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Carini, Marco; Speit, Andreas: Der Rechtssprecher: Ronald B. Schill

Die Autoren zeichnen den Weg des Strafrichters Ronald B. Schill vom Richter zum Innensenator der Stadt Hamburg nach. Faktenreich beschreiben sie, wie Schill zunächst für seine unverhältnismäßigen Urteile von Teilen der Hamburger Presse Beifall bekommt. In der Folge nutzt Schill bei seinen Urteilsbegründungen den Gerichtssaal als Forum für seine autoritären gesellschaftspolitischen Vorstellungen. Als schließlich Fachkollegen den so genannten »Richter Gnadenlos« wegen Formfehler in Gerichtsverfahren kritisieren, schließlich seine Amtsenthebung droht, stellt sich Schill, sekundiert von Hamburger Medien, gekonnt als verfolgter Unschuldiger dar und wechselt in die Politik. Doch die Gründung der »PRO – Rechtsstaatliche Offensive« geht nicht ohne Querelen ab.

Schill dirigiert die Partei selbstherrlich und betreibt Klüngelwirtschaft. Kritiker werden kaltgestellt. Speit/Carini analysieren die inhaltlichen Aussagen von Schill als rechtskonservativ und populistisch zugleich. Selbst dem CDU – Mann Ole von Beust gehen Schills Forderungen im Umgang mit gesellschaftlichen Minderheiten zu weit. Das Weltbild des Ronald B. Schill ist ein Gerichtssaal, in dem es nur gut oder böse, schuldig oder unschuldig gibt. Gesellschaftliche Ursachen für Ausgrenzung, Armut und Kriminalität gibt es für ihn nicht. Ganz im Duktus der Rechtskonservativen beklagt Schill dagegen die angebliche Allmacht der 68er Generation und linke Verschwörungen gegen alle rechtschaffenen Bürger. Als deren Retter stellt sich Schill dar und gewinnt knapp 19% bei den Wahlen zum Senat. Carini/Speit verfolgen die von Pleiten, Pech und Pannen begleitete bundesweite Ausdehnung der Partei, aber auch ihren relativen Erfolg bei den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt.

Liest sich der erste Teil des Buches über viele Seiten eher wie eine journalistische Reportage, deren Fakten auch aus anderen Medien zu entnehmen waren, so gewinnt das Buch im zweiten Teil an analytischer Schärfe. Die Autoren arbeiten deutlich heraus, warum sie Schill nicht in eine Reihe mit den Phänomenen des (west)-europäischen Rechtspopulismus à la Haider gestellt sehen wollen. Denn Schill bedient mit seinen minderheitenfeindlichen Politikinhalten zwar die gleichen Ressentiments wie etwa der französische FN. Jedoch nicht deren Weltanschauungsrassismus. Vielmehr ist ein aus den sozialen Ängsten der Mittelschicht gespeister Wohlstandschauvinismus die Triebfeder Schill`scher Politik.

Schließlich kritisieren die Autoren mit ihrer Argumentation insgesamt den politologischen Begriff des Rechtspopulismus. Zu viele im Detail verschiedene politischen Strömungen würden unter diesem Begriff zusammengefasst. Im Unterschied zu den Studien von Frank Decker und Joachim Raschke zum Themenkontext ist der schmale Band von Carini/Speit gut und verständlich lesbar.

Carini, Marco; Speit, Andreas:
Der Rechtssprecher: Ronald B. Schill;
Konkret Literatur Verlag;
Hamburg 2002 - 205 S.