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Coburg und sein Convent – Rechter Konsens in Aktion

Vorbereitungskreis gegen den Coburger Convent
Einleitung

Der Coburger Convent (CC) ist ein Zusammenschluss von annähernd 100 pflichtschlagenden und farbentragenden Studentenverbindungen. Unter seinem Dach versammeln sich vorwiegend Landsmannschaften, aber auch Turnerschaften aus Deutschland und Österreich. Der Verband zählt insgesamt rund 1600 Aktive und circa 11600 Alte Herren. Mehrere Tausend Anhänger treffen sich jedes Jahr in Coburg zum Pfingstkongress. Es ist damit das größte regelmäßige Treffen von Korporationsstudenten überhaupt.

Foto: Björn Kietzmann

Burschenschaftler in Coburg.

Klassenkampf

Aber nicht nur auf Grund seiner Größe ist es wichtig sich mit dem CC zu befassen. Obwohl der Verband stets darum bemüht ist, sich von extrem rechten oder rechtsoffenen Burschenschaften und deren Dachverbänden zu distanzieren, hat mensch es bei genauerer Betrachtung mit eben denselben Männerbünden zu tun. Wie jeder studentischen Korporation, ist dem CC daran gelegen, eine nationale Elite heranzuziehen, die stramm konservativ die Privilegien der herrschenden Klasse in Deutschland verteidigt.

Anzunehmen, es ginge hierbei um die Konservierung von Werten, wäre schlichtweg falsch. Vielmehr geht es um ein Verständnis von Volk und Nation, welches den Rassismus und Chauvinismus des großdeutschen Reiches mit einschließt. Deutsch ist nicht wer einen Pass der BRD hat, sondern der, der dem sogenannten deutschen Kulturkreis zugehörig ist und darüber hinaus deutsches Blut hat. Die Rolle der Frau in dieser Konstruktion ist ebenfalls so geläufig wie primitiv: Sie muss neben dem Herren gut aussehen und hat ihren Platz am Herd. Einen besonderen Stellenwert hat natürlich das akademische Selbstbewusstsein der Brüder. In ihm verdeutlicht sich die Abgrenzung vom Pöbel, vom Proletariat. Stolz sieht man sich als Vertreter seiner Klasse und spart nicht mit Kritik an der Vermassung der Universitäten, am Verlust der Exklusivität der Bildung. Das Verbindungsstudententum ist klar politisch und leistet somit einen wesentlichen Beitrag in der, an sich unpolitischen Marktwirtschaft: Den offenen Klassenkampf gegen Unten.

Freunde fürs Leben

Das Lebensbundprinzip der Verbindungen ist einerseits dazu da, Seilschaften aufzubauen und zu nutzen und zum anderen Ausdruck eines typisch deutschen Ehre-Treue-Zugehörigkeitsdenkens. In den ersten Jahren nach der Aufnahme in eine Korporation werden den Mitgliedern die Prinzipien ihres neuen Lebens in den Körper geschrieben: Dienen in strenger Hierarchie, Fechten für die Narbe im Gesicht, weniger Kontakt mit Menschen außerhalb der Verbindung.

Auch die häufig thematisierten Saufgelage dienen nicht dem Spaß, sondern dem höheren Zweck: Der Einübung der Diszipliniertheit militärischer Präzision. So haben ältere Verbindungsbrüder gegenüber jüngeren Füchsen die Möglichkeit, diese auf Kommando trinken zu lassen oder andere Bierstrafen zu verhängen. Wer auf die Toilette muss, braucht dazu eine Erlaubnis. Das Trinken soll Kontrolle über den Körper vermitteln. Das Produkt des Verbindungslebens muss somit der Soldat sein.

Der Pfingstkongress

Jährlich treffen sich in Coburg tausende Studenten und Alte Herren des Coburger Convents um sowohl Interna zu debattieren, als auch sich nach außen zu präsentieren und gemeinsam in nationaler Eintracht zu feiern. Eine der zentralen Zeremonien ist dabei das Totengedenken am Pfingstsonntag. Dabei ziehen die Chargierten der Verbindungen in den Hofgarten zum Ehrenmal des CC, legen Kränze nieder und lauschen der stets kriegsverherrlichenden Rede der präsidierenden Verbindung. So z.B. der von Jörg Schüren (Landsmannschaft Tetonia Bonn): Auch die Bundesbrüder denen wir heute Gedenken schworen Treue »ganz früher den Landesfürsten und Königen, später dem Kaiser, dann der Reichsverfassung, zuletzt dem teuflischen Diktator. Haben sich die Zeiten auch gewaltig geändert (...), Soldaten hat es immer gegeben. (…) Immer standen deutsche Männer unter Waffen, immer verpflichteten sie sich zum treuen dienen. (…) Einstehen und bereitstehen für die Gemeinschaft, für die Ideale, für den Frieden.« Zum Schluss wird auch deutlich, dass sich das nicht ändern wird, denn bis Frieden herrscht «werden wir Soldaten brauchen, die nur durch  ihr treues Dienen (…) dem Frieden dienen können.«

