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Das »Hilfskomitee Südliches Afrika«

Einleitung

Das Hilfskomitee Südliches Afrika (HSA) unterstützt das »Deutschtum« in Namibia und pflegt Kontakte zu einem extrem rechten Kader in Südafrika. Gegründet wurde es 1975 als Bündnisprojekt der NPD.

Bild: Screenshot der Homepage von Claus Nordbruch.

Claus Nordbruch unterhält Kontakt zum Hilfskomitee. Er lebt seit 1986 in Südafrika, gilt als Waffennarr und hat enge Beziehungen in breite Kreise der deutschen extremen Rechten bis ins NSU-Umfeld.

Was geschah in den Jahren von 1904 bis 1908 in der damaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika? Wenn die Frage so einfach zu beantworten wäre! Da gibt es natürlich die Geschichtswissenschaft, die ein recht klares Bild von den Vorgängen hat. Die deutschen Kolonialtruppen, heißt es einhellig, gingen mit mörderischer Gewalt gegen die Herero und Nama vor, welche die weißen Unterdrücker aus dem Land zu jagen versuchten (Vgl. AIB Nr. 78). Dabei massakrierten die Soldaten des Kaiserreichs binnen vier Jahren mutmaßlich 65.000 Herero und 10.000 Nama. Allerdings hat die Geschichtswissenschaft ihre Rechnung ohne den findigen Diplom-Ingenieur Ralph Schroeder aus Großhansdorf bei Hamburg gemacht.1 Schroeder, ein strammer Burschenschafter von der Thuringia Braunschweig und seit Oktober 2011 Vorsitzender des HSA, hat die »Waterberglüge« entdeckt, der zufolge viele Herero nicht durch die barbarische Kriegsführung der Deutschen am Waterberg zu Tode gekommen seien, sondern weil ihre Rinder die wenigen Wasserstellen dort zertrampelt und unbenutzbar gemacht hätten – laut Schroeder eigene »Dummheit«. Er hat auch nachgerechnet und herausgefunden, dass allenfalls »6.000 bis maximal 8.000 Hereros« ihr Leben verloren hätten. Zahlen, wie sie die Geschichtswissenschaft verbreitet, haben ihm zufolge »ihren Ursprung in einer stalinistischen Propaganda­küche«.

Das HSA, das die revisionistischen Ergüsse seines Vorsitzenden Ralph Schroeder im Internet verbreitet, unterstützt seit seiner Gründung die Nachkommen der deutschen Kolonialisten in Namibia sowie andere Weiße im Süden des Kontinents. Als am 16. August 1975 eine Handvoll Rechte in Frankfurt am Main zusammentrafen und ausweislich des Protokolls »die Gründung des Hilfskomitees Südliches Afrika« vollzogen, da waren ihre Aktivitäten noch gleichbedeutend mit Unterstützung für das südafrikanische Apartheid-Regime. Dieses wurde damals immer energischer von Widerstandsorganisationen wie ANC und SWAPO bedrängt und sah sich zunehmenden Protesten der internationalen Anti-Apartheid-Bewegung ausgesetzt – was wiederum ein breites Spektrum in der deutschen Rechten veranlasste, einerseits das Regime direkt zu unterstützen und gleichzeitig der Anti-Apartheid-Bewegung etwas entgegenzusetzen. Im HSA waren vor allem NPD-Funktionäre wie etwa Peter Dehoust, Hans-Michael Fiedler und Heinz Flöter aktiv, die systematisch versuchten, die Apartheid-Unterstützung als partei- und spektren-übergreifendes Bündnisthema zu nutzen. Zumindest in den Anfangsjahren hatten sie damit Erfolg: Auf ihren Seminaren traten Unions-Bundestagsabgeordnete auf; einer der Gründer, der Coburger Karl Spieß, gehörte laut Dehousts Zeitschrift »Nation Europa« sogar selbst der CSU an.

Mit dem Sieg des antirassistischen Widerstands über das Apartheid-Regime und seine UnterstützerInnen haben sich die politischen Rahmenbedingungen für das HSA grundlegend gewandelt. Konnte es sich vor dem Ende der Apartheid als Helfer des südafrikanischen Regimes betätigen und punktuell mit Staatsvertretern kooperieren, so ist es seit 1994 auf die Stärkung des »Deutschtums« vor allem in Namibia zurückgeworfen. Es unterstützt deutschsprachige Schulen und sammelt Spenden für sie, was indirekt der offiziellen deutschen Außenpolitik zugute kommt, die ihrerseits mit Zuschüssen dafür sorgt, dass die Schulen der Kolonialisten-Nachfahren fortbestehen. Die Fokussierung auf dröge »Deutschtums«-Politik hat zum einen jedoch die Attraktivität des Hilfskomitees für AktivistInnen der extremen Rechten reduziert. Konkrete politische Projekte seien bei der Mitgliederversammlung vom Oktober 2011 »kaum vorgestellt« worden und würden ohnehin auch »unsere Möglichkeiten übersteigen«, hielt die Protokollantin damals resigniert fest. Andererseits trägt die Organisation der inhaltlichen Verschiebung in der Zusammensetzung ihres Vorstands Rechnung. Aus der alten Riege war im Oktober 2011 nur noch Peter Dehoust zugegen; er wies zudem darauf hin, dass er »aufgrund seines gesundheitlichen Zustandes wahrscheinlich keine 4 Jahre mehr« den Posten des Hilfskomitee-Schatzmeis­ters behalten könne.

