musa Serdar Celebi.
  • 4www.bmfsfj.de/doku/Publikationen/engagementtuerkisch/ 1-Einleitung/1-4-verbaende,seite%3D4.html
  • 5http://webstory.zdf.de/graue-woelfe.
  • 6Sentürk Dogruyol zählt zum Vorstand der Förderation der Türkisch-Demokratischen Idealisten Vereine in Deutschland. Geschäftsführer ist Osman Aydin. Er steht auch hinter der ATF Gmbh/Avrupa Türk Federasyon aus Frankfurt/M.
  • 7Etwa die ATF GmbH, der Avrupa Türk Federasyon mit einem Geschäftsanteil von 25.000 €.
  • 8Deutscher Bundestag, Drucksache 18/499