Der CC ist dem Militarismus in seinen verschiedenen Ausprägungen gegenüber sehr offen. Neben dem Totengedenken am Ehrenmal des CC kommt die militärische Tradition beim alljährlichen Fackelmarsch am Montag Abend am deutlichsten zum Ausdruck. Bei diesem Ritual paradieren sämtliche angereisten Burschen mit Marschmusik, Fackeln und teilweise in vollem Wichs (also in der jeweiligen Fantasie-Uniform, samt Stiefel und Degen) durch die nächtliche Kleinstadt. Bevor sie alle am Marktplatz ankommen, laufen sie auf einer Route, die vor ihnen schon die SA mit Fackeln beschritten hat. Im Herzstück von Coburg gibt es dann erneut eine Rede der Präsidierenden, die standesgemäß vom Balkon des Rathauses gehalten wird. Dann singen alle gemeinsam mit der Coburger Bevölkerung mindestens die Deutschland-Hymne.

Widerstand

Gegen all das gab es in der Vergangenheit antifaschistische Proteste - wenn auch in unterschiedlicher Qualität und mit Zäsuren. Während in den 1990ern das Ehrenmal des CC umgestürzt wurde und zahlreiche Autos von Burschis umgestaltet wurden, war es nach der Jahrtausendwende still in der Provinz. Seit 2004 gibt es wieder organisierte Proteste gegen den Convent und 2009 wurde erstmals  überregional mobilisiert. Die diesjährige Demonstration mit 400 Teilnehmer_innen kann durchaus als Erfolg gewertet werden, da eine Info-Tour im Vorfeld die in den letzten Jahren etwas eingeschlafene Auseinandersetzung mit dem Thema Studentenverbindungen in der Linken wieder reaktivieren konnte.

Auch die Lokalpresse hat mit ihrer (selbstverständlich nicht im antifaschistischen Sinne) parteiischen Berichterstattung den Diskurs angeheizt und die Proteste unfreiwillig unterstützt. Leider führte die im Vergleich zu den Vorjahren größere Mobilisierung auch zu starker Repression, die sich in Kombination mit dem Bayrischen Versammlungsgesetz in Massenkontrollen, rigiden Versammlungsauflagen und der Allgegenwart der bayerischen Polizei ausdrückte. Dies beeindruckte selbst die liberalen Teile des Coburger Bürgertums, so dass an die Stelle einer inhaltlichen Auseinandersetzung die vorauseilende Distanzierung von linker Gewalt trat. Doch mit einem gewissen zeitlichen Abstand zu den Ereignissen um den Pfingskongress ist zu erwarten, dass sich bis zum nächsten Jahr ein Diskurs entwickeln wird.

Eine Problematik, die zu diskutieren bleibt, ist das Verhältnis der Stadt zum CC. Der Oberbürgermeister Norbert Kastner und der Bundestagsabgeordnete Carl-Christian Dressel (beide SPD und Angehörige der rechten Schülerverbindung Casimiriana) begrüßen den CC offiziell und marschieren beim Fackelmarsch mit. Außerdem erhält die Stadt jährlich ein prophylaktisches Bußgeld vom Verband, um Beschwerden über Verunreinigungen und Sachbeschädigungen vorzubeugen. Des weiteren kann von den Kongressteilnehmern Infrastruktur (Schulen, Rathaus, öffentliche Plätze etc.) uneingeschränkt für ihre Zwecke genutzt werden.

Den Protesten werden im Gegenzug nicht nur von den Behörden regelmäßig Steine in den Weg gelegt: Das Bürgertum solidarisiert sich zu großen Teilen immer wieder mit den Herren Akademikern, wenn Kritik geäußert wird oder revisionistische Spektakel gestört werden. Diese Solidarität wurde schon des öfteren praktisch, wenn große Gruppen von Neonazis dem Fackelmarsch beiwohnten. Offenbar ist es vielen Coburgern recht, wenn NPD-Kader wie Peter Schreiber (tätig für die »Deutsche Stimme«, früher Sprecher der rechtsextremen Coburger Runde und jetzt für die NPD Sachsen aktiv) oder Johannes Hühnlein (NPD Oberfranken sowie Kandidat für die Bundestagswahl) in ihrer Mitte die reaktionären Festivitäten des Coburger Convents mitfeiern. Der CC selbst steht also dem rechten Rand um einiges näher, als seine Vertreter zugeben mögen.

Den Pfingstkongress in Coburg zu sehen, heißt den rechten Konsens in Aktion erleben. Eine rechts-konservative Elite feiert sich selbst mit aktiver Unterstützung einer bayrischen Kleinstadt, die schon immer etwas besonderes war: 1929 wählte Coburg als erste Stadt die NSDAP mit absoluter Mehrheit. Dass gegen diese Zustände auch in Zukunft antifaschistische Proteste notwendig sind steht für uns außer Frage. Alle kritisierenswerten Elemente, die aus dem Verbindungswesen herrühren finden sich sowohl bei Landsmannschaften als auch bei Burschenschaften in identischer Form.

Ein Text des Vorbereitungskreises gegen den Coburger Convent
www.coburgerconvent.blogsport.de