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Business as usual in Dänemark


Ein Beitrag des linken dänischen Internetportals modkraft.dk
Einleitung

Die Mohammedkarikaturen sind auf der ganzen Welt bekannt. Was als gewöhnlicher Teil dänischer Innenpolitik begann, wurde im Ausland zum Ärgernis für die dänische Regierung. Wie immer profitiert die rechtsextreme Dänische Volkspartei von dieser politischen Krise.

In einem Leserbrief schlussfolgert eine Frau: »Nun kommen all die Wahnsinnigen aus Ihren Löchern.« Die Leserin bezieht sich damit auf die politische Krise, resultierend aus der Veröffentlichung der Karikaturen des Propheten Mohammed. Monate nach der Veröffentlichung am 30. September 2005, zogen die Karikaturen die Aufmerksamkeit im Ausland auf sich. Die Aufmerksamkeit wandelte sich in Wut; Demonstrationen in Ländern mit hoher muslimischer Population wurden gewalttätig. Eine Reihe von Menschen verloren dabei ihr Leben.  Diese Todesfälle waren jedoch nicht das meistdiskutierte Thema in Dänemark. Das Verbrennen der dänischen Flagge und der Angriff auf Vertretungen in Beirut und Damaskus bestimmten die Zeitungsartikel, die Stammtischgespräche und die Fernsehberichterstattung. Die öffentliche Debatte beinhaltete verschiedene Interpretationen. Der Focus der Medien lag auf den gegensätzlichen Sichtweisen der rechten dänischen Politiker und der Imame.

Zu Hause und im Ausland

Von Anfang an war es, zumindest in Dänemark, klar dass es in diesem Konflikt zwei verschiedene Diskurse gab. Zum einen den innenpolitischen Diskurs, zum anderen die Reaktion auf die Kritik und die Gewalt aus dem Ausland. Als die Situation im Ausland eskalierte, war die Antwort dänischer Politiker mit einem Wort zu beschreiben: Schadensbegrenzung.

Diese Reaktion war zwei Faktoren geschuldet: Erstens waren die weltweiten Negativreaktionen eine Überraschung und zweitens hatte der Boykott dänischer Firmen im Mittleren Osten tatsächlich ökonomische Auswirkungen. Der Karikaturenstreit stellte sich besonders kostspielig für einen der weltweit größten Produzenten von Milchprodukten, Danish Arla, heraus. Premierminister Anders Fogh Rasmussen von der Liberalen Partei, äußerte sich bei einem Auftritt  bei dem Fernsehsender Al Arabiya beschwichtigend, um die Krise einzudämmen. Es gab jedoch Gründe, weshalb sich Rasmussen und andere Regierungsmitglieder nicht einfach entschuldigten und die Botschafter der arabischen Staaten empfingen. Sie kamen vielmehr zu dem Schluss, dass es sich hierbei um eine Entscheidung zwischen Meinungsfreiheit und einer Konzession an Islamisten handle.  Die Grundlinie der Regierung ist so simpel wie traurig. In der dänischen Politik ist kein Platz für Schritte, die als »moslemfreundlich« aufgefasst werden könnten, das wäre politischer Selbstmord für jeden, der Machtinteressen besitzt.

Die politische Situation bezüglich der muslimischen Minderheit und dem Islam ist in vielen Punkten vergleichbar mit der US-amerikanischen Anti-Terrorpolitik: Wer nicht für uns ist, ist gegen uns. Das politische Klima und die generelle Wahrnehmung der muslimischen Minderheit sind entscheidend, um die Eskalation im Karikaturenstreit zu verstehen.

Schwache Opposition

Die dänische Regierung setzt sich aus der Liberalen und der Konservativen Partei zusammen. Um eine Mehrheit im Parlament zu bilden, arbeitet die Minderheitsregierung mit der rechtsextremen Dänischen Volkspartei zusammen. Die drei Parteien besitzen die absolute Mehrheit. Die Opposition hingegen ist weitgehend unorganisiert. Die Sozialdemokratische Partei, historisch die größte Partei Dänemarks, leidet seit Jahren unter internen Unstimmigkeiten und Machtkämpfen. Inhaltlich wird die Auseinandersetzung zwischen den Verfechtern des Erhalts des Wohlfahrtsstaates und dem neoliberalen Flügel geführt. Linke Parteien sind in der Minderheit. Die Rot-Grüne Einheitsliste, bestehend aus mehreren kommunistischen Parteien, hat zwischen 2,5 und 5 Prozent der Stimmen. Die sozialistische Volkspartei, eine seit Jahren reformierte kommunistische Partei, hat das schärfste Profil in der Opposition. Gemeinsam mit der Rot-Grünen Einheitsliste sprechen sie sich gegen  die aktuelle Wirtschafts-, Flüchtlings- und Einwanderungspolitik aus. Allerdings scheint es, als erreichten sie damit nur die ohnehin schon Überzeugten. Ein Wandel der politischen Agenda gelingt nicht. Der Krise folgten zahlreiche Demonstrationen unter dem Motto »Respekt und Dialog« unter linker Beteiligung.

