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Bundesanwaltschaft inszeniert sich mit bundesweiten Razzien gegen Neonazis

Foto: Sören Kohlhuber

„Knockout 51“ bei der „Querdenken“-Demonstration in Berlin am 29. August 2020: Leon Ringl (1.v. links), Eric Krempler (4.v.l.), Bastian Adam (5.v.l);

Am 6. April 2022 kam es in elf Bundesländern zu Razzien gegen Neonazis bei insgesamt 50 Beschuldigten wegen unterschiedlicher Straftaten. Den Durchsuchungen lagen vier Ermittlungsverfahren zugrunde.

"Knockout 51"

Gegen 14 Angehörige der Eisen­acher-­Gruppe „Knockout 51“ wird wegen „Mitgliedschaft in einer rechtsextremistischen kriminellen Vereinigung“ ermittelt. Dabei wurden Haftbefehle gegen Leon Ringl, Maximilian Andreas und Eric Krem­pler in Eisenach und Bastian Adam in Roten­burg an der Fulda vollstreckt. Auch der NPD-Treffpunkt „Flieder Volkshaus“ in Eisenach wurde durc­h­sucht.

Ringl betreibt den Eisenacher Szenetreff „Bullseye“, die Gruppe besuchte unter anderem rechte Kampf­­sportevents wie „Tiwaz“ und „Kampf der Nibelungen“.  Ende November 2021 hatte sich „Knockout 51“ angeblich selbst aufgelöst.

Wie Focus-Online berichtete, wurden durch die Überwachung der Eisenacher Verabredungen zu geplanten gewalttätigen Ausschreitungen mit Dortmunder Neo­nazis bei der „Querdenken“-Demonstration am  29. August 2020 in Berlin bekannt. Die Dortmunder waren dazu mit Hämmern und Bengalos bewaffnet zur Veranstaltung erschienen, hätten aber letztlich vor der Polizei „gekniffen“. Die Anhänger von „Knockout 51“ hingegen haben zwar an Ausschreitungen teilgenommen, sich aber über fehlende Bewaffnung geärgert.1

"Combat 18"

Ein zweites Verfahren richtet sich gegen  21 Personen, die sich trotz des Verbots von „Combat 18“  im Oktober 2020 weiterhin im Rahmen der Gruppe betätigt haben sollen. Sie seien unter anderem bei „Pflichttreffen“ und „Leistungsmärschen“ beobachtet worden. Betroffen von der Durchsuchung waren unter anderem die bekannten Akteure Stanley Röske und Robin Schmiemann. Dass Angehörige der Gruppe ungestört weitermachten, überrascht insofern nicht, weil schon das Verbot die geringen Erkenntnisse der Behörden über die Strukturen von „Combat 18“ offenlegte: Ganze Sektionen und Untergruppen blieben unbehelligt.

Deutscher Ableger der „Atomwaffen­division“

Das dritte Verfahren behandelt einen möglichen deutschen Ableger der rechts­terroristischen „Atomwaffendivision“ (AWD), deren Mitglieder in den USA mehrere Morde verübt hatten. Propaganda der AWD tauchte in Deutschland an Universitäten in Berlin und Frankfurt auf. Insgesamt wird gegen zehn Personen wegen dem „Verdacht der Mitgliedschaft, der versuchten Mitgliedschaft oder der Unterstützung der terroristischen Vereinigung“ ermittelt.

Einer der Beschuldigten ist auch hier Ringl, über dessen Aktivitäten für die AWD bereits 2019 öffentlich berichtet wurde. Die Ermittlungen gegen die AWD führten auch zu zwei Durchsuchungen in Berlin-Neukölln und Mitte, die sich u.a. gegen Maurice Pollei richteten. Erst im Juli 2021 kam er wegen einer rassistischen Messerattacke in Berlin-Rudow zeitweilig in Untersuchungshaft. Am Tag der Razzia sollte eigentlich ein Prozess gegen Pollei wegen gefährlicher Körperverletzung und besonders schweren Landfriedensbruch  stattfinden. Laut ZEIT Online sind weitere Beschuldigte aus Berlin neben Pollei auch Robin-Oliver B. und der Berliner NPD-­Funktionär Oliver Niedrich.2 Alle drei agierten zusammen im Rahmen der NPD-­„Schutzzonen“-Kampagne.

Nach Durchsuchungen wegen des Verdachts auf Besitz von Kinderpornografie gegen Niedrich im September letzten Jahres war es ruhig geworden um den früheren Berliner NPD-Vize.3 Niedrich bestreitet die Vorwüfe, die Ermittlungen in diesem Fall dauern aber noch an.

„SKD 1418“

Im vierten Verfahren der Großrazzia Anfang April wird die rechte Chatgruppe „SKD 1418“ als „terroristische Vereinigung“ bewertet, weil die fünf Mitglieder aus Südbaden „Anhänger für terroristische Anschläge zum ‚Rassenkrieg‘ und zur Zerstörung bestehender demokratischer Systeme unter Ersetzung durch ein neofaschistisches System zu gewinnen“ versuchten.

Bemerkenswerter Zeitpunkt der Razzien

Die Eisenacher Neonazis um Ringl fungieren aktuell im "Antifa-Ost-Verfahren" als Belastungszeugen der Bundesanwaltschaft. Der Zeitpunkt der Durchsuchungen gegen Ringl und Co. ist insofern bemerkenswert, als dass die Taten bereits einige Zeit zurückliegen, öffentlich bekannt waren und die Ermittlungen schon länger liefen, die Razzien jedoch erst nach ihren Aussagen im Prozess gegen die angeklagten Antifaschist_innen durch­geführt wurden. Es drängt sich der Verdacht auf, dass die BAW ihre Belastungszeugen nicht vor den Aussagen demontieren wollte, sich aber aufgrund der Thematisierung ihrer rechten Aktivitäten im Prozess nun als vermeintlich konsequent im Vorgehen gegen Rechts inszenieren will.