Welche Kreise stattdessen im Hilfskomitee stärkeren Einfluss gewonnen haben, das zeigte etwa der Vorstandswechsel des Jahres 2003. Neuer Vorsitzender wurde der Bundesgrenzschutzpfarrer Rolf Sauerzapf, der im Grenzschutz von 1972 bis 1978 für die Region Bonn zuständig war – die GSG 9 inklusive – und von 1979 bis 1993 von Kassel aus die gesamte evangelische Grenzschutz-Seelsorge leitete; intime Beziehungen zum deutschen Staat sind für solche Funktionen unverzichtbar. Sauerzapf, der 1975 in Pretoria promoviert hatte, ist heute noch für ultrarechte Organisationen vom Preußeninstitut bis zur Förderstiftung Konservative Bildung und Forschung aktiv; vor allem aber ist er ein altgedienter »Deutschtums«-Aktivist und als solcher stellvertretender Verwaltungsratschef im Verein für Deutsche Kulturbeziehungen im Ausland (VDA). Sein VDA-Kollege Hartmut Fröschle war ebenfalls zeitweise für das Hilfskomitee tätig, was durchaus von Interesse ist, da der VDA-Vorsitzende Hartmut Koschyk (CSU) immerhin als Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium fungiert (Vgl. AIB Nr. 96). Ralph Schroeder, der 2003 zu Sauerzapfs Stellvertreter im HSA gewählt wurde und ihn im Oktober 2011 als Vorsitzender ablöste, hatte in den 1990er Jahren die »Deutschtums«-Aktivitäten der Deutschen Burschenschaft im früheren Ostpreußen vorangetrieben. Seine Ehefrau Ulla Schroeder leitet übrigens die Hamburger Geschäftsstelle des Traditionsverbandes ehemaliger Schutz- und Überseetruppen, der auch den Kolonialisten in »Deutsch-Südwest« ein ehrendes Andenken bewahrt. Die Postanschriften des Hilfskomitees und der Traditionsverbands-Geschäftsstelle sind mitt­lerweile identisch. Burschenschafter Schroeder hat die »Waterberglüge« übrigens zwar entdeckt, aber nicht erfunden – sie wird von Kolonialnostalgikern schon länger kolportiert. Ähnlich revisionistische Ideen äußerte etwa Claus Nordbruch auf einem Treffen des Schutztruppen-Traditionsverbandes im Oktober 2003 in Bad Lauterberg. Nordbruch unterhält schon lange Kontakt zum Hilfskomitee und hat von diesem im Sommer 2008 sogar den »Südwester Reiter« bekommen, eine Auszeichnung für »seinen Einsatz« für »die geschichtliche Wahrheit und das Ansehen der Deutschen im Ausland«. Der »Reiter« soll im Rahmen eines »Südafrika-Seminars« im Eisenacher »Berghotel« verliehen worden sein, an dem die Deutsche Burschenschaft Anteile hält. Nordbruch, der seit 1986 in Die Wilgers in Südafrika lebt, als Waffennarr gilt und enge Beziehungen in breite Kreise der deutschen extremen Rechten unterhält, hatte bereits im August 1998 die Thüringer Neonazis Andre Kapke und Mario B. auf seiner Farm bei Pretoria in Südafrika empfangen. Mitte September 1998 soll Nordbruch dann mit dem NSU-Unterstützer Ralf Wohlleben und den Thüringer Neonazi-Aktivisten Andre Kapke und Mario B. an einem »Südafrika Seminar« des HSA in Coburg teilgenommen haben. Ein Jahr später war Nordbruch vom »Südafrika-Seminar« des Hilfskomitees im fränkischen Bad Staffelstein (10. bis 12. September 1999) kommend, nach Jena gereist – und hatte dort am 14. September vor dem Thüringer Heimatschutz referiert. Wie weit seine Kontakte in das NSU-Umfeld reichten, ist bis heute nicht abschließend geklärt. Seine Visitenkarte fand sich immerhin in der letzten NSU-Wohnung in der Frühlingsstraße in Zwickau.

  • 1Anmerkung d. Redaktion (August 2014): Ende August 2014 ereignete sich ein Unfall eines Minibusses südlich von Mariental. Dieser hatte drei Menschenleben gekostet. Es handelte sich um den Namibier Hans-Joachim Bracht sowie das Ehepaar Ralph Schroeder (80) und Ulla Schroeder (78) aus Hamburg, bestätigte der Swakopmunder Hasso Gantze Pressevertretern. Gantze vertritt den deutschen Traditionsverband ehemaliger Schutz- und Überseetruppen / Freunde der früheren deutschen Schutzgebiete e.V. in Namibia und gehört wie die Insassen des Unfallwagens zu einer Gruppe Politaktivisten, die mit mehreren Feierlichkeiten in Lüderitzbucht "an den Beginn des Ersten Weltkrieges erinnern wollten". Die anderen fünf Insassen des Minibusses sind laut Polizei und Gantze mit leichten bis schweren Verletzungen davongekommen. Unter ihnen befanden sich Wolfgang Biederlack, Klaus Pritzen und Hartmut Voigts.