»Echte Dänen« und »Moslembesatzer«

Der allgemeine Diskurs in der dänischen Politik zeichnet sich durch die Marginalisierung von Moslems aus.  Der Begriff Integration wird dabei häufig als Synonym für Repatriierung verwendet. Folglich sollen Flüchtlinge und Migranten »echte Dänen« werden. Die Frage was »Dänisch-Sein« bedeutet, war in den letzten Jahren ein großes Thema. Neben unterschiedlichen Auffassungen, was »Dänisch-Sein« eigentlich heißt, fungiert die Frage als ausschließender Faktor, welcher effektiv genutzt wird, um Migranten, Flüchtlinge und insbesondere Moslems zu marginalisieren.

Diese Debatte wird seit Mitte der 1980er Jahre geführt, als die dänische extreme Rechte begann, die Flüchtlingspolitik in Frage zu stellen. Sie verglichen die Einwanderung mit der Nazibesatzung Dänemarks zwischen 1940 und 1945. Sich selbst bezeichneten sie als »Widerstand«. Vordenker dieses Diskurses ist Soeren Krarup, ein Geistlicher aus Jutland, der zur radikalen lutheranischen Gruppe »Tidehverv« gehört und mittlerweile für die Dänische Volkspartei im Parlament sitzt.

Karikaturen Im Kontext

Vor dem Hintergrund des Umgangs mit marginalisierten Minderheiten in Dänemark ist die Veröffentlichung der Karikaturen als innenpolitische Provokation zu werten. Die Zeitung Jyllands-Posten ist bekannt für ihre Sympathien zu rechten und konservativen Kreisen. In den 1930er Jahren fiel sie besonders durch antisemitische und Hitler-freundliche Artikel auf. Der Kulturredakteur der Zeitung schrieb, dass Moslems sich darauf gefasst machen müssten, mit Hohn und Spott umzugehen. Im Jahr 2003 weigerte sich die Zeitung eine Karikatur von Jesus zu veröffentlichen, der Sport treibt. Die Erklärung des Redakteurs war: »Ich denke nicht, dass die Leser (...) es lustig fänden, diese Karikatur anzusehen. Ich glaube sogar, dass es einen Aufschrei geben würde. Deshalb habe ich entschieden ihn nicht zu benutzen.« Die Idee zur Publikation der Karikaturen kam von einem Autor, der den Medien gegenüber sagte, er könne niemanden finden, der Zeichnungen des Propheten Mohammed für ein Buch anfertige, an dem er arbeite.

Gewinner des Karikaturenstreits

Den linken Parteien fällt die Gratwanderung zwischen einem progressiven Rechtsverständnis und der Abgrenzung vom xenophoben Diskurs, in dem alles interpretiert wird, schwer. Dies gilt auch für die gegenwärtigen Sichtweisen auf Religion und Politik. Die meisten Dänen würden behaupten, dass Religion und Politik in Dänemark voneinander getrennt sind; dies ist nicht der Fall. Ein Beispiel ist der dänische Kulturminister, der ein offizielles Programm unterstützt, welches die wichtigsten dänischen kulturellen Werke auswählt. Er erklärte, dass diese Listen ein Werkzeug seien im Kampf des Christentums gegen den Islam.

Die Regierung und die Dänische Volkspartei haben vom Karikaturenstreit profitiert. Es scheint jedoch, als seien die Gewaltausbrüche im Ausland für die meisten von ihnen abschreckend gewesen. So äußerten einige Politiker, dass man in Zukunft vorsichtiger sein solle. Auf der nationalen Ebene hat die Krise dazu beigetragen, das Gefühl eines »Clash of Civilisations« zu forcieren und den Besatzer- und Widerstandsmythos der Dänischen Volkspartei weiter zu nähren.