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Bunt statt Braun

Rosa Antifa Wien (RAW) (Gastbeitrag)
Einleitung

Strategien antifaschistischen Widerstandes unter FPÖ-Regierungsbeteiligung

Bild: flickr.com/deraesthet/CC BY 2.0

Gleich vorweg: Was wir hier inhaltlich anzubieten haben, wird sich im Wesentlichen von den Strategien anderer unterscheiden. Das ist erstens durch die Machtbeteiligung der FPÖ bedingt, und zweitens durch deren Wesen insgesamt. Die rechtsextreme Szene in Österreich ist völlig anders strukturiert als in anderen Ländern, auch ihre Methoden unterscheiden sich. Selbst in der österreichischen Linken gibt es keinen Konsens, wie dem Rechtsruck Einhalt geboten werden kann.

Wer ist die FPÖ, wie macht sie Politik, wer wählt sie, und welche Auswirkungen hat das?

Die FPÖ ging aus dem 1949 gegründeten Verband der Unabhängigen (VdU) hervor. Obwohl auch andere Parteien, allen voran SPÖ und ÖVP, um die große Zahl von NSDAP-Mitgliedern buhlte,verstand sich der VdU als Sammelbecken des deutschnationalen Lagers, das ja schon vor 1934 sehr stark war. 1956 entstand daraus die FPÖ, die von Beginn an Nazigrößen wie dem NS-Minister Anton Reinthaller oder dem SS-Offizier Friedrich Peter politische Heimat boten. Auch im Umfeld der FPÖ befanden sich Personen mit nazistischem bzw. neonazistischem Hintergrund wie Otto Scrinci (»Ich war schon in der NSDAP rechts«) oder der Südtirolterrorist Norbert Burger. Verbindungen zu den schlagenden Studentenverbindungen oder dem Österreichischen Turnerbund (ÖTB) und anderen führten von Anfang an zu einer Einbettung der FPÖ im deutschnationalen bzw. z.T. auch ins neonazistischen Lager. Mangels österreichischer Geschichtsaufarbeitung wurde das der FPÖ nie zum Verhängnis. Vor diesem Hintergrund sind auch die NS- erharmlosenden Aussagen Jörg Haiders zu verstehen. Diese waren garantiert so gemeint.

Auch andere FPÖ-Politiker glänzen immer wieder durch mangelnde Distanz zu den NS-Verbrechen und wie es scheint, auch große Teile der FPÖ-Wählerschaft. Zu behaupten, die FPÖ ist eine neonazistische Partei, klingt zwar verlockend, geht aber am Problem vorbei. Die FPÖ hat kein Programm, das ausschließlich auf eine NS-Ideologie schließen lässt. Es befinden sich jedochVersatzstücke im Programm. Viel wichtiger sind die Aussagen und die politischen Methoden der FPÖ. Das geht vom offensiven Rassismus über unterschwelligen Antisemitismus, Hetze gegen sozial Schwache, ein reaktionäres Frauenbild, bis zum völkischen Gesellschafts- und damit Geschichtsbild (was ebenfalls eine Erklärung für das Verhältnis der FPÖ zur Nazivergangenheit Österreichs ist).

Der Umgang der FPÖ mit ihren politischen Gegnerinnen manifestiert sich nicht durch Terror auf der Straße (ob schon manche Anhänger durchaus immer wieder zu Gewalt neigen), sondern es sind vielmehr bedrohliche Aussagen, Mobbing und gerichtliche Schritte, die ihre Gegnerinnen mundtot machen sollen. Massive Interventionen, die seitens der FPÖ beim ORF eingehen, sollen die Medienberichterstattung der FPÖ gefügig machen. Und nicht wenige passensich in vorauseilendem Gehorsam an. Einschüchterung und Diffamierung sind wesentliche Machtinstrumente der FPÖ. Das gilt auch parteiintern; sie ist völlig auf die Führerfigur Jörg Haider zugeschnitten. Und wehe, wenn sich ihm jemand widersetzt.

Das lässt für uns den Schluss zu, dass die FPÖ eine faschistische Partei ist. Doch Vorsicht: Sie ist für uns eine moderne, demokratisch-faschistische Partei. Sie braucht nicht die Verfassung außer Kraft zu setzen oder Gesetze zu verändern. Die oben genannten Methoden sind in einem Rechtsstaat genauso möglich. Jörg Haider wird wohl per Weisungen regieren. Seine Wählerinnenschaft ist übrigens durchaus mit der der NSDAP vergleichbar. Von der Sozialdemokratie abgewanderte ArbeiterInnen, kleine Gewerbetreibende, einige Superreiche, rechtskonservative und immer mehr junge Leute (vor allem Männer!) sowie viele Arbeitslose. Grundmotiv: Rassismus und autoritäres Gedankengut.Die FPÖ an der Macht verstärkt diese Grundstimmung. Und dies ist weit gefährlicher als eine Gruppe von Stiefelnazis, die nach jahrelanger Lethargie ebenfalls ihre Sympathien für die FPÖ entdeckt hat.

Wie weiter?

Seit dem 4. Februar ist also diese rechts/rechtsextreme Regierung an der Macht. Und sie lässt kaum etwas aus, was nicht irgendwie nach Programmen längst vergangener Zeiten riecht. Das Ressort Arbeit wird plötzlich im Wirtschaftsministerium angesiedelt, was es in Österreich nur zwischen 1938 und 1945 gegeben hat. Das Frauenministerium wurde abgeschafft, Frauen wurden zur Familienangelegenheit erklärt. Die Zusammenlegung von Umwelt und Landwirtschaft sieht daneben noch wie eine amüsante Fußnote aus.

Gravierend sind die Einschnitte im Sozialbereich: Zwangsarbeit für Langzeitarbeitslose, die Senkung der Zumutbarkeitsbestimmungen am Arbeitsmarkt, 20% Eigenanteil bei Arztbesuchen, das Pensionsantrittsalter wird um 18 Monate angehoben. Durch die Senkung der Lohnnebenkosten wird der Sozialtopf noch weiter ausgeleert. Frauen werden nur noch als Teil der Familienpolitik gesehen, sie werden durch das »Karenzgeld für alle« für zwei Jahre an den Herd gebunden, arbeitslose Frauen werden für Pflegeberufe empfohlen, Frauenberatungsstellen werden entweder aufgelöst oder in Familienberatungsstellen umgewandelt. Bei Scheidungen soll das Sorgerecht für beide gelten. Eine Law and Order-Politik wird eingeführt - »Three strikes and you are out« - soll heißen, dass es auch bei Zeitungsdiebstahl beim dritten Mal Knast setzt. Die rassistische Politik der Vorgängerregierung wird beibehalten und durch eine 30%- Obergrenze für Kinder mit nicht-österreichischen Eltern in Schulklassen ergänzt. Und schließlich:Sparen, Sparen, Sparen. Das Militärbudget wird aber erhöht. Das gesellschaftliche Klima ist entsprechend. Beim ORF wird kritische Berichterstattung massiv verfolgt, auch bei privaten Zeitungen werden mißliebige Redakteure rausgesäubert. Viele Menschen haben Angst. Und ein Mittel, ihnen die Angst zu nehmen, sind die lautstarken Proteste auf der Straße. Wer einmal auf diesen Demonstrationen war, die mit Tausenden Menschen quer durch die Stadt gehen, wirdbemerkt haben, wie viele am Rand ihre Sympathien damit bekundet haben. Menschen, die aus den Fenstern winken, Leute, die spontan die anliegenden Wirtshäuser verlassen, um der Demo zuzujubeln, Autofahrerinnen, die hupen, und sagen, dafür stünden sie gerne im Stau.

Strategie?

Diese Demos sind der wichtigste Ansatzpunkt eines weiterführenden antifaschistischen Widerstandes. Dabei muss aber diese »Bewegung« genauer betrachtet werden. Sie besteht aus den unterschiedlichsten politischen Strömungen. Von liberal über sozialdemokratisch oder kommunistisch in den verschiedensten Spielarten bis hin zum Anarchismus ist hier alles vertreten. Die meisten lassen sich aber nirgends einordnen.

Und das scheint das Wesentlichste daran zu sein. Vereinnahmungsversuche von Gruppen, die vor allem dem trotzkistischen Milieu zuzuordnen sind,kann mensch als gescheitert betrachten. Das Gros der Demonstrantinnen hat einfach keine Lust, sich irgendwelchen Organisationen (die schon an kommunistische Massenparteien denken) unterzuordnen. Das darf aber nicht mit unpolitisch gleichgesetzt werden. Die Menschen wissen sehr wohl, dass sie hier gegen eine menschenverachtende Partei auf die Straße gehen, und sie setzen auf eben diesen Demos dem völkischen und lustfeindlichen Wahn ihre Auffassung von Leben entgegen. Diese Demos sind lustig, kreativ, kraftvoll und trotzdem wütend. Das muss diesen Großdemos gelassen werden. Kundgebungen, die vor allem aus dem ML-Spektrum organisiert werden, mit Slogans wie »Nein zu NATO und WEU« sind angesichts der Situation Themenverfehlungen und werden von den Menschen auch so wahrgenommen. Kaum eine/r geht hin. Das einzige, was wir (gemeint ist das anarchistische Spektrum) tun können, ist mittels Flugblättern, Infotischen u.a. den Leuten unsere Sicht der Dinge zu vermitteln, ohne sie zu keilen.Wir bieten auch an, unsere Strukturen und Projekte zu nutzen, ohne Anspruch auf Organisierung unter unserem »Kommando« zu erheben.

Der konkrete Protest gegen die Ungerechtigkeiten dieser Regierung kann nur von den Betroffenen selbst ausgehen, wir können uns nur solidarisch erklären. Der Kampf gegen den Faschismus ist hier endgültig zum Kampf gegen das herrschende System geworden. Wer behauptet, dass diese Menschen nur durch vorgekaute Parolen politisiert werden, irrt: Seit die Proteste begonnen haben, sind viele schon alleine durch die Umgangsweise miteinander politisiert worden. Wenn es um gemeinsame Aktionen geht, entwickeln die Menschen eine kreative Solidarität, um allen, die wollen, den Protest auch zu ermöglichen. Dieser Widerstand ist wirklich einer von unten, weil er keine Hierarchien akzeptiert. Und das ist das Wichtigste daran: Dieser Protest ist schon im Ansatz emanzipatorisch. Wenn es eine Strategie gibt, dann die, die Proteste zuzulassen, sie solidarisch zu unterstützen, und, weil das auch für uns gilt, die eigene Meinung konsequent zu vertreten. Diese »Bewegung« ist in ihrem Wesen antifaschistisch.